Laßt uns das an Beispielen sehen! Ich nehme an, der Ehrgeiz sei die herschende Leiden- schaft eines Staatsministers, wie er es denn ins- gemein ist; ich nehme auch an, daß dieser Mini- ster ein geschikter sei. Wird er denn darum den Gegenstand dieser herschenden Leidenschaft unver- äuderlich verfolgen?
Kan ich sicher sein, er werde so und so han- deln, darum, weil er es solte? Nichts weniger! Krankheit oder Niedergeschlagenheit können diese herschende Leidenschaft dämpfen; Launen und mürrisches Wesen können darüber siegen, auch niedrigere Leidenschaften können sie zuweilen über- fallen und unterdrükken.
Ist z. E. dieser ehrgeizige Staatsman zugleich geizig, so kan ein sich plözlich zeigender großer Gewin das ganze Werk seines Ehrgeizes unter- graben. Ist er zornig, so kan Widerspruch und Reizung, (die zuweilen vielleicht gar aus listigem Vorsaze kömt,) hastige, unbesonnene Ausdrükke oder Handlungen hervorlokken, die seinen Haupt- entzwek vernichten. Ist er eitel und der Schmei- chelei ausgesezt, so kan ein schlauer, schmeichelnder
Günst-
Laßt uns das an Beiſpielen ſehen! Ich nehme an, der Ehrgeiz ſei die herſchende Leiden- ſchaft eines Staatsminiſters, wie er es denn ins- gemein iſt; ich nehme auch an, daß dieſer Mini- ſter ein geſchikter ſei. Wird er denn darum den Gegenſtand dieſer herſchenden Leidenſchaft unver- aͤuderlich verfolgen?
Kan ich ſicher ſein, er werde ſo und ſo han- deln, darum, weil er es ſolte? Nichts weniger! Krankheit oder Niedergeſchlagenheit koͤnnen dieſe herſchende Leidenſchaft daͤmpfen; Launen und muͤrriſches Weſen koͤnnen daruͤber ſiegen, auch niedrigere Leidenſchaften koͤnnen ſie zuweilen uͤber- fallen und unterdruͤkken.
Iſt z. E. dieſer ehrgeizige Staatsman zugleich geizig, ſo kan ein ſich ploͤzlich zeigender großer Gewin das ganze Werk ſeines Ehrgeizes unter- graben. Iſt er zornig, ſo kan Widerſpruch und Reizung, (die zuweilen vielleicht gar aus liſtigem Vorſaze koͤmt,) haſtige, unbeſonnene Ausdruͤkke oder Handlungen hervorlokken, die ſeinen Haupt- entzwek vernichten. Iſt er eitel und der Schmei- chelei ausgeſezt, ſo kan ein ſchlauer, ſchmeichelnder
Guͤnſt-
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Laßt uns das an Beiſpielen ſehen! Ich
nehme an, der Ehrgeiz ſei die herſchende Leiden-
ſchaft eines Staatsminiſters, wie er es denn ins-
gemein iſt; ich nehme auch an, daß dieſer Mini-
ſter ein geſchikter ſei. Wird er denn darum den
Gegenſtand dieſer herſchenden Leidenſchaft unver-
aͤuderlich verfolgen?
Kan ich ſicher ſein, er werde ſo und ſo han-
deln, darum, weil er es ſolte? Nichts weniger!
Krankheit oder Niedergeſchlagenheit koͤnnen dieſe
herſchende Leidenſchaft daͤmpfen; Launen und
muͤrriſches Weſen koͤnnen daruͤber ſiegen, auch
niedrigere Leidenſchaften koͤnnen ſie zuweilen uͤber-
fallen und unterdruͤkken.
Iſt z. E. dieſer ehrgeizige Staatsman zugleich
geizig, ſo kan ein ſich ploͤzlich zeigender großer
Gewin das ganze Werk ſeines Ehrgeizes unter-
graben. Iſt er zornig, ſo kan Widerſpruch und
Reizung, (die zuweilen vielleicht gar aus liſtigem
Vorſaze koͤmt,) haſtige, unbeſonnene Ausdruͤkke
oder Handlungen hervorlokken, die ſeinen Haupt-
entzwek vernichten. Iſt er eitel und der Schmei-
chelei ausgeſezt, ſo kan ein ſchlauer, ſchmeichelnder
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/113>, abgerufen am 10.06.2024.
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