Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

lächelte und erwiderte: Ich gehe, mein Herr, zuvor aber will ich Sie unterrichten, wie Sie mir klingeln können, wenn Sie je Verlangen nach Ihrem unterthänigsten Knecht tragen sollten: Sie brauchen nur Ihren Seckel zu schütteln, daß die ewigen Goldstücke darinnen rasseln, der Ton zieht mich augenblicklich an. Ein Jeder denkt auf seinen Vortheil auf dieser Welt; Sie sehen, daß ich auf Ihren zugleich bedacht bin, denn ich eröffne Ihnen offenbar eine neue Kraft. -- O dieser Seckel! -- Und hätten gleich die Motten Ihren Schatten schon aufgefressen, der würde noch ein starkes Band zwischen uns sein. Genug, Sie haben mich an meinem Gold, befehlen Sie auch in der Ferne über Ihren Knecht, Sie wissen, daß ich mich meinen Freunden dienstfertig genug erweisen kann, und daß die Reichen besonders gut mit mir stehen; Sie haben es selbst gesehen. Nur Ihren Schatten, mein Herr -- das lassen Sie sich gesagt sein -- nie wieder, als unter einer einzigen Bedingung.

Gestalten der alten Zeit traten vor meine Seele. Ich frug ihn schnell: Hatten Sie eine Unterschrift vom Herrn John? -- Er lächelte. Mit einem so guten Freund hab' ich es keineswegs nöthig gehabt. -- Wo ist er? Bei Gott, ich will es wissen! -- Er steckte zögernd die Hand in die Tasche, und daraus bei den Haaren hervorgezogen erschien Thomas John's bleiche, entstellte Gestalt, und die blauen Leichenlippen bewegten sich zu schweren Worten: Justo judicio Dei judi-

lächelte und erwiderte: Ich gehe, mein Herr, zuvor aber will ich Sie unterrichten, wie Sie mir klingeln können, wenn Sie je Verlangen nach Ihrem unterthänigsten Knecht tragen sollten: Sie brauchen nur Ihren Seckel zu schütteln, daß die ewigen Goldstücke darinnen rasseln, der Ton zieht mich augenblicklich an. Ein Jeder denkt auf seinen Vortheil auf dieser Welt; Sie sehen, daß ich auf Ihren zugleich bedacht bin, denn ich eröffne Ihnen offenbar eine neue Kraft. — O dieser Seckel! — Und hätten gleich die Motten Ihren Schatten schon aufgefressen, der würde noch ein starkes Band zwischen uns sein. Genug, Sie haben mich an meinem Gold, befehlen Sie auch in der Ferne über Ihren Knecht, Sie wissen, daß ich mich meinen Freunden dienstfertig genug erweisen kann, und daß die Reichen besonders gut mit mir stehen; Sie haben es selbst gesehen. Nur Ihren Schatten, mein Herr — das lassen Sie sich gesagt sein — nie wieder, als unter einer einzigen Bedingung.

Gestalten der alten Zeit traten vor meine Seele. Ich frug ihn schnell: Hatten Sie eine Unterschrift vom Herrn John? — Er lächelte. Mit einem so guten Freund hab' ich es keineswegs nöthig gehabt. — Wo ist er? Bei Gott, ich will es wissen! — Er steckte zögernd die Hand in die Tasche, und daraus bei den Haaren hervorgezogen erschien Thomas John's bleiche, entstellte Gestalt, und die blauen Leichenlippen bewegten sich zu schweren Worten: Justo judicio Dei judi-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="8">
        <p><pb facs="#f0082"/>
lächelte und erwiderte: Ich gehe, mein Herr, zuvor aber will ich Sie                unterrichten, wie Sie mir klingeln können, wenn Sie je Verlangen nach Ihrem                unterthänigsten Knecht tragen sollten: Sie brauchen nur Ihren Seckel zu schütteln,                daß die ewigen Goldstücke darinnen rasseln, der Ton zieht mich augenblicklich an. Ein                Jeder denkt auf seinen Vortheil auf dieser Welt; Sie sehen, daß ich auf Ihren                zugleich bedacht bin, denn ich eröffne Ihnen offenbar eine neue Kraft. &#x2014; O dieser                Seckel! &#x2014; Und hätten gleich die Motten Ihren Schatten schon aufgefressen, der würde                noch ein starkes Band zwischen uns sein. Genug, Sie haben mich an meinem Gold,                befehlen Sie auch in der Ferne über Ihren Knecht, Sie wissen, daß ich mich meinen                Freunden dienstfertig genug erweisen kann, und daß die Reichen besonders gut mit mir                stehen; Sie haben es selbst gesehen. Nur Ihren Schatten, mein Herr &#x2014; das lassen Sie                sich gesagt sein &#x2014; nie wieder, als unter einer einzigen Bedingung.</p><lb/>
        <p>Gestalten der alten Zeit traten vor meine Seele. Ich frug ihn schnell: Hatten Sie                eine Unterschrift vom Herrn John? &#x2014; Er lächelte. Mit einem so guten Freund hab' ich                es keineswegs nöthig gehabt. &#x2014; Wo ist er? Bei Gott, ich will es wissen! &#x2014; Er steckte                zögernd die Hand in die Tasche, und daraus bei den Haaren hervorgezogen erschien                Thomas John's bleiche, entstellte Gestalt, und die blauen Leichenlippen bewegten sich                zu schweren Worten: Justo judicio Dei judi-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0082] lächelte und erwiderte: Ich gehe, mein Herr, zuvor aber will ich Sie unterrichten, wie Sie mir klingeln können, wenn Sie je Verlangen nach Ihrem unterthänigsten Knecht tragen sollten: Sie brauchen nur Ihren Seckel zu schütteln, daß die ewigen Goldstücke darinnen rasseln, der Ton zieht mich augenblicklich an. Ein Jeder denkt auf seinen Vortheil auf dieser Welt; Sie sehen, daß ich auf Ihren zugleich bedacht bin, denn ich eröffne Ihnen offenbar eine neue Kraft. — O dieser Seckel! — Und hätten gleich die Motten Ihren Schatten schon aufgefressen, der würde noch ein starkes Band zwischen uns sein. Genug, Sie haben mich an meinem Gold, befehlen Sie auch in der Ferne über Ihren Knecht, Sie wissen, daß ich mich meinen Freunden dienstfertig genug erweisen kann, und daß die Reichen besonders gut mit mir stehen; Sie haben es selbst gesehen. Nur Ihren Schatten, mein Herr — das lassen Sie sich gesagt sein — nie wieder, als unter einer einzigen Bedingung. Gestalten der alten Zeit traten vor meine Seele. Ich frug ihn schnell: Hatten Sie eine Unterschrift vom Herrn John? — Er lächelte. Mit einem so guten Freund hab' ich es keineswegs nöthig gehabt. — Wo ist er? Bei Gott, ich will es wissen! — Er steckte zögernd die Hand in die Tasche, und daraus bei den Haaren hervorgezogen erschien Thomas John's bleiche, entstellte Gestalt, und die blauen Leichenlippen bewegten sich zu schweren Worten: Justo judicio Dei judi-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:49:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:49:40Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/82
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/82>, abgerufen am 29.04.2024.