Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
mussten; denn indem die Hebräer sich den Hethitern physisch auf-
pfropften, wurde ihnen, den Hebräern, eine Kultur aufgepfropft, die
ihnen moralisch und intellektuell nicht angehörte, die nicht organisch aus
ihrer eigenen Not, aus der erfinderischen Fülle ihres eigenen Geistes
hervorgegangen war; es war Besitzergreifung im Gegensatz zu organischer
Angehörigkeit. Zwar erwarben sich die Hebräer einen wirklichen Be-
sitztitel an dieser Kultur, indem sie das Blut des schöpferischen Hethiter-
volkes in das ihre aufnahmen und Israeliten wurden; doch gerade
hierdurch war fortan Gegensatz und innerer Zwist gegeben: die zwei
Typen waren zu grundverschieden, um ganz ineinander aufgehen zu
können, was besonders deutlich in dem bald hervortretenden Gegen-
satz zwischen Juda und Israel sich kund that; im Norden nämlich
prädominierte der syrische Mensch und war die Vermischung eine viel
gründlichere und schnellere gewesen,1) im Süden dagegen wogen die
Amoriter vor und fand eine fast unaufhörliche Einsickerung echten
semitischen Blutes aus Arabien statt. Was hier zwischen Stamm und
Stamm sich ereignete, wiederholte sich innerhalb des engeren Ver-
bandes: so lange Jerusalem stand, sehen wir ununterbrochen die matt-
gläubigen weltsüchtigen Elemente ausscheiden, sie flüchten förmlich
aus der Heimat des strengen Gesetzes und des schmucklosen Lebens.
Dasselbe Phänomen währt heute noch, nur nicht so sichtbar. Ich
glaube nicht, dass es Künstelei ist, wenn wir hierin den dauernden
Einfluss, einerseits des Homo syriacus, anderseits des Homo arabicus
erblicken.

Andere Betrachtungen dieser Art über die Beiträge der ver-
schiedenen Typen zu der Bildung dieser besonderen Menschenrasse
überlasse ich dem Leser und wende mich gleich dem wichtigsten
Punkt zu -- dem Einfluss des semitischen Geistes auf die
Religion.
Offenbar ist das die Kernfrage, um die Entstehung des
Judentums und dessen Charakter zu verstehen; und während die
besondere Befähigung für Geschäfte vielleicht eher ein hethitisches als
ein semitisches Erbstück ist, dürfte in religiöser Hinsicht das semitische
Element stark vorwiegen.2) Ich behandle diesen Gegenstand lieber

1) Die Hethiter waren im Norden zahlreicher, die Amoriter im Süden (siehe
Sayce: Hittites, p. 13 und 17).
2) Einen Beweis bezüglich des Geschäftlichen liefern uns die Armenier, in
deren Adern das "alarodische" d. h. syrische Blut in bedeutend stärkerem Prozent-
satz fliesst(etwa 80% nach |einer brieflichen Mitteilung des Herrn Professor Hueppe),
sonst aber nur indoeuropäisches, phrygisches, nicht semitisches, und die -- ausser

Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
mussten; denn indem die Hebräer sich den Hethitern physisch auf-
pfropften, wurde ihnen, den Hebräern, eine Kultur aufgepfropft, die
ihnen moralisch und intellektuell nicht angehörte, die nicht organisch aus
ihrer eigenen Not, aus der erfinderischen Fülle ihres eigenen Geistes
hervorgegangen war; es war Besitzergreifung im Gegensatz zu organischer
Angehörigkeit. Zwar erwarben sich die Hebräer einen wirklichen Be-
sitztitel an dieser Kultur, indem sie das Blut des schöpferischen Hethiter-
volkes in das ihre aufnahmen und Israeliten wurden; doch gerade
hierdurch war fortan Gegensatz und innerer Zwist gegeben: die zwei
Typen waren zu grundverschieden, um ganz ineinander aufgehen zu
können, was besonders deutlich in dem bald hervortretenden Gegen-
satz zwischen Juda und Israel sich kund that; im Norden nämlich
prädominierte der syrische Mensch und war die Vermischung eine viel
gründlichere und schnellere gewesen,1) im Süden dagegen wogen die
Amoriter vor und fand eine fast unaufhörliche Einsickerung echten
semitischen Blutes aus Arabien statt. Was hier zwischen Stamm und
Stamm sich ereignete, wiederholte sich innerhalb des engeren Ver-
bandes: so lange Jerusalem stand, sehen wir ununterbrochen die matt-
gläubigen weltsüchtigen Elemente ausscheiden, sie flüchten förmlich
aus der Heimat des strengen Gesetzes und des schmucklosen Lebens.
Dasselbe Phänomen währt heute noch, nur nicht so sichtbar. Ich
glaube nicht, dass es Künstelei ist, wenn wir hierin den dauernden
Einfluss, einerseits des Homo syriacus, anderseits des Homo arabicus
erblicken.

