Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

dividirt wird. Die Ursache, warum die Schallweite zu dieser Absicht durch die Hälfte der
Schwingungen dividirt werden muß, ist, weil die Schwingungen, (d. i. die einzelnen Schläge)
eines zitternden Körpers abwechselnde Hingänge und Rückgänge sind, und also abwechselnd
durch den einen hinwärtsgehenden Schlag eine Welle oder eine Verdichtung der Luft, durch
den folgenden rückwärts gehenden Schlag aber eine Verdünnung bewürkt wird. Wenn man
aber, wie Sauveur und Newton gethan haben, jetzt aber nicht üblich ist, einen Hingang und
Rückgang zusammengenommen eine Schwingung nennen will, so muß man sagen, daß die
Schallweite durch die Zahl der Schwingungen zu dividiren sey. Wird nun der Klang einer
offenen Pfeife durch die umher befindliche Luft weiter verbreitet, so beträgt der Abstand der
Schallwellen von einander, wie Newton in princip. philos. natur. libr. II. gegen das Ende
der 50sten Proposition bemerket, soviel, als die doppelte Länge der Pfeife, oder vielmehr der
darin würklich schwingenden Luftsäule.

Man vergleicht gewöhnlich die Schallwellen mit den concentrischen Wellen auf einer
Wasserfläche; es kann diese Vergleichung zwar dienen, um sich einigermaßen ein sinnliches
Bild davon zu machen; jedoch findet sich darin eine große Verschiedenheit, daß die Wasser-
wellen nur auf der Oberfläche des Wassers, die Schallwellen aber nach allen körperlichen
Richtungen sich verbreiten, und daß die Wasserwellen in transversalen Erhöhungen des Was-
sers, die Schallwellen aber in longitudinalen Verdichtungen einer jeden Luftstrecke bestehen.

196.

So wie man überhaupt von der Natur der verschiedenen Abänderungen des
Schalles
z. B. bey der Articulation der Stimme, bey dem Eigenthümlichen des Klanges
verschiedener Jnstrumente, wo bey einerley Schwingungsart, Geschwindigkeit, Dauer und
Stärke die Würkung öfters so sehr verschieden ist, (§. 44.) noch gar nichts weiß, eben so
unbekannt ist es, wie solche mannigfaltige Modificationen des Schalles durch die Luft oder
andere Körper verbreitet werden. L. Euler äußert hierüber sehr sinnreiche Vermuthungen in
seinen E'claircissemens sur la generation et sur la propagation du son §. 13. in den Mem.
de PAcad. de Berlin
1765, wie auch in seiner Abhandlung de motu aeris in tubis §. 36. in
Nov. Comment. Acad. Petrop. tom. XVI. Er findet es wahrscheinlich, daß diese Modisi-
cationen und Articulationen auf kleinen Verschiedenheiten des Grades der Verdichtung der
Lufttheile, und der Geschwindigkeit, mit welcher ein jedes aus seiner Lage verrückt wird,
(scala celeritatum et densitatum) beruhen.

dividirt wird. Die Urſache, warum die Schallweite zu dieſer Abſicht durch die Haͤlfte der
Schwingungen dividirt werden muß, iſt, weil die Schwingungen, (d. i. die einzelnen Schlaͤge)
eines zitternden Koͤrpers abwechſelnde Hingaͤnge und Ruͤckgaͤnge ſind, und alſo abwechſelnd
durch den einen hinwaͤrtsgehenden Schlag eine Welle oder eine Verdichtung der Luft, durch
den folgenden ruͤckwaͤrts gehenden Schlag aber eine Verduͤnnung bewuͤrkt wird. Wenn man
aber, wie Sauveur und Newton gethan haben, jetzt aber nicht uͤblich iſt, einen Hingang und
Ruͤckgang zuſammengenommen eine Schwingung nennen will, ſo muß man ſagen, daß die
Schallweite durch die Zahl der Schwingungen zu dividiren ſey. Wird nun der Klang einer
offenen Pfeife durch die umher befindliche Luft weiter verbreitet, ſo betraͤgt der Abſtand der
Schallwellen von einander, wie Newton in princip. philos. natur. libr. II. gegen das Ende
der 50ſten Propoſition bemerket, ſoviel, als die doppelte Laͤnge der Pfeife, oder vielmehr der
darin wuͤrklich ſchwingenden Luftſaͤule.

Man vergleicht gewoͤhnlich die Schallwellen mit den concentriſchen Wellen auf einer
Waſſerflaͤche; es kann dieſe Vergleichung zwar dienen, um ſich einigermaßen ein ſinnliches
Bild davon zu machen; jedoch findet ſich darin eine große Verſchiedenheit, daß die Waſſer-
wellen nur auf der Oberflaͤche des Waſſers, die Schallwellen aber nach allen koͤrperlichen
Richtungen ſich verbreiten, und daß die Waſſerwellen in transverſalen Erhoͤhungen des Waſ-
ſers, die Schallwellen aber in longitudinalen Verdichtungen einer jeden Luftſtrecke beſtehen.

