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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

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anderer Thierklassen, z. B. der Vögel, der Amphibien u. s. w.
so nehmen wir wahr, daß sie bey diesen als aus wirklichen
Eykeimen zusammengesetzt erscheinen, welche, indem sie nach,
oder auch vor der Befruchtung sich absondern, das deutlich
sichtbare Material zur Bildung des Fötus abgeben. Selbst
bey mehreren Säugethieren ist eine solche Zusammenhäufung
von Eybläschen am Eyerstocke noch sichtbar; z. B. bey meh-
reren Nagethieren, den Hasen, Kaninchen u. s. w., da hin-
gegen in den menschlichen Ovarien bekanntlich die Eybläschen
so undeutlich werden, daß mehrere Physiologen (neuerlich
Wilbrand) die Bildung des Embryo aus einem von den
Ovarien kommenden Keime geläugnet haben, womit wir in-
deß um so weniger übereinstimmen können, da auch an den
menschlichen Ovarien die Narben abgelöster Eykeime deutlich
zu sehen sind. Von der Bedeutung dieser Eigenthümlichkeit
der Ovarien und namentlich des menschlichen Weibes kann
indeß erst späterhin bey der Geschichte der Empfängniß und
Schwangerschaft die Rede seyn.

§. 27.

Was ferner die Bildung der Fallopischen Röh-
ren
, des Fruchthälters und der Scheide betrifft,
so ist es zuvörderst nothwendig, um eine naturgemäße Vor-
stellung von Entstehung ihrer Form, und der Eigenthümlich-
keit ihres Lebens zu erhalten, alle drei Theile, als ein
Continuum, als einen aufwärts getheilten Y förmigen
Gang zu betrachten, wie wir im Embryo, und in tiefern
Thierklassen dann diese Form wirklich, nämlich als bloßen
Eyergang (Oviductus), und zwar entweder einfach (wie
bey den Vögeln), oder doppelt (wie bey den Amphibien
und Fischen) antreffen. *) In dieser Gestalt erscheint ein
solcher Kanal vollkommen darmartig, mündet noch oft (wie
bey den Amphibien und Vögeln) in den untern Theil des
Darmkanals, erscheint dadurch gleichsam als Anhang dessel-
ben und erinnert dadurch eines Theils an die Fortpflanzung
der niedrigsten Thiergattungen, wo, wie bey vielen Pflanzen-

*) S. mein Lehrbuch der Zootomie S. 611 u. f.

anderer Thierklaſſen, z. B. der Voͤgel, der Amphibien u. ſ. w.
ſo nehmen wir wahr, daß ſie bey dieſen als aus wirklichen
Eykeimen zuſammengeſetzt erſcheinen, welche, indem ſie nach,
oder auch vor der Befruchtung ſich abſondern, das deutlich
ſichtbare Material zur Bildung des Foͤtus abgeben. Selbſt
bey mehreren Saͤugethieren iſt eine ſolche Zuſammenhaͤufung
von Eyblaͤschen am Eyerſtocke noch ſichtbar; z. B. bey meh-
reren Nagethieren, den Haſen, Kaninchen u. ſ. w., da hin-
gegen in den menſchlichen Ovarien bekanntlich die Eyblaͤschen
ſo undeutlich werden, daß mehrere Phyſiologen (neuerlich
Wilbrand) die Bildung des Embryo aus einem von den
Ovarien kommenden Keime gelaͤugnet haben, womit wir in-
deß um ſo weniger uͤbereinſtimmen koͤnnen, da auch an den
menſchlichen Ovarien die Narben abgeloͤster Eykeime deutlich
zu ſehen ſind. Von der Bedeutung dieſer Eigenthuͤmlichkeit
der Ovarien und namentlich des menſchlichen Weibes kann
indeß erſt ſpaͤterhin bey der Geſchichte der Empfaͤngniß und
Schwangerſchaft die Rede ſeyn.

§. 27.

