Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

durchzugehen versucht?" Ich hatte dagegen nichts
zu erwiedern; er fuhr fort: "Schon recht, mein
Herr, schon recht! Sie können mich nicht leiden;
auch das begreife ich wohl, und verarge es Ihnen
weiter nicht. Wir müssen scheiden, das ist klar,
und auch Sie fangen an, mir sehr langweilig
vorzukommen. Um sich also meiner ferneren be¬
schämenden Gegenwart völlig zu entziehen, rathe
ich es Ihnen noch einmal: Kaufen Sie mir das
Ding ab." -- Ich hielt ihm den Säckel hin.
"Um den Preis?" -- "Nein!" -- Ich seufzte
schwer auf und nahm wieder das Wort: "Auch
also. Ich dringe darauf, mein Herr, laßt uns
scheiden, vertreten Sie mir länger nicht den Weg
auf einer Welt, die hoffentlich geräumig genug ist
für uns beide." Er lächelte und erwiederte: "Ich
gehe, mein Herr, zuvor aber will ich Sie unter¬
richten, wie Sie mir klingeln können, wenn Sie
je Verlangen nach Ihrem unterthänigsten Knecht
tragen sollten: Sie brauchen nur Ihren Säckel
zu schütteln, daß die ewigen Goldstücke darinnen
rasseln, der Ton zieht mich augenblicklich an. Ein
Jeder denkt auf seinen Vortheil in dieser Welt;
Sie sehen, daß ich auf Ihren zugleich bedacht

durchzugehen verſucht?„ Ich hatte dagegen nichts
zu erwiedern; er fuhr fort: “Schon recht, mein
Herr, ſchon recht! Sie koͤnnen mich nicht leiden;
auch das begreife ich wohl, und verarge es Ihnen
weiter nicht. Wir muͤſſen ſcheiden, das iſt klar,
und auch Sie fangen an, mir ſehr langweilig
vorzukommen. Um ſich alſo meiner ferneren be¬
ſchaͤmenden Gegenwart voͤllig zu entziehen, rathe
ich es Ihnen noch einmal: Kaufen Sie mir das
Ding ab.„ — Ich hielt ihm den Saͤckel hin.
“Um den Preis?„ — “Nein!„ — Ich ſeufzte
ſchwer auf und nahm wieder das Wort: “Auch
alſo. Ich dringe darauf, mein Herr, laßt uns
ſcheiden, vertreten Sie mir laͤnger nicht den Weg
auf einer Welt, die hoffentlich geraͤumig genug iſt
fuͤr uns beide.„ Er laͤchelte und erwiederte: “Ich
gehe, mein Herr, zuvor aber will ich Sie unter¬
richten, wie Sie mir klingeln koͤnnen, wenn Sie
je Verlangen nach Ihrem unterthaͤnigſten Knecht
tragen ſollten: Sie brauchen nur Ihren Saͤckel
zu ſchuͤtteln, daß die ewigen Goldſtuͤcke darinnen
raſſeln, der Ton zieht mich augenblicklich an. Ein
Jeder denkt auf ſeinen Vortheil in dieſer Welt;
Sie ſehen, daß ich auf Ihren zugleich bedacht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0120" n="100"/>
durchzugehen ver&#x017F;ucht?&#x201E; Ich hatte dagegen nichts<lb/>
zu erwiedern; er fuhr fort: &#x201C;Schon recht, mein<lb/>
Herr, &#x017F;chon recht! Sie ko&#x0364;nnen mich nicht leiden;<lb/>
auch das begreife ich wohl, und verarge es Ihnen<lb/>
weiter nicht. Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;cheiden, das i&#x017F;t klar,<lb/>
und auch Sie fangen an, mir &#x017F;ehr langweilig<lb/>
vorzukommen. Um &#x017F;ich al&#x017F;o meiner ferneren be¬<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;menden Gegenwart vo&#x0364;llig zu entziehen, rathe<lb/>
ich es Ihnen noch einmal: Kaufen Sie mir das<lb/>
Ding ab.&#x201E; &#x2014; Ich hielt ihm den Sa&#x0364;ckel hin.<lb/>
&#x201C;Um den Preis?&#x201E; &#x2014; &#x201C;Nein!&#x201E; &#x2014; Ich &#x017F;eufzte<lb/>
&#x017F;chwer auf und nahm wieder das Wort: &#x201C;Auch<lb/>
al&#x017F;o. Ich dringe darauf, mein Herr, laßt uns<lb/>
&#x017F;cheiden, vertreten Sie mir la&#x0364;nger nicht den Weg<lb/>
auf einer Welt, die hoffentlich gera&#x0364;umig genug i&#x017F;t<lb/>
fu&#x0364;r uns beide.&#x201E; Er la&#x0364;chelte und erwiederte: &#x201C;Ich<lb/>
gehe, mein Herr, zuvor aber will ich Sie unter¬<lb/>
richten, wie Sie mir klingeln ko&#x0364;nnen, wenn Sie<lb/>
je Verlangen nach Ihrem untertha&#x0364;nig&#x017F;ten Knecht<lb/>
tragen &#x017F;ollten: Sie brauchen nur Ihren Sa&#x0364;ckel<lb/>
zu &#x017F;chu&#x0364;tteln, daß die ewigen Gold&#x017F;tu&#x0364;cke darinnen<lb/>
ra&#x017F;&#x017F;eln, der Ton zieht mich augenblicklich an. Ein<lb/>
Jeder denkt auf &#x017F;einen Vortheil in die&#x017F;er Welt;<lb/>
Sie &#x017F;ehen, daß ich auf Ihren zugleich bedacht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0120] durchzugehen verſucht?„ Ich hatte dagegen nichts zu erwiedern; er fuhr fort: “Schon recht, mein Herr, ſchon recht! Sie koͤnnen mich nicht leiden; auch das begreife ich wohl, und verarge es Ihnen weiter nicht. Wir muͤſſen ſcheiden, das iſt klar, und auch Sie fangen an, mir ſehr langweilig vorzukommen. Um ſich alſo meiner ferneren be¬ ſchaͤmenden Gegenwart voͤllig zu entziehen, rathe ich es Ihnen noch einmal: Kaufen Sie mir das Ding ab.„ — Ich hielt ihm den Saͤckel hin. “Um den Preis?„ — “Nein!„ — Ich ſeufzte ſchwer auf und nahm wieder das Wort: “Auch alſo. Ich dringe darauf, mein Herr, laßt uns ſcheiden, vertreten Sie mir laͤnger nicht den Weg auf einer Welt, die hoffentlich geraͤumig genug iſt fuͤr uns beide.„ Er laͤchelte und erwiederte: “Ich gehe, mein Herr, zuvor aber will ich Sie unter¬ richten, wie Sie mir klingeln koͤnnen, wenn Sie je Verlangen nach Ihrem unterthaͤnigſten Knecht tragen ſollten: Sie brauchen nur Ihren Saͤckel zu ſchuͤtteln, daß die ewigen Goldſtuͤcke darinnen raſſeln, der Ton zieht mich augenblicklich an. Ein Jeder denkt auf ſeinen Vortheil in dieſer Welt; Sie ſehen, daß ich auf Ihren zugleich bedacht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/120
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/120>, abgerufen am 07.05.2024.