196.

So wie man uͤberhaupt von der Natur der verſchiedenen Abaͤnderungen des
Schalles
z. B. bey der Articulation der Stimme, bey dem Eigenthuͤmlichen des Klanges
verſchiedener Jnſtrumente, wo bey einerley Schwingungsart, Geſchwindigkeit, Dauer und
Staͤrke die Wuͤrkung oͤfters ſo ſehr verſchieden iſt, (§. 44.) noch gar nichts weiß, eben ſo
unbekannt iſt es, wie ſolche mannigfaltige Modificationen des Schalles durch die Luft oder
andere Koͤrper verbreitet werden. L. Euler aͤußert hieruͤber ſehr ſinnreiche Vermuthungen in
ſeinen E’claircissemens sur la génération et sur la propagation du son §. 13. in den Mém.
de PAcad. de Berlin
1765, wie auch in ſeiner Abhandlung de motu aëris in tubis §. 36. in
Nov. Comment. Acad. Petrop. tom. XVI. Er findet es wahrſcheinlich, daß dieſe Modiſi-
cationen und Articulationen auf kleinen Verſchiedenheiten des Grades der Verdichtung der
Lufttheile, und der Geſchwindigkeit, mit welcher ein jedes aus ſeiner Lage verruͤckt wird,
(scala celeritatum et densitatum) beruhen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0252" n="218"/>
dividirt wird. Die Ur&#x017F;ache, warum die Schallweite zu die&#x017F;er Ab&#x017F;icht durch die <hi rendition="#g">Ha&#x0364;lfte</hi> der<lb/>
Schwingungen dividirt werden muß, i&#x017F;t, weil die Schwingungen, (d. i. die einzelnen Schla&#x0364;ge)<lb/>
eines zitternden Ko&#x0364;rpers abwech&#x017F;elnde Hinga&#x0364;nge und Ru&#x0364;ckga&#x0364;nge &#x017F;ind, und al&#x017F;o abwech&#x017F;elnd<lb/>
durch den einen hinwa&#x0364;rtsgehenden Schlag eine Welle oder eine Verdichtung der Luft, durch<lb/>
den folgenden ru&#x0364;ckwa&#x0364;rts gehenden Schlag aber eine Verdu&#x0364;nnung bewu&#x0364;rkt wird. Wenn man<lb/>
aber, wie <hi rendition="#aq">Sauveur</hi> und Newton gethan haben, jetzt aber nicht u&#x0364;blich i&#x017F;t, einen Hingang und<lb/>
Ru&#x0364;ckgang zu&#x017F;ammengenommen eine Schwingung nennen will, &#x017F;o muß man &#x017F;agen, daß die<lb/>
Schallweite durch die Zahl der Schwingungen zu dividiren &#x017F;ey. Wird nun der Klang einer<lb/>
offenen Pfeife durch die umher befindliche Luft weiter verbreitet, &#x017F;o betra&#x0364;gt der Ab&#x017F;tand der<lb/>
Schallwellen von einander, wie <hi rendition="#g">Newton</hi> in <hi rendition="#aq">princip. philos. natur. libr. II.</hi> gegen das Ende<lb/>
der 50&#x017F;ten Propo&#x017F;ition bemerket, &#x017F;oviel, als die doppelte La&#x0364;nge der Pfeife, oder vielmehr der<lb/>
darin wu&#x0364;rklich &#x017F;chwingenden Luft&#x017F;a&#x0364;ule.</p><lb/>
            <p>Man vergleicht gewo&#x0364;hnlich die Schallwellen mit den concentri&#x017F;chen Wellen auf einer<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;erfla&#x0364;che; es kann die&#x017F;e Vergleichung zwar dienen, um &#x017F;ich einigermaßen ein &#x017F;innliches<lb/>
Bild davon zu machen; jedoch findet &#x017F;ich darin eine große Ver&#x017F;chiedenheit, daß die Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
wellen nur auf der Oberfla&#x0364;che des Wa&#x017F;&#x017F;ers, die Schallwellen aber nach allen ko&#x0364;rperlichen<lb/>
Richtungen &#x017F;ich verbreiten, und daß die Wa&#x017F;&#x017F;erwellen in transver&#x017F;alen Erho&#x0364;hungen des Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ers, die Schallwellen aber in longitudinalen Verdichtungen einer jeden Luft&#x017F;trecke be&#x017F;tehen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>196.</head><lb/>
            <p>So wie man u&#x0364;berhaupt von der Natur der ver&#x017F;chiedenen <hi rendition="#g">Aba&#x0364;nderungen des<lb/>
Schalles</hi> z. B. bey der Articulation der Stimme, bey dem Eigenthu&#x0364;mlichen des Klanges<lb/>
ver&#x017F;chiedener Jn&#x017F;trumente, wo bey einerley Schwingungsart, Ge&#x017F;chwindigkeit, Dauer und<lb/>