Andere Betrachtungen dieser Art über die Beiträge der ver-
schiedenen Typen zu der Bildung dieser besonderen Menschenrasse
überlasse ich dem Leser und wende mich gleich dem wichtigsten
Punkt zu — dem Einfluss des semitischen Geistes auf die
Religion.
Offenbar ist das die Kernfrage, um die Entstehung des
Judentums und dessen Charakter zu verstehen; und während die
besondere Befähigung für Geschäfte vielleicht eher ein hethitisches als
ein semitisches Erbstück ist, dürfte in religiöser Hinsicht das semitische
Element stark vorwiegen.2) Ich behandle diesen Gegenstand lieber

1) Die Hethiter waren im Norden zahlreicher, die Amoriter im Süden (siehe
Sayce: Hittites, p. 13 und 17).
2) Einen Beweis bezüglich des Geschäftlichen liefern uns die Armenier, in
deren Adern das »alarodische« d. h. syrische Blut in bedeutend stärkerem Prozent-
satz fliesst(etwa 80% nach |einer brieflichen Mitteilung des Herrn Professor Hueppe),
sonst aber nur indoeuropäisches, phrygisches, nicht semitisches, und die — ausser
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0412" n="389"/><fw place="top" type="header">Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.</fw><lb/>
mussten; denn indem die Hebräer sich den Hethitern physisch auf-<lb/>
pfropften, wurde ihnen, den Hebräern, eine Kultur aufgepfropft, die<lb/>
ihnen moralisch und intellektuell nicht angehörte, die nicht organisch aus<lb/>
ihrer eigenen Not, aus der erfinderischen Fülle ihres eigenen Geistes<lb/>
hervorgegangen war; es war Besitzergreifung im Gegensatz zu organischer<lb/>
Angehörigkeit. Zwar erwarben sich die Hebräer einen wirklichen Be-<lb/>
sitztitel an dieser Kultur, indem sie das Blut des schöpferischen Hethiter-<lb/>
volkes in das ihre aufnahmen und Israeliten wurden; doch gerade<lb/>
hierdurch war fortan Gegensatz und innerer Zwist gegeben: die zwei<lb/>
Typen waren zu grundverschieden, um ganz ineinander aufgehen zu<lb/>
können, was besonders deutlich in dem bald hervortretenden Gegen-<lb/>
satz zwischen Juda und Israel sich kund that; im Norden nämlich<lb/>
prädominierte der syrische Mensch und war die Vermischung eine viel<lb/>
gründlichere und schnellere gewesen,<note place="foot" n="1)">Die Hethiter waren im Norden zahlreicher, die Amoriter im Süden (siehe<lb/>
Sayce: <hi rendition="#i">Hittites,</hi> p. 13 und 17).</note> im Süden dagegen wogen die<lb/>
Amoriter vor und fand eine fast unaufhörliche Einsickerung echten<lb/>
semitischen Blutes aus Arabien statt. Was hier zwischen Stamm und<lb/>
Stamm sich ereignete, wiederholte sich innerhalb des engeren Ver-<lb/>
bandes: so lange Jerusalem stand, sehen wir ununterbrochen die matt-<lb/>
gläubigen weltsüchtigen Elemente ausscheiden, sie flüchten förmlich<lb/>
aus der Heimat des strengen Gesetzes und des schmucklosen Lebens.<lb/>
Dasselbe Phänomen währt heute noch, nur nicht so sichtbar. Ich<lb/>
glaube nicht, dass es Künstelei ist, wenn wir hierin den dauernden<lb/>
Einfluss, einerseits des <hi rendition="#i">Homo syriacus,</hi> anderseits des <hi rendition="#i">Homo arabicus</hi><lb/>
erblicken.</p><lb/>
            <p>Andere Betrachtungen dieser Art über die Beiträge der ver-<lb/>
schiedenen Typen zu der Bildung dieser besonderen Menschenrasse<lb/>
überlasse ich dem Leser und wende mich gleich dem wichtigsten<lb/>
Punkt zu &#x2014; dem <hi rendition="#g">Einfluss des semitischen Geistes auf die<lb/>
Religion.</hi> Offenbar ist das die Kernfrage, um die Entstehung des<lb/>
Judentums und dessen Charakter zu verstehen; und während die<lb/>
