Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie, heute führ' ich wieder ihrer zwei. --" Er
lachte wieder. "Merken Sie Sich's, Schle¬
mihl, was man Anfangs mit Gutem nicht will,
das muß man am Ende doch gezwungen. Ich
dächte noch, Sie kauften mir das Ding ab, neh¬
men die Braut zurück, (denn noch ist es Zeit)
und wir ließen den Rascal am Galgen bau¬
meln, das wird uns ein Leichtes, so lange es am
Stricke nicht fehlt -- Hören Sie, ich gebe Ih¬
nen noch meine Mütze in den Kauf."

Die Mutter trat heraus und das Gespräch
begann. -- "Was macht Mina? --" "Sie
weint." -- "Einfältiges Kind! es ist doch nicht
zu ändern!" -- "Freilich nicht; aber sie so früh
einem Andern zu geben - - - O Mann, Du
bist grausam gegen Dein eigenes Kind." -- "Nein,
Mutter, das siehst Du sehr falsch. Wenn sie,
noch bevor sie ihre doch kindischen Thränen ausge¬
weint hat, sich als die Frau eines sehr reichen
und geehrten Mannes findet, wird sie getröstet
aus ihrem Schmerze wie aus einem Traum er¬
wachen, und Gott und uns danken, das wirst
Du sehen!" -- "Gott gebe es!" -- "Sie

Sie, heute fuͤhr' ich wieder ihrer zwei. —„ Er
lachte wieder. “Merken Sie Sich's, Schle¬
mihl, was man Anfangs mit Gutem nicht will,
das muß man am Ende doch gezwungen. Ich
daͤchte noch, Sie kauften mir das Ding ab, neh¬
men die Braut zuruͤck, (denn noch iſt es Zeit)
und wir ließen den Rascal am Galgen bau¬
meln, das wird uns ein Leichtes, ſo lange es am
Stricke nicht fehlt — Hoͤren Sie, ich gebe Ih¬
nen noch meine Muͤtze in den Kauf.„

Die Mutter trat heraus und das Geſpraͤch
begann. — “Was macht Mina? —„ “Sie
weint.„ — “Einfaͤltiges Kind! es iſt doch nicht
zu aͤndern!„ — “Freilich nicht; aber ſie ſo fruͤh
einem Andern zu geben – – – O Mann, Du
biſt grauſam gegen Dein eigenes Kind.„ — “Nein,
Mutter, das ſiehſt Du ſehr falſch. Wenn ſie,
noch bevor ſie ihre doch kindiſchen Thraͤnen ausge¬
weint hat, ſich als die Frau eines ſehr reichen
und geehrten Mannes findet, wird ſie getroͤſtet
aus ihrem Schmerze wie aus einem Traum er¬
wachen, und Gott und uns danken, das wirſt
Du ſehen!„ — “Gott gebe es!„ — “Sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0098" n="78"/>
Sie, heute fu&#x0364;hr' ich wieder ihrer zwei. &#x2014;&#x201E; Er<lb/>
lachte wieder. &#x201C;Merken Sie Sich's, <hi rendition="#g">Schle</hi>¬<lb/><hi rendition="#g">mihl</hi>, was man Anfangs mit Gutem nicht will,<lb/>
das muß man am Ende doch gezwungen. Ich<lb/>
da&#x0364;chte noch, Sie kauften mir das Ding ab, neh¬<lb/>
men die Braut zuru&#x0364;ck, (denn noch i&#x017F;t es Zeit)<lb/>
und wir ließen den <hi rendition="#g">Rascal</hi> am Galgen bau¬<lb/>
meln, das wird uns ein Leichtes, &#x017F;o lange es am<lb/>
Stricke nicht fehlt &#x2014; Ho&#x0364;ren Sie, ich gebe Ih¬<lb/>
nen noch meine Mu&#x0364;tze in den Kauf.&#x201E;</p><lb/>
        <p>Die Mutter trat heraus und das Ge&#x017F;pra&#x0364;ch<lb/>
begann. &#x2014; &#x201C;Was macht <hi rendition="#g">Mina</hi>? &#x2014;&#x201E; &#x201C;Sie<lb/>
weint.&#x201E; &#x2014; &#x201C;Einfa&#x0364;ltiges Kind! es i&#x017F;t doch nicht<lb/>
zu a&#x0364;ndern!&#x201E; &#x2014; &#x201C;Freilich nicht; aber &#x017F;ie &#x017F;o fru&#x0364;h<lb/>
einem Andern zu geben &#x2013; &#x2013; &#x2013; O Mann, Du<lb/>
bi&#x017F;t grau&#x017F;am gegen Dein eigenes Kind.&#x201E; &#x2014; &#x201C;Nein,<lb/>
Mutter, das &#x017F;ieh&#x017F;t Du &#x017F;ehr fal&#x017F;ch. Wenn &#x017F;ie,<lb/>
noch bevor &#x017F;ie ihre doch kindi&#x017F;chen Thra&#x0364;nen ausge¬<lb/>
weint hat, &#x017F;ich als die Frau eines &#x017F;ehr reichen<lb/>
und geehrten Mannes findet, wird &#x017F;ie getro&#x0364;&#x017F;tet<lb/>
aus ihrem Schmerze wie aus einem Traum er¬<lb/>
wachen, und Gott und uns danken, das wir&#x017F;t<lb/>
Du &#x017F;ehen!&#x201E; &#x2014; &#x201C;Gott gebe es!&#x201E; &#x2014; &#x201C;Sie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0098] Sie, heute fuͤhr' ich wieder ihrer zwei. —„ Er lachte wieder. “Merken Sie Sich's, Schle¬ mihl, was man Anfangs mit Gutem nicht will, das muß man am Ende doch gezwungen. Ich daͤchte noch, Sie kauften mir das Ding ab, neh¬ men die Braut zuruͤck, (denn noch iſt es Zeit) und wir ließen den Rascal am Galgen bau¬ meln, das wird uns ein Leichtes, ſo lange es am Stricke nicht fehlt — Hoͤren Sie, ich gebe Ih¬ nen noch meine Muͤtze in den Kauf.„ Die Mutter trat heraus und das Geſpraͤch begann. — “Was macht Mina? —„ “Sie weint.„ — “Einfaͤltiges Kind! es iſt doch nicht zu aͤndern!„ — “Freilich nicht; aber ſie ſo fruͤh einem Andern zu geben – – – O Mann, Du biſt grauſam gegen Dein eigenes Kind.„ — “Nein, Mutter, das ſiehſt Du ſehr falſch. Wenn ſie, noch bevor ſie ihre doch kindiſchen Thraͤnen ausge¬ weint hat, ſich als die Frau eines ſehr reichen und geehrten Mannes findet, wird ſie getroͤſtet aus ihrem Schmerze wie aus einem Traum er¬ wachen, und Gott und uns danken, das wirſt Du ſehen!„ — “Gott gebe es!„ — “Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/98
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/98>, abgerufen am 19.05.2024.