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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

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Schwäche des Lymphgefäßsystems gesellen sich Wasseranhäu-
fungen hinzu und auf diese Weise kann dieser Zustand selbst
lebensgefährlich werden.

§. 156.

Ein ähnlicher Zustand entwickelt sich denn auch zuwei-
len ohne eine andere vorausgegangene Krankheit blos in Folge
fehlerhafter Lebensweise. Personen welche durch anhalten-
des Sitzen Störungen in der Blutbewegung der Unterleibs-
gefäße veranlassen, welche in feuchter unreiner Luft, unter
Gram und Sorge, bey schlechten Nahrungsmitteln leben,
verfallen leicht, wenn die Zeit herannaht, wo die Entwick-
lung der Pubertät von der Natur gefordert, obwohl nicht
erlangt wird, namentlich in die genannten Cacherien; dahin-
gegen Personen, welche in früherer Zeit durch Ausschweifun-
gen die Geschlechtsorgane geschwächt und dadurch die Fähig-
keit derselben zur Menstrualfunktion und Zeugung großen
Theils zerstört haben, in dieser Periode vorzüglich mit den
gleichfalls genannten Nervenübeln zu kämpfen haben.

§. 157.

3) Finden wir als Ursache der verzögerten Menstruation
häufig die Abweichung in der Gesammtform des
weiblichen Körpers
vom ächten Geschlechtstypus, die
Hinneigung zur männlichen Körperform, bey übrigens regel-
mäßiger Gestalt der Geschlechtstheile selbst. Solche Indivi-
duen (Mannjungfern, Viragines) zeichnen sich aus durch
die beträchtlichere Körpergröße, breitere und längere Brust,
längeres Gesicht, männlichere Züge, stärkere Haarentwicklung
auf der Oberlippe, hervorgehobenere Knochenbildung, plattern
Unterleib und schmälere Hüften, und es ist in ihnen über-
haupt die Entwicklung der Menstrualfunktion erst einem et-
was spätern Lebensalter natürlich; allein selbst wenn nun im
18ten oder 20sten Jahre einige Vorboten dieser Periode er-
scheinen, so ist demohnerachtet zuweilen die Reproduktion nicht
(wie sie im weiblichen Körper doch eigentlich soll) kräftig
genug, um diese Entwicklung zu bewerkstelligen, weßhalb
denn oft die Molimina eine krankhafte Höhe erreichen, und

Schwaͤche des Lymphgefaͤßſyſtems geſellen ſich Waſſeranhaͤu-
fungen hinzu und auf dieſe Weiſe kann dieſer Zuſtand ſelbſt
lebensgefaͤhrlich werden.

§. 156.

Ein aͤhnlicher Zuſtand entwickelt ſich denn auch zuwei-
len ohne eine andere vorausgegangene Krankheit blos in Folge
fehlerhafter Lebensweiſe. Perſonen welche durch anhalten-
des Sitzen Stoͤrungen in der Blutbewegung der Unterleibs-
gefaͤße veranlaſſen, welche in feuchter unreiner Luft, unter
Gram und Sorge, bey ſchlechten Nahrungsmitteln leben,
verfallen leicht, wenn die Zeit herannaht, wo die Entwick-
lung der Pubertaͤt von der Natur gefordert, obwohl nicht
erlangt wird, namentlich in die genannten Cacherien; dahin-
gegen Perſonen, welche in fruͤherer Zeit durch Ausſchweifun-
gen die Geſchlechtsorgane geſchwaͤcht und dadurch die Faͤhig-
keit derſelben zur Menſtrualfunktion und Zeugung großen
Theils zerſtoͤrt haben, in dieſer Periode vorzuͤglich mit den
gleichfalls genannten Nervenuͤbeln zu kaͤmpfen haben.

§. 157.

