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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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v. d. Zusammenhange d. Begebenh. etc.
tig: Die Erzehlung der Ausführung eines
Anschlages, wenn keine Hindernisse dar-
zwischen kommen, ist mit dem Anschlage ei-
nerley.
Jn der Application auf unsere Anschläge
leydet sie allemahl ihren Abfall, weilen, wenn auch
gleich keine eigentlichen Hindernissen vorfielen, son-
dern alles bis zur Ausführung in statu quo blie-
be, wie es beym Anschlage gewesen. Denn so
1. finden wir doch bey der Ausführung immer et-
was anders, als wir uns vorher eingebildet: Wie
man bey seinem Rüstzeuge immer supponirt, daß
es im guten Stande seyn sollen, welches sich bey
dem Gebrauche desselben öffters anders findet;
auch seine Leute sich öffters abgerichteter einbildet
als sie sind. 2. Darzu kommt, daß wir manches
auch nicht übersehen, was doch zu übersehen wäre
möglich gewesen. Setzen wir diese Umstände bey
Seite, so werden wir in Exempeln, als bey Festins
am Hofe, und also in der Erfahrung selbst finden,
daß die Erzehlung der Geschichte, wie sie vorge-
gangen, mit dem Anschlage einerley laute. Es
gehöret aber eine besondere Fähigkeit und Lust der
Seele darzu, bey einem Anschlage in alle kleine
Umstände sich einzulassen, und den Anschlag, der
Erzehlung von der Ausführung selbst, in voraus
so ähnlich zu machen, als möglich ist. Man
muß diese Fertigkeit an Sachen erlernen, die
schon würcklich vorhanden sind, daß man dabey
alles aufs genaueste beobachtet, was beobachtet
werden kan. So wird man sich angewöhnen,
auch Sachen, die man angiebt, und ordiniret, mit
eben solcher Umständlichkeit sich vorzustellen, und

die
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v. d. Zuſammenhange d. Begebenh. ꝛc.
tig: Die Erzehlung der Ausfuͤhrung eines
Anſchlages, wenn keine Hinderniſſe dar-
zwiſchen kommen, iſt mit dem Anſchlage ei-
nerley.
Jn der Application auf unſere Anſchlaͤge
leydet ſie allemahl ihren Abfall, weilen, wenn auch
gleich keine eigentlichen Hinderniſſen vorfielen, ſon-
dern alles bis zur Ausfuͤhrung in ſtatu quo blie-
be, wie es beym Anſchlage geweſen. Denn ſo
1. finden wir doch bey der Ausfuͤhrung immer et-
was anders, als wir uns vorher eingebildet: Wie
man bey ſeinem Ruͤſtzeuge immer ſupponirt, daß
es im guten Stande ſeyn ſollen, welches ſich bey
dem Gebrauche deſſelben oͤffters anders findet;
auch ſeine Leute ſich oͤffters abgerichteter einbildet
als ſie ſind. 2. Darzu kommt, daß wir manches
auch nicht uͤberſehen, was doch zu uͤberſehen waͤre
moͤglich geweſen. Setzen wir dieſe Umſtaͤnde bey
Seite, ſo werden wir in Exempeln, als bey Feſtins
am Hofe, und alſo in der Erfahrung ſelbſt finden,
daß die Erzehlung der Geſchichte, wie ſie vorge-
gangen, mit dem Anſchlage einerley laute. Es
gehoͤret aber eine beſondere Faͤhigkeit und Luſt der
Seele darzu, bey einem Anſchlage in alle kleine
Umſtaͤnde ſich einzulaſſen, und den Anſchlag, der
Erzehlung von der Ausfuͤhrung ſelbſt, in voraus
ſo aͤhnlich zu machen, als moͤglich iſt. Man
muß dieſe Fertigkeit an Sachen erlernen, die
ſchon wuͤrcklich vorhanden ſind, daß man dabey
alles aufs genaueſte beobachtet, was beobachtet
werden kan. So wird man ſich angewoͤhnen,
auch Sachen, die man angiebt, und ordiniret, mit
eben ſolcher Umſtaͤndlichkeit ſich vorzuſtellen, und

die
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[233/0269] v. d. Zuſammenhange d. Begebenh. ꝛc. tig: Die Erzehlung der Ausfuͤhrung eines Anſchlages, wenn keine Hinderniſſe dar- zwiſchen kommen, iſt mit dem Anſchlage ei- nerley. Jn der Application auf unſere Anſchlaͤge leydet ſie allemahl ihren Abfall, weilen, wenn auch gleich keine eigentlichen Hinderniſſen vorfielen, ſon- dern alles bis zur Ausfuͤhrung in ſtatu quo blie- be, wie es beym Anſchlage geweſen. Denn ſo 1. finden wir doch bey der Ausfuͤhrung immer et- was anders, als wir uns vorher eingebildet: Wie man bey ſeinem Ruͤſtzeuge immer ſupponirt, daß es im guten Stande ſeyn ſollen, welches ſich bey dem Gebrauche deſſelben oͤffters anders findet; auch ſeine Leute ſich oͤffters abgerichteter einbildet als ſie ſind. 2. Darzu kommt, daß wir manches auch nicht uͤberſehen, was doch zu uͤberſehen waͤre moͤglich geweſen. Setzen wir dieſe Umſtaͤnde bey Seite, ſo werden wir in Exempeln, als bey Feſtins am Hofe, und alſo in der Erfahrung ſelbſt finden, daß die Erzehlung der Geſchichte, wie ſie vorge- gangen, mit dem Anſchlage einerley laute. Es gehoͤret aber eine beſondere Faͤhigkeit und Luſt der Seele darzu, bey einem Anſchlage in alle kleine Umſtaͤnde ſich einzulaſſen, und den Anſchlag, der Erzehlung von der Ausfuͤhrung ſelbſt, in voraus ſo aͤhnlich zu machen, als moͤglich iſt. Man muß dieſe Fertigkeit an Sachen erlernen, die ſchon wuͤrcklich vorhanden ſind, daß man dabey alles aufs genaueſte beobachtet, was beobachtet werden kan. So wird man ſich angewoͤhnen, auch Sachen, die man angiebt, und ordiniret, mit eben ſolcher Umſtaͤndlichkeit ſich vorzuſtellen, und die P 5

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/269>, abgerufen am 29.04.2024.