Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

meine Ahnung! rief Mina aus, ja, ich weiß es längst, er hat keinen Schatten! und sie warf sich in die Arme der Mutter, welche erschreckt, sie krampfhaft an sich schließend, ihr Vorwürfe machte, daß sie zum Unheil solch ein Geheimniß in sich verschlossen. Sie aber war, wie Arethusa, in einen Thränenquell gewandelt, der beim Klang meiner Stimme häufiger floß und bei meinem Nahen stürmisch ausbraus'te.

Und Sie haben, hub der Forstmeister grimmig wieder an, und Sie haben mit unerhörter Frechheit diese und mich zu betrügen keinen Anstand genommen; und Sie geben vor, sie zu lieben, die Sie so weit heruntergebracht haben? Sehen Sie, wie sie da weint und ringt. O schrecklich! schrecklich! --

Ich hatte dergestalt alle Besinnung verloren, daß ich, wie irre redend, anfing: Es wäre doch am Ende ein Schatten nichts als ein Schatten, man könne auch ohne das fertig werden, und es wäre nicht der Mühe werth, solchen Lärm davon zu erheben. Aber ich fühlte so sehr den Ungrund von dem, was ich sprach, daß ich von selbst aufhörte, ohne daß er mich einer Antwort gewürdigt. Ich fügte noch hinzu: was man einmal verloren, könne man ein andermal wiederfinden.

Er fuhr mich zornig an. - Gestehen Sie, mir's, mein Herr, gestehen Sie mir's, wie sind Sie um Ihren Schatten gekommen? -- Ich mußte wieder lügen: Es trat mir dereinst ein ungeschlachter Mann so flämisch in meinen Schatten, daß er ein großes Loch darein

meine Ahnung! rief Mina aus, ja, ich weiß es längst, er hat keinen Schatten! und sie warf sich in die Arme der Mutter, welche erschreckt, sie krampfhaft an sich schließend, ihr Vorwürfe machte, daß sie zum Unheil solch ein Geheimniß in sich verschlossen. Sie aber war, wie Arethusa, in einen Thränenquell gewandelt, der beim Klang meiner Stimme häufiger floß und bei meinem Nahen stürmisch ausbraus'te.

Und Sie haben, hub der Forstmeister grimmig wieder an, und Sie haben mit unerhörter Frechheit diese und mich zu betrügen keinen Anstand genommen; und Sie geben vor, sie zu lieben, die Sie so weit heruntergebracht haben? Sehen Sie, wie sie da weint und ringt. O schrecklich! schrecklich! —

Ich hatte dergestalt alle Besinnung verloren, daß ich, wie irre redend, anfing: Es wäre doch am Ende ein Schatten nichts als ein Schatten, man könne auch ohne das fertig werden, und es wäre nicht der Mühe werth, solchen Lärm davon zu erheben. Aber ich fühlte so sehr den Ungrund von dem, was ich sprach, daß ich von selbst aufhörte, ohne daß er mich einer Antwort gewürdigt. Ich fügte noch hinzu: was man einmal verloren, könne man ein andermal wiederfinden.

Er fuhr mich zornig an. – Gestehen Sie, mir's, mein Herr, gestehen Sie mir's, wie sind Sie um Ihren Schatten gekommen? — Ich mußte wieder lügen: Es trat mir dereinst ein ungeschlachter Mann so flämisch in meinen Schatten, daß er ein großes Loch darein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="5">
        <p><pb facs="#f0053"/>
meine Ahnung! rief Mina aus, ja, ich weiß es längst, er hat keinen Schatten! und sie                warf sich in die Arme der Mutter, welche erschreckt, sie krampfhaft an sich                schließend, ihr Vorwürfe machte, daß sie zum Unheil solch ein Geheimniß in sich                verschlossen. Sie aber war, wie Arethusa, in einen Thränenquell gewandelt, der beim                Klang meiner Stimme häufiger floß und bei meinem Nahen stürmisch ausbraus'te.</p><lb/>
        <p>Und Sie haben, hub der Forstmeister grimmig wieder an, und Sie haben mit unerhörter                Frechheit diese und mich zu betrügen keinen Anstand genommen; und Sie geben vor, sie                zu lieben, die Sie so weit heruntergebracht haben? Sehen Sie, wie sie da weint und                ringt. O schrecklich! schrecklich! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ich hatte dergestalt alle Besinnung verloren, daß ich, wie irre redend, anfing: Es                wäre doch am Ende ein Schatten nichts als ein Schatten, man könne auch ohne das                fertig werden, und es wäre nicht der Mühe werth, solchen Lärm davon zu erheben. Aber                ich fühlte so sehr den Ungrund von dem, was ich sprach, daß ich von selbst aufhörte,                ohne daß er mich einer Antwort gewürdigt. Ich fügte noch hinzu: was man einmal                verloren, könne man ein andermal wiederfinden.</p><lb/>
        <p>Er fuhr mich zornig an. &#x2013; Gestehen Sie, mir's, mein Herr, gestehen Sie mir's, wie                sind Sie um Ihren Schatten gekommen? &#x2014; Ich mußte wieder lügen: Es trat mir dereinst                ein ungeschlachter Mann so flämisch in meinen Schatten, daß er ein großes Loch darein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0053] meine Ahnung! rief Mina aus, ja, ich weiß es längst, er hat keinen Schatten! und sie warf sich in die Arme der Mutter, welche erschreckt, sie krampfhaft an sich schließend, ihr Vorwürfe machte, daß sie zum Unheil solch ein Geheimniß in sich verschlossen. Sie aber war, wie Arethusa, in einen Thränenquell gewandelt, der beim Klang meiner Stimme häufiger floß und bei meinem Nahen stürmisch ausbraus'te. Und Sie haben, hub der Forstmeister grimmig wieder an, und Sie haben mit unerhörter Frechheit diese und mich zu betrügen keinen Anstand genommen; und Sie geben vor, sie zu lieben, die Sie so weit heruntergebracht haben? Sehen Sie, wie sie da weint und ringt. O schrecklich! schrecklich! — Ich hatte dergestalt alle Besinnung verloren, daß ich, wie irre redend, anfing: Es wäre doch am Ende ein Schatten nichts als ein Schatten, man könne auch ohne das fertig werden, und es wäre nicht der Mühe werth, solchen Lärm davon zu erheben. Aber ich fühlte so sehr den Ungrund von dem, was ich sprach, daß ich von selbst aufhörte, ohne daß er mich einer Antwort gewürdigt. Ich fügte noch hinzu: was man einmal verloren, könne man ein andermal wiederfinden. Er fuhr mich zornig an. – Gestehen Sie, mir's, mein Herr, gestehen Sie mir's, wie sind Sie um Ihren Schatten gekommen? — Ich mußte wieder lügen: Es trat mir dereinst ein ungeschlachter Mann so flämisch in meinen Schatten, daß er ein großes Loch darein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:49:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:49:40Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/53
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/53>, abgerufen am 28.04.2024.