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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Die Zoologie des Mittelalters.
erscheinen sämmtlich unter den arabischen latinisirten Namen, welche
Gerard von Cremona in seiner Uebersetzung des Canon eingeführt
hatte und hier schlich sich auch, wie erwähnt, der Autor Semerion ein.
Es ist auch die Trennung der Schlangen in drei Ordnungen die des
Avicenna; es liegt die Gefährlichkeit ihres Bisses zu Grunde. Umge-
kehrt fehlen aber auch einige, jedoch wenige Formen bei Albert, welche
Thomas angeführt hatte; so unter den Vögeln228) isopigis (seisopigis
der Kyraniden) und kiliodromos, unter den Seemonstren cervus ma-
rinus, falatha, ipotamus
und onos und unter den Fischen fundula
und uranoscopus. Besonders bei den Thiernamen wäre eine Kritik
des Textes (durch eine correcte Ausgabe des Thomas Cantipratensis)
sehr wünschenswerth. Die cefusa des Thomas erscheint bei Albert als
confusa, der Fisch kim (kym) als kyrii, pirander als pyradum und
viele andere dergleichen Verschiedenheiten, welche sich nur aus einer
Vergleichung der Handschriften erklären und beseitigen lassen.

Außer den in den letzten speciellen Büchern aufgezählten Thier-
formen lassen aber einzelne Notizen in dem allgemeinen Theile auf eine
Bekanntschaft Albert's mit noch anderen Abtheilungen des Thierreichs
schließen. So scheint er nach seiner Schilderung sicher größere Medu-
sen am Meeresstrande und vielleicht auch schwimmend gesehen zu ha-
ben229), deren Form er wenigstens zur Wiedererkennung ihrer allge-
meinen Gestalt beschreibt. Freilich fehlt hier jeder nähere Nachweis
über ihren Bau und ihre Verwandtschaft, wie er sich diese Verhältnisse
eben dachte. Ebenso lassen sich einige Angaben wohl auf Holothurien
deuten, indeß gleichfalls nur so weit, daß man wie bei den betreffenden
Angaben des Aristoteles nur sagen kann, er habe sie einmal gesehen.

Will man Albert den Großen nach alle dem Vorstehenden
als Zoolog gerecht beurtheilen, so ist es einmal nothwendig, in ihm

228) Statt des bei Thomas vorkommenden licaon (cervice jubatus est
et tot modis varius, ut nullum ei colorem deesse dicant)
hat Albert unter
lupus nur die Bemerkung: dicit quidam quod Aethiopia (Thomas: oriens)
lupos habet varios crine jubato.
229) a. a. O. p. 154 und 167. Er sagt p. 153: ego in mari causa expe-
rimenti navigans et exiens ad insulas et arenas manibus collegi decem vel
undecim genera (animalium marinorum sanguinem non habentium).

Die Zoologie des Mittelalters.
erſcheinen ſämmtlich unter den arabiſchen latiniſirten Namen, welche
Gerard von Cremona in ſeiner Ueberſetzung des Canon eingeführt
hatte und hier ſchlich ſich auch, wie erwähnt, der Autor Semerion ein.
Es iſt auch die Trennung der Schlangen in drei Ordnungen die des
Avicenna; es liegt die Gefährlichkeit ihres Biſſes zu Grunde. Umge-
kehrt fehlen aber auch einige, jedoch wenige Formen bei Albert, welche
Thomas angeführt hatte; ſo unter den Vögeln228) isopigis (seisopigis
der Kyraniden) und kiliodromos, unter den Seemonſtren cervus ma-
rinus, falatha, ipotamus
und onos und unter den Fiſchen fundula
und uranoscopus. Beſonders bei den Thiernamen wäre eine Kritik
des Textes (durch eine correcte Ausgabe des Thomas Cantipratenſis)
ſehr wünſchenswerth. Die cefusa des Thomas erſcheint bei Albert als
confusa, der Fiſch kim (kym) als kyrii, pirander als pyradum und
viele andere dergleichen Verſchiedenheiten, welche ſich nur aus einer
Vergleichung der Handſchriften erklären und beſeitigen laſſen.

