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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Siebentes Capitel,
einerley Begebenheit unter zweyerley Verhältniß
vorstellen; wie sie nehmlich aus der Erkentniß,
die einer gewissen Person davon beywohnet, auch
nun zur Erkentniß in einer andern Person wird.
Und in dieser Betrachtung nun wird jede Bege-
benheit oder Geschäffte, eine Nachricht genen-
net; zu welcher unumgänglich zwey Personen er-
fordert werden: die eine, welche die Nachricht
giebt; die andere welche die Nachricht bekommt.
Solches stimmt mit der Erklärung dieses Worts,
die wir schon (§. 14. C. 1.) gegeben haben, ge-
nau überein. Denn wenn jemand seine Erkent-
niß von einer gewissen Begebenheit oder Geschich-
te mit Worten ausdrückt, so geschiehet es jeman-
den anders zu Gefallen, der davon belehret wer-
den soll. Jede Geschichte wird also durch Nach-
richten ausgebreitet
und fortgepflantzet.
Bey der ersten Ausbreitung einer Geschichte ist
derjenige, der die Nachricht giebt, niemand an-
ders, als der Zuschauer, oder wenn wir allgemei-
ner reden wollen, der gegenwärtig Gewesene
(§. 2.); der aber die Nachricht bekommt, ist
eben der, den wir den ersten Nachsager genen-
net (§. 5.). Bey der ferneren Ausbreitung ei-
ner Geschichte aber sind sowohl der die Nachricht
giebt, als der sie bekommt, beyde Nachsager,
nur im entfernten Grade (§. cit.). Die erste
Ausbreitung einer Geschichte geschiehet durchs
Aussagen (§. 3.), die fernere Ausbreitung aber
geschiehet durchs Nachsagen (§. 4.).

§. 10.

Siebentes Capitel,
einerley Begebenheit unter zweyerley Verhaͤltniß
vorſtellen; wie ſie nehmlich aus der Erkentniß,
die einer gewiſſen Perſon davon beywohnet, auch
nun zur Erkentniß in einer andern Perſon wird.
Und in dieſer Betrachtung nun wird jede Bege-
benheit oder Geſchaͤffte, eine Nachricht genen-
net; zu welcher unumgaͤnglich zwey Perſonen er-
fordert werden: die eine, welche die Nachricht
giebt; die andere welche die Nachricht bekommt.
Solches ſtimmt mit der Erklaͤrung dieſes Worts,
die wir ſchon (§. 14. C. 1.) gegeben haben, ge-
nau uͤberein. Denn wenn jemand ſeine Erkent-
niß von einer gewiſſen Begebenheit oder Geſchich-
te mit Worten ausdruͤckt, ſo geſchiehet es jeman-
den anders zu Gefallen, der davon belehret wer-
den ſoll. Jede Geſchichte wird alſo durch Nach-
richten ausgebreitet
und fortgepflantzet.
Bey der erſten Ausbreitung einer Geſchichte iſt
derjenige, der die Nachricht giebt, niemand an-
ders, als der Zuſchauer, oder wenn wir allgemei-
ner reden wollen, der gegenwaͤrtig Geweſene
(§. 2.); der aber die Nachricht bekommt, iſt
eben der, den wir den erſten Nachſager genen-
net (§. 5.). Bey der ferneren Ausbreitung ei-
ner Geſchichte aber ſind ſowohl der die Nachricht
giebt, als der ſie bekommt, beyde Nachſager,
nur im entfernten Grade (§. cit.). Die erſte
Ausbreitung einer Geſchichte geſchiehet durchs
Ausſagen (§. 3.), die fernere Ausbreitung aber
geſchiehet durchs Nachſagen (§. 4.).

§. 10.
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[164/0200] Siebentes Capitel, einerley Begebenheit unter zweyerley Verhaͤltniß vorſtellen; wie ſie nehmlich aus der Erkentniß, die einer gewiſſen Perſon davon beywohnet, auch nun zur Erkentniß in einer andern Perſon wird. Und in dieſer Betrachtung nun wird jede Bege- benheit oder Geſchaͤffte, eine Nachricht genen- net; zu welcher unumgaͤnglich zwey Perſonen er- fordert werden: die eine, welche die Nachricht giebt; die andere welche die Nachricht bekommt. Solches ſtimmt mit der Erklaͤrung dieſes Worts, die wir ſchon (§. 14. C. 1.) gegeben haben, ge- nau uͤberein. Denn wenn jemand ſeine Erkent- niß von einer gewiſſen Begebenheit oder Geſchich- te mit Worten ausdruͤckt, ſo geſchiehet es jeman- den anders zu Gefallen, der davon belehret wer- den ſoll. Jede Geſchichte wird alſo durch Nach- richten ausgebreitet und fortgepflantzet. Bey der erſten Ausbreitung einer Geſchichte iſt derjenige, der die Nachricht giebt, niemand an- ders, als der Zuſchauer, oder wenn wir allgemei- ner reden wollen, der gegenwaͤrtig Geweſene (§. 2.); der aber die Nachricht bekommt, iſt eben der, den wir den erſten Nachſager genen- net (§. 5.). Bey der ferneren Ausbreitung ei- ner Geſchichte aber ſind ſowohl der die Nachricht giebt, als der ſie bekommt, beyde Nachſager, nur im entfernten Grade (§. cit.). Die erſte Ausbreitung einer Geſchichte geſchiehet durchs Ausſagen (§. 3.), die fernere Ausbreitung aber geſchiehet durchs Nachſagen (§. 4.). §. 10.

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/200>, abgerufen am 27.04.2024.