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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

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bey der Schwangerschaft nämlich schwillt der Leib nach und
nach, und zwar in regelmaßiger Aufeinanderfolge an, spä-
terhin sind wohl bey genauer Untersuchung, zumal da hier
der Körper abgemagert zu seyn pflegt, äußerlich Kindestheile
oder die Fluctuation des Fruchtwassers zu fühlen, da hin-
gegen beym bloßen Carcinom der Uterus selbst gar nicht be-
deutend anzuschwellen und über das Becken sich zu erheben
pflegt, wodurch denn namentlich auch Erkenntniß der Ver-
bindung dieser Zustände möglich wird. Innerlich ist die Ver-
kürzung der Vaginalportion durch Erosion, und der harte,
ungleiche, oft mehr runde Muttermund beym Carcinom, wenn
beide Zustande gesondert vorkommen, leicht von dem natürlich
verstreichenden Mutterhals und dem turgescirenden runden
Muttermunde bey Schwangern zu unterscheiden. Uebrigens
verlieren sich gewöhnlich die Beschwerden der Schwangerschaft
und die vielleicht anfänglich noch fließende Menstruation spä-
terhin mehr und mehr, bey dem Krebs nehmen diese Zufälle,
je länger das Uebel dauert, um so mehr zu; charakteristisch
aber vorzüglich sind die große Empfindlichkeit und die heftigen
Schmerzen des Uterus.

§. 448.

Aetiologie. Worin besteht das Wesentliche der skirrhö-
sen Verhärtung und des Krebsgeschwürs? -- Diese Frage
hat die Pathologen von jeher vielfach beschäftigt; ist es ein
specifisches, an einem Punkte ausgesondertes und entstehen-
des Gift, ist es eine bloße Abart der Entzündung, ist es
örtliches Offenbaren einer allgemeinen fehlerhaften Constitution
und Säftemischung, ist es eine rein örtliche Degeneration der
Substanz? darüber wünschte man ins Klare zu kommen. --
Wir wollen versuchen, ob eine ganz einfache Betrachtung des
Ganges dieser Krankheit hierüber einigen Ausschluß gewähren
kann. -- So wie aber das Leben überhaupt, so kann auch
die Krankheit nur unter Zusammenwirkung eines innern und
äußern Moments entstehen und bestehen, und es ist eine rein
örtliche Krankheit ohne Beywirkung des Allgemeinen nicht
denkbar, da ja jedes Einzelne nur eben stets durch das Ganze,

bey der Schwangerſchaft naͤmlich ſchwillt der Leib nach und
nach, und zwar in regelmaßiger Aufeinanderfolge an, ſpaͤ-
terhin ſind wohl bey genauer Unterſuchung, zumal da hier
der Koͤrper abgemagert zu ſeyn pflegt, aͤußerlich Kindestheile
oder die Fluctuation des Fruchtwaſſers zu fuͤhlen, da hin-
gegen beym bloßen Carcinom der Uterus ſelbſt gar nicht be-
deutend anzuſchwellen und uͤber das Becken ſich zu erheben
pflegt, wodurch denn namentlich auch Erkenntniß der Ver-
bindung dieſer Zuſtaͤnde moͤglich wird. Innerlich iſt die Ver-
kuͤrzung der Vaginalportion durch Eroſion, und der harte,
ungleiche, oft mehr runde Muttermund beym Carcinom, wenn
beide Zuſtande geſondert vorkommen, leicht von dem natuͤrlich
verſtreichenden Mutterhals und dem turgescirenden runden
Muttermunde bey Schwangern zu unterſcheiden. Uebrigens
verlieren ſich gewoͤhnlich die Beſchwerden der Schwangerſchaft
und die vielleicht anfaͤnglich noch fließende Menſtruation ſpaͤ-
terhin mehr und mehr, bey dem Krebs nehmen dieſe Zufaͤlle,
je laͤnger das Uebel dauert, um ſo mehr zu; charakteriſtiſch
aber vorzuͤglich ſind die große Empfindlichkeit und die heftigen
Schmerzen des Uterus.

§. 448.

