Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich setzte traurigen Herzens meinen Weg fort,
und suchte ferner keines Menschen Gesellschaft.
Ich hielt mich im dunkelsten Wald, und mußte
manchmal, um über einen Strich, wo die Sonne
schien, zu kommen, Stundenlang darauf warten,
daß mir keines Menschen Aug' den Durchgang ver¬
bot. Am Abende suchte ich Herberge in den Dör¬
fern zu nehmen. Ich ging eigentlich nach einem
Bergwerk im Gebirg, wo ich Arbeit unter der
Erde zu finden gedachte; denn, davon abgesehen,
daß meine jetzige Lage mir gebot, für meinen Le¬
bensunterhalt selbst zu sorgen, hatte ich dieses wohl
erkannt, daß mich allein angestrengte Arbeit gegen
meine zerstörenden Gedanken schützen könnte.

Ein Paar regnichte Tage förderten mich leicht
auf den Weg, aber auf Kosten meiner Stiefeln,
deren Solen für den Grafen Peter und nicht
für den Fußknecht berechnet worden. Ich trat
schon auf den bloßen Füßen. Ich mußte ein Paar
neue Stiefeln anschaffen. Am nächsten Morgen
besorgte ich dieses Geschäft mit vielem Ernst in
einem Flecken, wo Kirmes war, und wo in einer
Bude alte und neue Stiefeln zu Kauf standen.

Ich ſetzte traurigen Herzens meinen Weg fort,
und ſuchte ferner keines Menſchen Geſellſchaft.
Ich hielt mich im dunkelſten Wald, und mußte
manchmal, um uͤber einen Strich, wo die Sonne
ſchien, zu kommen, Stundenlang darauf warten,
daß mir keines Menſchen Aug' den Durchgang ver¬
bot. Am Abende ſuchte ich Herberge in den Doͤr¬
fern zu nehmen. Ich ging eigentlich nach einem
Bergwerk im Gebirg, wo ich Arbeit unter der
Erde zu finden gedachte; denn, davon abgeſehen,
daß meine jetzige Lage mir gebot, fuͤr meinen Le¬
bensunterhalt ſelbſt zu ſorgen, hatte ich dieſes wohl
erkannt, daß mich allein angeſtrengte Arbeit gegen
meine zerſtoͤrenden Gedanken ſchuͤtzen koͤnnte.

Ein Paar regnichte Tage foͤrderten mich leicht
auf den Weg, aber auf Koſten meiner Stiefeln,
deren Solen fuͤr den Grafen Peter und nicht
fuͤr den Fußknecht berechnet worden. Ich trat
ſchon auf den bloßen Fuͤßen. Ich mußte ein Paar
neue Stiefeln anſchaffen. Am naͤchſten Morgen
beſorgte ich dieſes Geſchaͤft mit vielem Ernſt in
einem Flecken, wo Kirmes war, und wo in einer
Bude alte und neue Stiefeln zu Kauf ſtanden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0127" n="107"/>
        <p>Ich &#x017F;etzte traurigen Herzens meinen Weg fort,<lb/>
und &#x017F;uchte ferner keines Men&#x017F;chen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft.<lb/>
Ich hielt mich im dunkel&#x017F;ten Wald, und mußte<lb/>
manchmal, um u&#x0364;ber einen Strich, wo die Sonne<lb/>
&#x017F;chien, zu kommen, Stundenlang darauf warten,<lb/>
daß mir keines Men&#x017F;chen Aug' den Durchgang ver¬<lb/>
bot. Am Abende &#x017F;uchte ich Herberge in den Do&#x0364;<lb/>
fern zu nehmen. Ich ging eigentlich nach einem<lb/>
Bergwerk im Gebirg, wo ich Arbeit unter der<lb/>
Erde zu finden gedachte; denn, davon abge&#x017F;ehen,<lb/>
daß meine jetzige Lage mir gebot, fu&#x0364;r meinen Le¬<lb/>
bensunterhalt &#x017F;elb&#x017F;t zu &#x017F;orgen, hatte ich die&#x017F;es wohl<lb/>
erkannt, daß mich allein ange&#x017F;trengte Arbeit gegen<lb/>
meine zer&#x017F;to&#x0364;renden Gedanken &#x017F;chu&#x0364;tzen ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
        <p>Ein Paar regnichte Tage fo&#x0364;rderten mich leicht<lb/>
auf den Weg, aber auf Ko&#x017F;ten meiner Stiefeln,<lb/>
deren Solen fu&#x0364;r den <hi rendition="#g">Grafen Peter</hi> und nicht<lb/>
fu&#x0364;r den Fußknecht berechnet worden. Ich trat<lb/>
&#x017F;chon auf den bloßen Fu&#x0364;ßen. Ich mußte ein Paar<lb/>
neue Stiefeln an&#x017F;chaffen. Am na&#x0364;ch&#x017F;ten Morgen<lb/>
be&#x017F;orgte ich die&#x017F;es Ge&#x017F;cha&#x0364;ft mit vielem Ern&#x017F;t in<lb/>
einem Flecken, wo Kirmes war, und wo in einer<lb/>
Bude alte und neue Stiefeln zu Kauf &#x017F;tanden.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0127] Ich ſetzte traurigen Herzens meinen Weg fort, und ſuchte ferner keines Menſchen Geſellſchaft. Ich hielt mich im dunkelſten Wald, und mußte manchmal, um uͤber einen Strich, wo die Sonne ſchien, zu kommen, Stundenlang darauf warten, daß mir keines Menſchen Aug' den Durchgang ver¬ bot. Am Abende ſuchte ich Herberge in den Doͤr¬ fern zu nehmen. Ich ging eigentlich nach einem Bergwerk im Gebirg, wo ich Arbeit unter der Erde zu finden gedachte; denn, davon abgeſehen, daß meine jetzige Lage mir gebot, fuͤr meinen Le¬ bensunterhalt ſelbſt zu ſorgen, hatte ich dieſes wohl erkannt, daß mich allein angeſtrengte Arbeit gegen meine zerſtoͤrenden Gedanken ſchuͤtzen koͤnnte. Ein Paar regnichte Tage foͤrderten mich leicht auf den Weg, aber auf Koſten meiner Stiefeln, deren Solen fuͤr den Grafen Peter und nicht fuͤr den Fußknecht berechnet worden. Ich trat ſchon auf den bloßen Fuͤßen. Ich mußte ein Paar neue Stiefeln anſchaffen. Am naͤchſten Morgen beſorgte ich dieſes Geſchaͤft mit vielem Ernſt in einem Flecken, wo Kirmes war, und wo in einer Bude alte und neue Stiefeln zu Kauf ſtanden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/127
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/127>, abgerufen am 07.05.2024.