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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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stellungen erfaßt; ja man muß jene Erregungen geradezu
die unbewußte Freude des Organismus selbst nennen, wie
man etwa metaphorisch von einer Pflanze sagt: sie grüne
und blühe freudig. -- Einer besondern Erwähnung verdient
übrigens noch jene beschleunigte Athembewegung, welche
der Freude ganz eigentlich charakteristisch ist -- das Lachen.
Das Lachen ist nichts anderes als ein beschleunigtes sto߬
weises Athmen und anerkannt ist es, daß es vom Gefühl
lebhafter Freude unzertrennlich sei, obwohl es immer merk¬
würdig bleibt, daß, je mehr die Freude geistiger Art ist, um
so mehr es geradezu Modificationen des wahren Athmens
zu sein aufhört, und um so mehr sich bloß auf eine in den
Gesichtszügen hervortretende Andeutung des Lachens
-- auf das Lächeln -- sich beschränkt, anzeigend, daß eine
gewisse Vergeistigung der Freude jener mehr palpabeln
Vorgänge nicht mehr bedürfe. Aus seiner Abspiegelung
im Unbewußten ergeben sich übrigens so manche heilende
Wirkungen dieses Gefühls, aber auch, unter Umständen,
bei plötzlichem Eintritt in schwachen kranken Organismen,
gefährliche Ueberreizungen und Ueberströmungen. -- Endlich
ist in Bezug auf den ganzen Menschen noch des Mitthei¬
lenden der Freude zu gedenken. Die Freude, das Lachen,
hat gleich der Trauer, etwas Ansteckendes, und daß die
Menschheit in sich wieder ein Ganzes, ein ideeller Orga¬
nismus ist, mag zwar auch sonst an vielem Großen und
Gemeinsamen erkannt werden, aber auch, bei dieser und
ähnlichen Mittheilungen, in dem ganz unwillkürlichen, man
darf sagen organischen Fortgehen und Uebertragen von
Erkenntnissen, Gefühlen und Willensregungen von Seele
zu Seele, beweiset sich jene Einheit auf das deutlichste.

Was die krankhaften Abschweifungen des Freudegefühls
betrifft, so erscheinen sie überall da wo es mit Heftigkeit
und dabei ideenlos heraustritt. In jedem Falle der Art
empfinden wir solche Aeußerungen unmittelbar als unschön,
und anstatt daß die reine unbewußte Freude des Kindes,

ſtellungen erfaßt; ja man muß jene Erregungen geradezu
die unbewußte Freude des Organismus ſelbſt nennen, wie
man etwa metaphoriſch von einer Pflanze ſagt: ſie grüne
und blühe freudig. — Einer beſondern Erwähnung verdient
übrigens noch jene beſchleunigte Athembewegung, welche
der Freude ganz eigentlich charakteriſtiſch iſt — das Lachen.
Das Lachen iſt nichts anderes als ein beſchleunigtes ſto߬
weiſes Athmen und anerkannt iſt es, daß es vom Gefühl
lebhafter Freude unzertrennlich ſei, obwohl es immer merk¬
würdig bleibt, daß, je mehr die Freude geiſtiger Art iſt, um
ſo mehr es geradezu Modificationen des wahren Athmens
zu ſein aufhört, und um ſo mehr ſich bloß auf eine in den
Geſichtszügen hervortretende Andeutung des Lachens
— auf das Lächeln — ſich beſchränkt, anzeigend, daß eine
gewiſſe Vergeiſtigung der Freude jener mehr palpabeln
Vorgänge nicht mehr bedürfe. Aus ſeiner Abſpiegelung
im Unbewußten ergeben ſich übrigens ſo manche heilende
Wirkungen dieſes Gefühls, aber auch, unter Umſtänden,
bei plötzlichem Eintritt in ſchwachen kranken Organismen,
gefährliche Ueberreizungen und Ueberſtrömungen. — Endlich
iſt in Bezug auf den ganzen Menſchen noch des Mitthei¬
lenden der Freude zu gedenken. Die Freude, das Lachen,
hat gleich der Trauer, etwas Anſteckendes, und daß die
Menſchheit in ſich wieder ein Ganzes, ein ideeller Orga¬
nismus iſt, mag zwar auch ſonſt an vielem Großen und
Gemeinſamen erkannt werden, aber auch, bei dieſer und
ähnlichen Mittheilungen, in dem ganz unwillkürlichen, man
darf ſagen organiſchen Fortgehen und Uebertragen von
Erkenntniſſen, Gefühlen und Willensregungen von Seele
zu Seele, beweiſet ſich jene Einheit auf das deutlichſte.

Was die krankhaften Abſchweifungen des Freudegefühls
betrifft, ſo erſcheinen ſie überall da wo es mit Heftigkeit
und dabei ideenlos heraustritt. In jedem Falle der Art
empfinden wir ſolche Aeußerungen unmittelbar als unſchön,
und anſtatt daß die reine unbewußte Freude des Kindes,

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[271/0287] ſtellungen erfaßt; ja man muß jene Erregungen geradezu die unbewußte Freude des Organismus ſelbſt nennen, wie man etwa metaphoriſch von einer Pflanze ſagt: ſie grüne und blühe freudig. — Einer beſondern Erwähnung verdient übrigens noch jene beſchleunigte Athembewegung, welche der Freude ganz eigentlich charakteriſtiſch iſt — das Lachen. Das Lachen iſt nichts anderes als ein beſchleunigtes ſto߬ weiſes Athmen und anerkannt iſt es, daß es vom Gefühl lebhafter Freude unzertrennlich ſei, obwohl es immer merk¬ würdig bleibt, daß, je mehr die Freude geiſtiger Art iſt, um ſo mehr es geradezu Modificationen des wahren Athmens zu ſein aufhört, und um ſo mehr ſich bloß auf eine in den Geſichtszügen hervortretende Andeutung des Lachens — auf das Lächeln — ſich beſchränkt, anzeigend, daß eine gewiſſe Vergeiſtigung der Freude jener mehr palpabeln Vorgänge nicht mehr bedürfe. Aus ſeiner Abſpiegelung im Unbewußten ergeben ſich übrigens ſo manche heilende Wirkungen dieſes Gefühls, aber auch, unter Umſtänden, bei plötzlichem Eintritt in ſchwachen kranken Organismen, gefährliche Ueberreizungen und Ueberſtrömungen. — Endlich iſt in Bezug auf den ganzen Menſchen noch des Mitthei¬ lenden der Freude zu gedenken. Die Freude, das Lachen, hat gleich der Trauer, etwas Anſteckendes, und daß die Menſchheit in ſich wieder ein Ganzes, ein ideeller Orga¬ nismus iſt, mag zwar auch ſonſt an vielem Großen und Gemeinſamen erkannt werden, aber auch, bei dieſer und ähnlichen Mittheilungen, in dem ganz unwillkürlichen, man darf ſagen organiſchen Fortgehen und Uebertragen von Erkenntniſſen, Gefühlen und Willensregungen von Seele zu Seele, beweiſet ſich jene Einheit auf das deutlichſte. Was die krankhaften Abſchweifungen des Freudegefühls betrifft, ſo erſcheinen ſie überall da wo es mit Heftigkeit und dabei ideenlos heraustritt. In jedem Falle der Art empfinden wir ſolche Aeußerungen unmittelbar als unſchön, und anſtatt daß die reine unbewußte Freude des Kindes,

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/287>, abgerufen am 29.04.2024.