Was ferner die Bildung der Fallopiſchen Roͤh-
ren
, des Fruchthaͤlters und der Scheide betrifft,
ſo iſt es zuvoͤrderſt nothwendig, um eine naturgemaͤße Vor-
ſtellung von Entſtehung ihrer Form, und der Eigenthuͤmlich-
keit ihres Lebens zu erhalten, alle drei Theile, als ein
Continuum, als einen aufwaͤrts getheilten Y foͤrmigen
Gang zu betrachten, wie wir im Embryo, und in tiefern
Thierklaſſen dann dieſe Form wirklich, naͤmlich als bloßen
Eyergang (Oviductus), und zwar entweder einfach (wie
bey den Voͤgeln), oder doppelt (wie bey den Amphibien
und Fiſchen) antreffen. *) In dieſer Geſtalt erſcheint ein
ſolcher Kanal vollkommen darmartig, muͤndet noch oft (wie
bey den Amphibien und Voͤgeln) in den untern Theil des
Darmkanals, erſcheint dadurch gleichſam als Anhang deſſel-
ben und erinnert dadurch eines Theils an die Fortpflanzung
der niedrigſten Thiergattungen, wo, wie bey vielen Pflanzen-

*) S. mein Lehrbuch der Zootomie S. 611 u. f.
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[21/0041] anderer Thierklaſſen, z. B. der Voͤgel, der Amphibien u. ſ. w. ſo nehmen wir wahr, daß ſie bey dieſen als aus wirklichen Eykeimen zuſammengeſetzt erſcheinen, welche, indem ſie nach, oder auch vor der Befruchtung ſich abſondern, das deutlich ſichtbare Material zur Bildung des Foͤtus abgeben. Selbſt bey mehreren Saͤugethieren iſt eine ſolche Zuſammenhaͤufung von Eyblaͤschen am Eyerſtocke noch ſichtbar; z. B. bey meh- reren Nagethieren, den Haſen, Kaninchen u. ſ. w., da hin- gegen in den menſchlichen Ovarien bekanntlich die Eyblaͤschen ſo undeutlich werden, daß mehrere Phyſiologen (neuerlich Wilbrand) die Bildung des Embryo aus einem von den Ovarien kommenden Keime gelaͤugnet haben, womit wir in- deß um ſo weniger uͤbereinſtimmen koͤnnen, da auch an den menſchlichen Ovarien die Narben abgeloͤster Eykeime deutlich zu ſehen ſind. Von der Bedeutung dieſer Eigenthuͤmlichkeit der Ovarien und namentlich des menſchlichen Weibes kann indeß erſt ſpaͤterhin bey der Geſchichte der Empfaͤngniß und Schwangerſchaft die Rede ſeyn. §. 27. Was ferner die Bildung der Fallopiſchen Roͤh- ren, des Fruchthaͤlters und der Scheide betrifft, ſo iſt es zuvoͤrderſt nothwendig, um eine naturgemaͤße Vor- ſtellung von Entſtehung ihrer Form, und der Eigenthuͤmlich- keit ihres Lebens zu erhalten, alle drei Theile, als ein Continuum, als einen aufwaͤrts getheilten Y foͤrmigen Gang zu betrachten, wie wir im Embryo, und in tiefern Thierklaſſen dann dieſe Form wirklich, naͤmlich als bloßen Eyergang (Oviductus), und zwar entweder einfach (wie bey den Voͤgeln), oder doppelt (wie bey den Amphibien und Fiſchen) antreffen. *) In dieſer Geſtalt erſcheint ein ſolcher Kanal vollkommen darmartig, muͤndet noch oft (wie bey den Amphibien und Voͤgeln) in den untern Theil des Darmkanals, erſcheint dadurch gleichſam als Anhang deſſel- ben und erinnert dadurch eines Theils an die Fortpflanzung der niedrigſten Thiergattungen, wo, wie bey vielen Pflanzen- *) S. mein Lehrbuch der Zootomie S. 611 u. f.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/41>, abgerufen am 28.04.2024.