Sta&#x0364;rke die Wu&#x0364;rkung o&#x0364;fters &#x017F;o &#x017F;ehr ver&#x017F;chieden i&#x017F;t, (§. 44.) noch gar nichts weiß, eben &#x017F;o<lb/>
unbekannt i&#x017F;t es, wie &#x017F;olche mannigfaltige Modificationen des Schalles durch die Luft oder<lb/>
andere Ko&#x0364;rper verbreitet werden. L. <hi rendition="#g">Euler</hi> a&#x0364;ußert hieru&#x0364;ber &#x017F;ehr &#x017F;innreiche Vermuthungen in<lb/>
&#x017F;einen <hi rendition="#aq">E&#x2019;claircissemens sur la génération et sur la propagation du son</hi> §. 13. in den <hi rendition="#aq">Mém.<lb/>
de PAcad. de Berlin</hi> 1765, wie auch in &#x017F;einer Abhandlung <hi rendition="#aq">de motu aëris in tubis</hi> §. 36. in<lb/><hi rendition="#aq">Nov. Comment. Acad. Petrop. tom. XVI.</hi> Er findet es wahr&#x017F;cheinlich, daß die&#x017F;e Modi&#x017F;i-<lb/>
cationen und Articulationen auf kleinen Ver&#x017F;chiedenheiten des Grades der Verdichtung der<lb/>
Lufttheile, und der Ge&#x017F;chwindigkeit, mit welcher ein jedes aus &#x017F;einer Lage verru&#x0364;ckt wird,<lb/><hi rendition="#aq">(scala celeritatum et densitatum)</hi> beruhen.</p>
          </div><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0252] dividirt wird. Die Urſache, warum die Schallweite zu dieſer Abſicht durch die Haͤlfte der Schwingungen dividirt werden muß, iſt, weil die Schwingungen, (d. i. die einzelnen Schlaͤge) eines zitternden Koͤrpers abwechſelnde Hingaͤnge und Ruͤckgaͤnge ſind, und alſo abwechſelnd durch den einen hinwaͤrtsgehenden Schlag eine Welle oder eine Verdichtung der Luft, durch den folgenden ruͤckwaͤrts gehenden Schlag aber eine Verduͤnnung bewuͤrkt wird. Wenn man aber, wie Sauveur und Newton gethan haben, jetzt aber nicht uͤblich iſt, einen Hingang und Ruͤckgang zuſammengenommen eine Schwingung nennen will, ſo muß man ſagen, daß die Schallweite durch die Zahl der Schwingungen zu dividiren ſey. Wird nun der Klang einer offenen Pfeife durch die umher befindliche Luft weiter verbreitet, ſo betraͤgt der Abſtand der Schallwellen von einander, wie Newton in princip. philos. natur. libr. II. gegen das Ende der 50ſten Propoſition bemerket, ſoviel, als die doppelte Laͤnge der Pfeife, oder vielmehr der darin wuͤrklich ſchwingenden Luftſaͤule. Man vergleicht gewoͤhnlich die Schallwellen mit den concentriſchen Wellen auf einer Waſſerflaͤche; es kann dieſe Vergleichung zwar dienen, um ſich einigermaßen ein ſinnliches Bild davon zu machen; jedoch findet ſich darin eine große Verſchiedenheit, daß die Waſſer- wellen nur auf der Oberflaͤche des Waſſers, die Schallwellen aber nach allen koͤrperlichen Richtungen ſich verbreiten, und daß die Waſſerwellen in transverſalen Erhoͤhungen des Waſ- ſers, die Schallwellen aber in longitudinalen Verdichtungen einer jeden Luftſtrecke beſtehen. 196. So wie man uͤberhaupt von der Natur der verſchiedenen Abaͤnderungen des Schalles z. B. bey der Articulation der Stimme, bey dem Eigenthuͤmlichen des Klanges verſchiedener Jnſtrumente, wo bey einerley Schwingungsart, Geſchwindigkeit, Dauer und Staͤrke die Wuͤrkung oͤfters ſo ſehr verſchieden iſt, (§. 44.) noch gar nichts weiß, eben ſo unbekannt iſt es, wie ſolche mannigfaltige Modificationen des Schalles durch die Luft oder andere Koͤrper verbreitet werden. L. Euler aͤußert hieruͤber ſehr ſinnreiche Vermuthungen in ſeinen E’claircissemens sur la génération et sur la propagation du son §. 13. in den Mém. de PAcad. de Berlin 1765, wie auch in ſeiner Abhandlung de motu aëris in tubis §. 36. in Nov. Comment. Acad. Petrop. tom. XVI. Er findet es wahrſcheinlich, daß dieſe Modiſi- cationen und Articulationen auf kleinen Verſchiedenheiten des Grades der Verdichtung der Lufttheile, und der Geſchwindigkeit, mit welcher ein jedes aus ſeiner Lage verruͤckt wird, (scala celeritatum et densitatum) beruhen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/252
Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/252>, abgerufen am 09.06.2024.