3) Finden wir als Urſache der verzoͤgerten Menſtruation
haͤufig die Abweichung in der Geſammtform des
weiblichen Koͤrpers
vom aͤchten Geſchlechtstypus, die
Hinneigung zur maͤnnlichen Koͤrperform, bey uͤbrigens regel-
maͤßiger Geſtalt der Geſchlechtstheile ſelbſt. Solche Indivi-
duen (Mannjungfern, Viragines) zeichnen ſich aus durch
die betraͤchtlichere Koͤrpergroͤße, breitere und laͤngere Bruſt,
laͤngeres Geſicht, maͤnnlichere Zuͤge, ſtaͤrkere Haarentwicklung
auf der Oberlippe, hervorgehobenere Knochenbildung, plattern
Unterleib und ſchmaͤlere Huͤften, und es iſt in ihnen uͤber-
haupt die Entwicklung der Menſtrualfunktion erſt einem et-
was ſpaͤtern Lebensalter natuͤrlich; allein ſelbſt wenn nun im
18ten oder 20ſten Jahre einige Vorboten dieſer Periode er-
ſcheinen, ſo iſt demohnerachtet zuweilen die Reproduktion nicht
(wie ſie im weiblichen Koͤrper doch eigentlich ſoll) kraͤftig
genug, um dieſe Entwicklung zu bewerkſtelligen, weßhalb
denn oft die Molimina eine krankhafte Hoͤhe erreichen, und

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[118/0138] Schwaͤche des Lymphgefaͤßſyſtems geſellen ſich Waſſeranhaͤu- fungen hinzu und auf dieſe Weiſe kann dieſer Zuſtand ſelbſt lebensgefaͤhrlich werden. §. 156. Ein aͤhnlicher Zuſtand entwickelt ſich denn auch zuwei- len ohne eine andere vorausgegangene Krankheit blos in Folge fehlerhafter Lebensweiſe. Perſonen welche durch anhalten- des Sitzen Stoͤrungen in der Blutbewegung der Unterleibs- gefaͤße veranlaſſen, welche in feuchter unreiner Luft, unter Gram und Sorge, bey ſchlechten Nahrungsmitteln leben, verfallen leicht, wenn die Zeit herannaht, wo die Entwick- lung der Pubertaͤt von der Natur gefordert, obwohl nicht erlangt wird, namentlich in die genannten Cacherien; dahin- gegen Perſonen, welche in fruͤherer Zeit durch Ausſchweifun- gen die Geſchlechtsorgane geſchwaͤcht und dadurch die Faͤhig- keit derſelben zur Menſtrualfunktion und Zeugung großen Theils zerſtoͤrt haben, in dieſer Periode vorzuͤglich mit den gleichfalls genannten Nervenuͤbeln zu kaͤmpfen haben. §. 157. 3) Finden wir als Urſache der verzoͤgerten Menſtruation haͤufig die Abweichung in der Geſammtform des weiblichen Koͤrpers vom aͤchten Geſchlechtstypus, die Hinneigung zur maͤnnlichen Koͤrperform, bey uͤbrigens regel- maͤßiger Geſtalt der Geſchlechtstheile ſelbſt. Solche Indivi- duen (Mannjungfern, Viragines) zeichnen ſich aus durch die betraͤchtlichere Koͤrpergroͤße, breitere und laͤngere Bruſt, laͤngeres Geſicht, maͤnnlichere Zuͤge, ſtaͤrkere Haarentwicklung auf der Oberlippe, hervorgehobenere Knochenbildung, plattern Unterleib und ſchmaͤlere Huͤften, und es iſt in ihnen uͤber- haupt die Entwicklung der Menſtrualfunktion erſt einem et- was ſpaͤtern Lebensalter natuͤrlich; allein ſelbſt wenn nun im 18ten oder 20ſten Jahre einige Vorboten dieſer Periode er- ſcheinen, ſo iſt demohnerachtet zuweilen die Reproduktion nicht (wie ſie im weiblichen Koͤrper doch eigentlich ſoll) kraͤftig genug, um dieſe Entwicklung zu bewerkſtelligen, weßhalb denn oft die Molimina eine krankhafte Hoͤhe erreichen, und

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/138>, abgerufen am 27.04.2024.