sicht, seine Unterthanen vor den Einfällen der Ungarn zu sichern, und seine Fein- de durch beständige Streifereyen zu schwächen. Allein, das Glück wollte seinem Unternehmen nicht günstig seyn. Denn die tapfere Gegenwehre der Belagerten und der herannahende Winter nöthigten ihn, die Belagerung aufzuheben, als es eben schiene, als wenn er bald Meister von der Stadt werden würde. Hinge- gen nahm derselbe auf dem Rückwege Sophia 29 und noch einige andere Städte in Bulgarien ein.
Walak Ogli wird aus seinem Lande vertrie-ben,
20.
Murad war indessen voll Unmuths, daß ihm sein Anschlag auf Belgrad nicht gelungen war, und schrieb dieses nicht sowol der Tapferkeit des Feindes, als einer Verrätherey zu. Walak Ogli war mit dem Sultan, dem Geblüte und der Freundschaft 30 nach, dergestalt genau verbunden, und hatte sich allezeit so aufgeführet, daß es eine Sünde zu seyn schiene, an seiner Treue im mindesten zu zweifeln. Allein, bey genauerer Untersuchung befand es sich, daß er nicht nur die osmanischen Anschläge dem Könige von Ungarn entdecket; sondern auch sein Aeußerstes gethan hatte, die Eroberung von Belgrad zu ver- hindern. Um nun einen so unerwarteten Verrath zu bestrafen, giebt der Kai- ser Befehl, daß man den zweenen Söhnen desselben, die er als Geißeln bey sich hatte, die Zungen ausschneiden sollte: er selbst aber gehet mit einem Heere nach Servien, nimmt die Stadt Semendre an der Donau ein, bemächtiget sich des Gebietes Sserni Oglis 31, jaget solchergestalt den Fürsten aus seinem Lande, und bringet ganz Servien vollends unter seine Botmäßigkeit.
und fliehet zu dem Könige vonUngarn.
21.
Walak Ogli war noch so glücklich, daß er der gebührenden Strafe [Spaltenumbruch]
die Türken nach Aufhebung der Belagerung im Rückwege Sophia nebst andern Städten, in eben dieser Landschaft gelegen (vielleicht waren dieses Nissa, Skopia, Novomont oder Schehirkjöj), bestürmet und eingenommen haben, welches die Christen selbst eingestehen. Sie sagen zwar, diese Oerter wären vor der Belagerung Belgrads erobert worden: die Türken aber behaupten, daß es nach dersel- ben geschehen sey.
29 Sophia] die Hauptstadt in Bul- garien, und der Sitz des Begjlerbegjs von Rumilien: eine Stadt ohne Mauren. Ihren [Spaltenumbruch] Namen scheinet sie von einer Kirche zu haben, die wie die St. Sophia zu Constantinopel ge- bauet ist, ob sie gleich nicht eben die Größe hat, und auch nicht, wie jene, in einen Dschami verwandelt worden ist.
30 Geblüte und Freundschaft] Die christlichen Schriftsteller berichten noch weiter, daß der Despot in Servien, Georg, zur Bestä- tigung des Friedens, Murad eine Tochter zur Ehe gegeben habe. Weil nun die Christen in Anführung der Namen der Fürsten richtiger und ordentlicher sind, als die Türken: so se- he ich keine Ursache, dieses in Zweifel zu zie-
für
Osmaniſche Geſchichte
ſicht, ſeine Unterthanen vor den Einfaͤllen der Ungarn zu ſichern, und ſeine Fein- de durch beſtaͤndige Streifereyen zu ſchwaͤchen. Allein, das Gluͤck wollte ſeinem Unternehmen nicht guͤnſtig ſeyn. Denn die tapfere Gegenwehre der Belagerten und der herannahende Winter noͤthigten ihn, die Belagerung aufzuheben, als es eben ſchiene, als wenn er bald Meiſter von der Stadt werden wuͤrde. Hinge- gen nahm derſelbe auf dem Ruͤckwege Sophia 29 und noch einige andere Staͤdte in Bulgarien ein.
Walak Ogli wird aus ſeinem Lande vertrie-ben,
20.
Murad war indeſſen voll Unmuths, daß ihm ſein Anſchlag auf Belgrad nicht gelungen war, und ſchrieb dieſes nicht ſowol der Tapferkeit des Feindes, als einer Verraͤtherey zu. Walak Ogli war mit dem Sultan, dem Gebluͤte und der Freundſchaft 30 nach, dergeſtalt genau verbunden, und hatte ſich allezeit ſo aufgefuͤhret, daß es eine Suͤnde zu ſeyn ſchiene, an ſeiner Treue im mindeſten zu zweifeln. Allein, bey genauerer Unterſuchung befand es ſich, daß er nicht nur die osmaniſchen Anſchlaͤge dem Koͤnige von Ungarn entdecket; ſondern auch ſein Aeußerſtes gethan hatte, die Eroberung von Belgrad zu ver- hindern. Um nun einen ſo unerwarteten Verrath zu beſtrafen, giebt der Kai- ſer Befehl, daß man den zweenen Soͤhnen deſſelben, die er als Geißeln bey ſich hatte, die Zungen ausſchneiden ſollte: er ſelbſt aber gehet mit einem Heere nach Servien, nimmt die Stadt Semendre an der Donau ein, bemaͤchtiget ſich des Gebietes Sſerni Oglis 31, jaget ſolchergeſtalt den Fuͤrſten aus ſeinem Lande, und bringet ganz Servien vollends unter ſeine Botmaͤßigkeit.
und fliehet zu dem Koͤnige vonUngarn.
