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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Achtes Capitel,
ckenbruch; es ist aber nicht nöthig, daß ich den
Ursprung und Ursach derselben physicalischen Be-
gebenheit weiß. Zusammenhang, Verbin-
dung
und Ursachen der Geschichte, wovon wir
hier handeln wollen, gehen auf solche Begeben-
heiten der Menschen, die von ihren Willen und
Entschlüssungen, und ihren vorläuffigen Vorstel-
lungen abhangen. Das aber ist nun ein schwe-
rer und sehr verwickelter Theil der historischen Er-
kentniß; denn man siehet, daß Menschen über
Sachen, wobey sie gegenwärtig gewesen, die ih-
nen von innen und aussen bekannt seyn müssen,
dennoch so schwer unter einen Huth zu bringen
seyn, worin sie anzeigen sollen: woran es gefehlt?
wer und was Schuld daran sey? Geschweige,
wenn wir von Ursachen der Begebenheiten reden
wollen, wobey wir nicht zugegen gewesen, und
wovon wir mithin wenig Erkentniß haben. Hier-
bey gedencket noch zur Zeit jeder nach seiner Art,
ohne der geringsten Regel und Anleitung. Mit-
hin ist auch bey Uneinigkeiten über solche Dinge
kein Mittel noch Anleitung vorhanden, wie man
sich etwa einander bedeuten, oder die verschiede-
nen Meynungen gar entscheiden könne. Wir
wollen aber einen Versuch machen, deutlich zu er-
klären, wie und was der Menschen Dencken,
wenn sie über die Ursachen der menschlichen Be-
gebenheiten und der Zeitläuffte Rath pflegen;
um zu zeigen, warum hierinne die Menschen so
gar wenig mit einander übereinkommen.

§. 3.

Achtes Capitel,
ckenbruch; es iſt aber nicht noͤthig, daß ich den
Urſprung und Urſach derſelben phyſicaliſchen Be-
gebenheit weiß. Zuſammenhang, Verbin-
dung
und Urſachen der Geſchichte, wovon wir
hier handeln wollen, gehen auf ſolche Begeben-
heiten der Menſchen, die von ihren Willen und
Entſchluͤſſungen, und ihren vorlaͤuffigen Vorſtel-
lungen abhangen. Das aber iſt nun ein ſchwe-
rer und ſehr verwickelter Theil der hiſtoriſchen Er-
kentniß; denn man ſiehet, daß Menſchen uͤber
Sachen, wobey ſie gegenwaͤrtig geweſen, die ih-
nen von innen und auſſen bekannt ſeyn muͤſſen,
dennoch ſo ſchwer unter einen Huth zu bringen
ſeyn, worin ſie anzeigen ſollen: woran es gefehlt?
wer und was Schuld daran ſey? Geſchweige,
wenn wir von Urſachen der Begebenheiten reden
wollen, wobey wir nicht zugegen geweſen, und
wovon wir mithin wenig Erkentniß haben. Hier-
bey gedencket noch zur Zeit jeder nach ſeiner Art,
ohne der geringſten Regel und Anleitung. Mit-
hin iſt auch bey Uneinigkeiten uͤber ſolche Dinge
kein Mittel noch Anleitung vorhanden, wie man
ſich etwa einander bedeuten, oder die verſchiede-
nen Meynungen gar entſcheiden koͤnne. Wir
wollen aber einen Verſuch machen, deutlich zu er-
klaͤren, wie und was der Menſchen Dencken,
wenn ſie uͤber die Urſachen der menſchlichen Be-
gebenheiten und der Zeitlaͤuffte Rath pflegen;
um zu zeigen, warum hierinne die Menſchen ſo
gar wenig mit einander uͤbereinkommen.

§. 3.
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[206/0242] Achtes Capitel, ckenbruch; es iſt aber nicht noͤthig, daß ich den Urſprung und Urſach derſelben phyſicaliſchen Be- gebenheit weiß. Zuſammenhang, Verbin- dung und Urſachen der Geſchichte, wovon wir hier handeln wollen, gehen auf ſolche Begeben- heiten der Menſchen, die von ihren Willen und Entſchluͤſſungen, und ihren vorlaͤuffigen Vorſtel- lungen abhangen. Das aber iſt nun ein ſchwe- rer und ſehr verwickelter Theil der hiſtoriſchen Er- kentniß; denn man ſiehet, daß Menſchen uͤber Sachen, wobey ſie gegenwaͤrtig geweſen, die ih- nen von innen und auſſen bekannt ſeyn muͤſſen, dennoch ſo ſchwer unter einen Huth zu bringen ſeyn, worin ſie anzeigen ſollen: woran es gefehlt? wer und was Schuld daran ſey? Geſchweige, wenn wir von Urſachen der Begebenheiten reden wollen, wobey wir nicht zugegen geweſen, und wovon wir mithin wenig Erkentniß haben. Hier- bey gedencket noch zur Zeit jeder nach ſeiner Art, ohne der geringſten Regel und Anleitung. Mit- hin iſt auch bey Uneinigkeiten uͤber ſolche Dinge kein Mittel noch Anleitung vorhanden, wie man ſich etwa einander bedeuten, oder die verſchiede- nen Meynungen gar entſcheiden koͤnne. Wir wollen aber einen Verſuch machen, deutlich zu er- klaͤren, wie und was der Menſchen Dencken, wenn ſie uͤber die Urſachen der menſchlichen Be- gebenheiten und der Zeitlaͤuffte Rath pflegen; um zu zeigen, warum hierinne die Menſchen ſo gar wenig mit einander uͤbereinkommen. §. 3.

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/242>, abgerufen am 30.04.2024.