Aetiologie. Worin beſteht das Weſentliche der ſkirrhoͤ-
ſen Verhaͤrtung und des Krebsgeſchwuͤrs? — Dieſe Frage
hat die Pathologen von jeher vielfach beſchaͤftigt; iſt es ein
ſpecifiſches, an einem Punkte ausgeſondertes und entſtehen-
des Gift, iſt es eine bloße Abart der Entzuͤndung, iſt es
oͤrtliches Offenbaren einer allgemeinen fehlerhaften Conſtitution
und Saͤftemiſchung, iſt es eine rein oͤrtliche Degeneration der
Subſtanz? daruͤber wuͤnſchte man ins Klare zu kommen. —
Wir wollen verſuchen, ob eine ganz einfache Betrachtung des
Ganges dieſer Krankheit hieruͤber einigen Auſſchluß gewaͤhren
kann. — So wie aber das Leben uͤberhaupt, ſo kann auch
die Krankheit nur unter Zuſammenwirkung eines innern und
aͤußern Moments entſtehen und beſtehen, und es iſt eine rein
oͤrtliche Krankheit ohne Beywirkung des Allgemeinen nicht
denkbar, da ja jedes Einzelne nur eben ſtets durch das Ganze,

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[344/0364] bey der Schwangerſchaft naͤmlich ſchwillt der Leib nach und nach, und zwar in regelmaßiger Aufeinanderfolge an, ſpaͤ- terhin ſind wohl bey genauer Unterſuchung, zumal da hier der Koͤrper abgemagert zu ſeyn pflegt, aͤußerlich Kindestheile oder die Fluctuation des Fruchtwaſſers zu fuͤhlen, da hin- gegen beym bloßen Carcinom der Uterus ſelbſt gar nicht be- deutend anzuſchwellen und uͤber das Becken ſich zu erheben pflegt, wodurch denn namentlich auch Erkenntniß der Ver- bindung dieſer Zuſtaͤnde moͤglich wird. Innerlich iſt die Ver- kuͤrzung der Vaginalportion durch Eroſion, und der harte, ungleiche, oft mehr runde Muttermund beym Carcinom, wenn beide Zuſtande geſondert vorkommen, leicht von dem natuͤrlich verſtreichenden Mutterhals und dem turgescirenden runden Muttermunde bey Schwangern zu unterſcheiden. Uebrigens verlieren ſich gewoͤhnlich die Beſchwerden der Schwangerſchaft und die vielleicht anfaͤnglich noch fließende Menſtruation ſpaͤ- terhin mehr und mehr, bey dem Krebs nehmen dieſe Zufaͤlle, je laͤnger das Uebel dauert, um ſo mehr zu; charakteriſtiſch aber vorzuͤglich ſind die große Empfindlichkeit und die heftigen Schmerzen des Uterus. §. 448. Aetiologie. Worin beſteht das Weſentliche der ſkirrhoͤ- ſen Verhaͤrtung und des Krebsgeſchwuͤrs? — Dieſe Frage hat die Pathologen von jeher vielfach beſchaͤftigt; iſt es ein ſpecifiſches, an einem Punkte ausgeſondertes und entſtehen- des Gift, iſt es eine bloße Abart der Entzuͤndung, iſt es oͤrtliches Offenbaren einer allgemeinen fehlerhaften Conſtitution und Saͤftemiſchung, iſt es eine rein oͤrtliche Degeneration der Subſtanz? daruͤber wuͤnſchte man ins Klare zu kommen. — Wir wollen verſuchen, ob eine ganz einfache Betrachtung des Ganges dieſer Krankheit hieruͤber einigen Auſſchluß gewaͤhren kann. — So wie aber das Leben uͤberhaupt, ſo kann auch die Krankheit nur unter Zuſammenwirkung eines innern und aͤußern Moments entſtehen und beſtehen, und es iſt eine rein oͤrtliche Krankheit ohne Beywirkung des Allgemeinen nicht denkbar, da ja jedes Einzelne nur eben ſtets durch das Ganze,

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/364>, abgerufen am 30.04.2024.