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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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v. d. historischen Wahrscheinlichkeit.
cte angesehen haben, (§. 6.) so muß einer darun-
ter vorsetzlich die Unwahrheit sagen. Da wür-
de nun freylich aus der Sache gar nicht zu kommen
seyn, wenn beyde Aussager einerley, und zwar
völliges Ansehen hätten. Allein ein solcher Fall
ist in der Schärffe genommen nicht einmahl mög-
lich, (§. 24. C. 9.) ist auch dem Scheine nach in
der Welt selten vorhanden; sondern es äussert sich
auf einer Seite irgend ein Mangel des Anse-
hens: So, wenn in der Geschichte beym Vertot,
(§. 1.) die beyden Scriptores von einerley Ansehen
wären, würde man nicht leichte nur zu einer Ver-
muthung kommen können, woran es fehlete: als
wenn der eine etwa Cantzler, der andere Vice-
Cantzler des Ordens gewesen wäre. So aber ist
der eine nehmlich Caoursin, Vice-Cantzler, und
hat alle Eigenschafften eines Autors: der andere
aber, nehmlich Jaligni, ist zwar ein Scriptor
coaeuus,
aber ein fremder, ein Frantzösischer
Staats-Seeretarius, der von der eigentlichen Be-
schaffenheit der Aufnahme des Türckischen Prin-
tzens auf der Jnsul Rhodus nur aus Nachrichten,
und etwa aus den Berichten des Ordens an den
König in Franckreich selbst, kan Kundschafft ge-
habt haben. Wenn diese sehr kurtz gewesen sind,
wie zu vermuthen stehet, kan leicht vom saluo con-
ducto
gar nichts drinne gestanden haben, so daß
daraus gar wohl die Vorstellung hat entstehen kön-
nen, die sich Jaligni von der gantzen Affaire ge-
macht hat. So viel ist gewiß, daß sein Ansehen
in dieser Erzehlung dem Ansehen des Vice-Cantz-
lers nicht gleich ist. Wiewohl auch der Wider-

spruch
X 4

v. d. hiſtoriſchen Wahrſcheinlichkeit.
cte angeſehen haben, (§. 6.) ſo muß einer darun-
ter vorſetzlich die Unwahrheit ſagen. Da wuͤr-
de nun freylich aus der Sache gar nicht zu kommen
ſeyn, wenn beyde Ausſager einerley, und zwar
voͤlliges Anſehen haͤtten. Allein ein ſolcher Fall
iſt in der Schaͤrffe genommen nicht einmahl moͤg-
lich, (§. 24. C. 9.) iſt auch dem Scheine nach in
der Welt ſelten vorhanden; ſondern es aͤuſſert ſich
auf einer Seite irgend ein Mangel des Anſe-
hens: So, wenn in der Geſchichte beym Vertot,
(§. 1.) die beyden Scriptores von einerley Anſehen
waͤren, wuͤrde man nicht leichte nur zu einer Ver-
muthung kommen koͤnnen, woran es fehlete: als
wenn der eine etwa Cantzler, der andere Vice-
Cantzler des Ordens geweſen waͤre. So aber iſt
der eine nehmlich Caourſin, Vice-Cantzler, und
hat alle Eigenſchafften eines Autors: der andere
aber, nehmlich Jaligni, iſt zwar ein Scriptor
coæuus,
aber ein fremder, ein Frantzoͤſiſcher
Staats-Seeretarius, der von der eigentlichen Be-
ſchaffenheit der Aufnahme des Tuͤrckiſchen Prin-
tzens auf der Jnſul Rhodus nur aus Nachrichten,
und etwa aus den Berichten des Ordens an den
Koͤnig in Franckreich ſelbſt, kan Kundſchafft ge-
habt haben. Wenn dieſe ſehr kurtz geweſen ſind,
wie zu vermuthen ſtehet, kan leicht vom ſaluo con-
ducto
gar nichts drinne geſtanden haben, ſo daß
daraus gar wohl die Vorſtellung hat entſtehen koͤn-
nen, die ſich Jaligni von der gantzen Affaire ge-
macht hat. So viel iſt gewiß, daß ſein Anſehen
in dieſer Erzehlung dem Anſehen des Vice-Cantz-
lers nicht gleich iſt. Wiewohl auch der Wider-

ſpruch
X 4
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[327/0363] v. d. hiſtoriſchen Wahrſcheinlichkeit. cte angeſehen haben, (§. 6.) ſo muß einer darun- ter vorſetzlich die Unwahrheit ſagen. Da wuͤr- de nun freylich aus der Sache gar nicht zu kommen ſeyn, wenn beyde Ausſager einerley, und zwar voͤlliges Anſehen haͤtten. Allein ein ſolcher Fall iſt in der Schaͤrffe genommen nicht einmahl moͤg- lich, (§. 24. C. 9.) iſt auch dem Scheine nach in der Welt ſelten vorhanden; ſondern es aͤuſſert ſich auf einer Seite irgend ein Mangel des Anſe- hens: So, wenn in der Geſchichte beym Vertot, (§. 1.) die beyden Scriptores von einerley Anſehen waͤren, wuͤrde man nicht leichte nur zu einer Ver- muthung kommen koͤnnen, woran es fehlete: als wenn der eine etwa Cantzler, der andere Vice- Cantzler des Ordens geweſen waͤre. So aber iſt der eine nehmlich Caourſin, Vice-Cantzler, und hat alle Eigenſchafften eines Autors: der andere aber, nehmlich Jaligni, iſt zwar ein Scriptor coæuus, aber ein fremder, ein Frantzoͤſiſcher Staats-Seeretarius, der von der eigentlichen Be- ſchaffenheit der Aufnahme des Tuͤrckiſchen Prin- tzens auf der Jnſul Rhodus nur aus Nachrichten, und etwa aus den Berichten des Ordens an den Koͤnig in Franckreich ſelbſt, kan Kundſchafft ge- habt haben. Wenn dieſe ſehr kurtz geweſen ſind, wie zu vermuthen ſtehet, kan leicht vom ſaluo con- ducto gar nichts drinne geſtanden haben, ſo daß daraus gar wohl die Vorſtellung hat entſtehen koͤn- nen, die ſich Jaligni von der gantzen Affaire ge- macht hat. So viel iſt gewiß, daß ſein Anſehen in dieſer Erzehlung dem Anſehen des Vice-Cantz- lers nicht gleich iſt. Wiewohl auch der Wider- ſpruch X 4

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/363>, abgerufen am 27.04.2024.