Außer den in den letzten ſpeciellen Büchern aufgezählten Thier-
formen laſſen aber einzelne Notizen in dem allgemeinen Theile auf eine
Bekanntſchaft Albert's mit noch anderen Abtheilungen des Thierreichs
ſchließen. So ſcheint er nach ſeiner Schilderung ſicher größere Medu-
ſen am Meeresſtrande und vielleicht auch ſchwimmend geſehen zu ha-
ben229), deren Form er wenigſtens zur Wiedererkennung ihrer allge-
meinen Geſtalt beſchreibt. Freilich fehlt hier jeder nähere Nachweis
über ihren Bau und ihre Verwandtſchaft, wie er ſich dieſe Verhältniſſe
eben dachte. Ebenſo laſſen ſich einige Angaben wohl auf Holothurien
deuten, indeß gleichfalls nur ſo weit, daß man wie bei den betreffenden
Angaben des Ariſtoteles nur ſagen kann, er habe ſie einmal geſehen.

Will man Albert den Großen nach alle dem Vorſtehenden
als Zoolog gerecht beurtheilen, ſo iſt es einmal nothwendig, in ihm

228) Statt des bei Thomas vorkommenden licaon (cervice jubatus est
et tot modis varius, ut nullum ei colorem deesse dicant)
hat Albert unter
lupus nur die Bemerkung: dicit quidam quod Aethiopia (Thomas: oriens)
lupos habet varios crine jubato.
229) a. a. O. p. 154 und 167. Er ſagt p. 153: ego in mari causa expe-
rimenti navigans et exiens ad insulas et arenas manibus collegi decem vel
undecim genera (animalium marinorum sanguinem non habentium).
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[236/0247] Die Zoologie des Mittelalters. erſcheinen ſämmtlich unter den arabiſchen latiniſirten Namen, welche Gerard von Cremona in ſeiner Ueberſetzung des Canon eingeführt hatte und hier ſchlich ſich auch, wie erwähnt, der Autor Semerion ein. Es iſt auch die Trennung der Schlangen in drei Ordnungen die des Avicenna; es liegt die Gefährlichkeit ihres Biſſes zu Grunde. Umge- kehrt fehlen aber auch einige, jedoch wenige Formen bei Albert, welche Thomas angeführt hatte; ſo unter den Vögeln 228) isopigis (seisopigis der Kyraniden) und kiliodromos, unter den Seemonſtren cervus ma- rinus, falatha, ipotamus und onos und unter den Fiſchen fundula und uranoscopus. Beſonders bei den Thiernamen wäre eine Kritik des Textes (durch eine correcte Ausgabe des Thomas Cantipratenſis) ſehr wünſchenswerth. Die cefusa des Thomas erſcheint bei Albert als confusa, der Fiſch kim (kym) als kyrii, pirander als pyradum und viele andere dergleichen Verſchiedenheiten, welche ſich nur aus einer Vergleichung der Handſchriften erklären und beſeitigen laſſen. Außer den in den letzten ſpeciellen Büchern aufgezählten Thier- formen laſſen aber einzelne Notizen in dem allgemeinen Theile auf eine Bekanntſchaft Albert's mit noch anderen Abtheilungen des Thierreichs ſchließen. So ſcheint er nach ſeiner Schilderung ſicher größere Medu- ſen am Meeresſtrande und vielleicht auch ſchwimmend geſehen zu ha- ben 229), deren Form er wenigſtens zur Wiedererkennung ihrer allge- meinen Geſtalt beſchreibt. Freilich fehlt hier jeder nähere Nachweis über ihren Bau und ihre Verwandtſchaft, wie er ſich dieſe Verhältniſſe eben dachte. Ebenſo laſſen ſich einige Angaben wohl auf Holothurien deuten, indeß gleichfalls nur ſo weit, daß man wie bei den betreffenden Angaben des Ariſtoteles nur ſagen kann, er habe ſie einmal geſehen. Will man Albert den Großen nach alle dem Vorſtehenden als Zoolog gerecht beurtheilen, ſo iſt es einmal nothwendig, in ihm 228) Statt des bei Thomas vorkommenden licaon (cervice jubatus est et tot modis varius, ut nullum ei colorem deesse dicant) hat Albert unter lupus nur die Bemerkung: dicit quidam quod Aethiopia (Thomas: oriens) lupos habet varios crine jubato. 229) a. a. O. p. 154 und 167. Er ſagt p. 153: ego in mari causa expe- rimenti navigans et exiens ad insulas et arenas manibus collegi decem vel undecim genera (animalium marinorum sanguinem non habentium).

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/247>, abgerufen am 06.05.2024.