besondere Befähigung für Geschäfte vielleicht eher ein hethitisches als<lb/>
ein semitisches Erbstück ist, dürfte in religiöser Hinsicht das semitische<lb/>
Element stark vorwiegen.<note xml:id="seg2pn_31_1" next="#seg2pn_31_2" place="foot" n="2)">Einen Beweis bezüglich des Geschäftlichen liefern uns die Armenier, in<lb/>
deren Adern das »alarodische« d. h. syrische Blut in bedeutend stärkerem Prozent-<lb/>
satz fliesst(etwa 80% nach |einer brieflichen Mitteilung des Herrn Professor Hueppe),<lb/>
sonst aber nur indoeuropäisches, phrygisches, nicht semitisches, und die &#x2014; ausser</note> Ich behandle diesen Gegenstand lieber<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[389/0412] Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte. mussten; denn indem die Hebräer sich den Hethitern physisch auf- pfropften, wurde ihnen, den Hebräern, eine Kultur aufgepfropft, die ihnen moralisch und intellektuell nicht angehörte, die nicht organisch aus ihrer eigenen Not, aus der erfinderischen Fülle ihres eigenen Geistes hervorgegangen war; es war Besitzergreifung im Gegensatz zu organischer Angehörigkeit. Zwar erwarben sich die Hebräer einen wirklichen Be- sitztitel an dieser Kultur, indem sie das Blut des schöpferischen Hethiter- volkes in das ihre aufnahmen und Israeliten wurden; doch gerade hierdurch war fortan Gegensatz und innerer Zwist gegeben: die zwei Typen waren zu grundverschieden, um ganz ineinander aufgehen zu können, was besonders deutlich in dem bald hervortretenden Gegen- satz zwischen Juda und Israel sich kund that; im Norden nämlich prädominierte der syrische Mensch und war die Vermischung eine viel gründlichere und schnellere gewesen, 1) im Süden dagegen wogen die Amoriter vor und fand eine fast unaufhörliche Einsickerung echten semitischen Blutes aus Arabien statt. Was hier zwischen Stamm und Stamm sich ereignete, wiederholte sich innerhalb des engeren Ver- bandes: so lange Jerusalem stand, sehen wir ununterbrochen die matt- gläubigen weltsüchtigen Elemente ausscheiden, sie flüchten förmlich aus der Heimat des strengen Gesetzes und des schmucklosen Lebens. Dasselbe Phänomen währt heute noch, nur nicht so sichtbar. Ich glaube nicht, dass es Künstelei ist, wenn wir hierin den dauernden Einfluss, einerseits des Homo syriacus, anderseits des Homo arabicus erblicken. Andere Betrachtungen dieser Art über die Beiträge der ver- schiedenen Typen zu der Bildung dieser besonderen Menschenrasse überlasse ich dem Leser und wende mich gleich dem wichtigsten Punkt zu — dem Einfluss des semitischen Geistes auf die Religion. Offenbar ist das die Kernfrage, um die Entstehung des Judentums und dessen Charakter zu verstehen; und während die besondere Befähigung für Geschäfte vielleicht eher ein hethitisches als ein semitisches Erbstück ist, dürfte in religiöser Hinsicht das semitische Element stark vorwiegen. 2) Ich behandle diesen Gegenstand lieber 1) Die Hethiter waren im Norden zahlreicher, die Amoriter im Süden (siehe Sayce: Hittites, p. 13 und 17). 2) Einen Beweis bezüglich des Geschäftlichen liefern uns die Armenier, in deren Adern das »alarodische« d. h. syrische Blut in bedeutend stärkerem Prozent- satz fliesst(etwa 80% nach |einer brieflichen Mitteilung des Herrn Professor Hueppe), sonst aber nur indoeuropäisches, phrygisches, nicht semitisches, und die — ausser

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/412
Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/412>, abgerufen am 27.04.2024.