21.
Walak Ogli war noch ſo gluͤcklich, daß er der gebuͤhrenden Strafe [Spaltenumbruch]
die Tuͤrken nach Aufhebung der Belagerung im Ruͤckwege Sophia nebſt andern Staͤdten, in eben dieſer Landſchaft gelegen (vielleicht waren dieſes Niſſa, Skopia, Novomont oder Schehirkjoͤj), beſtuͤrmet und eingenommen haben, welches die Chriſten ſelbſt eingeſtehen. Sie ſagen zwar, dieſe Oerter waͤren vor der Belagerung Belgrads erobert worden: die Tuͤrken aber behaupten, daß es nach derſel- ben geſchehen ſey.
29 Sophia] die Hauptſtadt in Bul- garien, und der Sitz des Begjlerbegjs von Rumilien: eine Stadt ohne Mauren. Ihren [Spaltenumbruch] Namen ſcheinet ſie von einer Kirche zu haben, die wie die St. Sophia zu Conſtantinopel ge- bauet iſt, ob ſie gleich nicht eben die Groͤße hat, und auch nicht, wie jene, in einen Dſchami verwandelt worden iſt.
30 Gebluͤte und Freundſchaft] Die chriſtlichen Schriftſteller berichten noch weiter, daß der Deſpot in Servien, Georg, zur Beſtaͤ- tigung des Friedens, Murad eine Tochter zur Ehe gegeben habe. Weil nun die Chriſten in Anfuͤhrung der Namen der Fuͤrſten richtiger und ordentlicher ſind, als die Tuͤrken: ſo ſe- he ich keine Urſache, dieſes in Zweifel zu zie-
fuͤr
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Osmaniſche Geſchichte
ſicht, ſeine Unterthanen vor den Einfaͤllen der Ungarn zu ſichern, und ſeine Fein-
de durch beſtaͤndige Streifereyen zu ſchwaͤchen. Allein, das Gluͤck wollte ſeinem
Unternehmen nicht guͤnſtig ſeyn. Denn die tapfere Gegenwehre der Belagerten
und der herannahende Winter noͤthigten ihn, die Belagerung aufzuheben, als es
eben ſchiene, als wenn er bald Meiſter von der Stadt werden wuͤrde. Hinge-
gen nahm derſelbe auf dem Ruͤckwege Sophia
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und noch einige andere Staͤdte
in Bulgarien ein.
20. Murad war indeſſen voll Unmuths, daß ihm ſein Anſchlag auf
Belgrad nicht gelungen war, und ſchrieb dieſes nicht ſowol der Tapferkeit des
Feindes, als einer Verraͤtherey zu. Walak Ogli war mit dem Sultan, dem
Gebluͤte und der Freundſchaft
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nach, dergeſtalt genau verbunden, und hatte
ſich allezeit ſo aufgefuͤhret, daß es eine Suͤnde zu ſeyn ſchiene, an ſeiner Treue
im mindeſten zu zweifeln. Allein, bey genauerer Unterſuchung befand es ſich,
daß er nicht nur die osmaniſchen Anſchlaͤge dem Koͤnige von Ungarn entdecket;
ſondern auch ſein Aeußerſtes gethan hatte, die Eroberung von Belgrad zu ver-
hindern. Um nun einen ſo unerwarteten Verrath zu beſtrafen, giebt der Kai-
ſer Befehl, daß man den zweenen Soͤhnen deſſelben, die er als Geißeln bey ſich
hatte, die Zungen ausſchneiden ſollte: er ſelbſt aber gehet mit einem Heere nach
Servien, nimmt die Stadt Semendre an der Donau ein, bemaͤchtiget ſich des
Gebietes Sſerni Oglis
³¹
, jaget ſolchergeſtalt den Fuͤrſten aus ſeinem Lande, und
bringet ganz Servien vollends unter ſeine Botmaͤßigkeit.
21. Walak Ogli war noch ſo gluͤcklich, daß er der gebuͤhrenden Strafe
fuͤr
die Tuͤrken nach Aufhebung der Belagerung
im Ruͤckwege Sophia nebſt andern Staͤdten,
in eben dieſer Landſchaft gelegen (vielleicht
waren dieſes Niſſa, Skopia, Novomont oder
Schehirkjoͤj), beſtuͤrmet und eingenommen
haben, welches die Chriſten ſelbſt eingeſtehen.
Sie ſagen zwar, dieſe Oerter waͤren vor der
Belagerung Belgrads erobert worden: die
Tuͤrken aber behaupten, daß es nach derſel-
ben geſchehen ſey.
²⁹ Sophia] die Hauptſtadt in Bul-
garien, und der Sitz des Begjlerbegjs von
Rumilien: eine Stadt ohne Mauren. Ihren
Namen ſcheinet ſie von einer Kirche zu haben,
die wie die St. Sophia zu Conſtantinopel ge-
bauet iſt, ob ſie gleich nicht eben die Groͤße
hat, und auch nicht, wie jene, in einen
Dſchami verwandelt worden iſt.
³⁰ Gebluͤte und Freundſchaft] Die
chriſtlichen Schriftſteller berichten noch weiter,
daß der Deſpot in Servien, Georg, zur Beſtaͤ-
tigung des Friedens, Murad eine Tochter zur
Ehe gegeben habe. Weil nun die Chriſten
in Anfuͤhrung der Namen der Fuͤrſten richtiger
und ordentlicher ſind, als die Tuͤrken: ſo ſe-
he ich keine Urſache, dieſes in Zweifel zu zie-
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/206>, abgerufen am 17.06.2024.
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