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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Zwölfftes Capitel,
Beschaffenheit der Sache genau merckt (n. 2.
§. 15.); so ist ein Hauptstück, daß man nicht al-
lein auf die innerliche Beschaffenheit der Sa-
chen achtung giebt; sondern auch mit gleicher
Schärffe auf die Verhältniß der Sache zu an-
dern, nehmlich zu andern Geschäfften und Per-
sonen,
und mithin auf diese selbst siehet. Denn
von diesen äusserlichen Sachen, sind nicht allein die
Beförderungen der Sache, sondern auch vor-
nehmlich die Hindernisse zu gewarten. Wie
z. E. der allergerechteste, billigste, und mit aller
Vorsicht eingerichtete Antrag dennoch iezuweilen
nicht Eingang findet, wenn er zur unrechten
Stunde geschiehet. Und darinnen ist der gröste
Unterscheid zwischen der philosophischen, ja
überhaupt der gelehrten, Scharfsichtigkeit.
Jn der Gelahrheit, und in allen Arten der Be-
trachtungen
darf man sich nur bloß an sein Ob-
ject
halten: Je tieffer man in dasselbe hinein ge-
het; und ie mehr man sich darinnen vertieft,
desto besser wird man zu seinen Zweck, nehmlich
zur Erfindung der Wahrheit, den man sucht
gelangen. Aber bey Dingen die geschehen,
und geschehen sollen, kommt es auf äusserli-
che Dinge gröstentheils an, und der geringste Um-
stand kan die gantze Sache aufhalten. Also, um
den Erfolg, von Geschäfften voraus zu sehen,
wird ein gantz anderer habitus erfordert, nehm-
lich um sich herum zu sehen: Und alles so an-
zusehen, als wenn es die Sache, von deren Erfolg
die Rede ist, hindern, oder befördern könte.

§. 17.

Zwoͤlfftes Capitel,
Beſchaffenheit der Sache genau merckt (n. 2.
§. 15.); ſo iſt ein Hauptſtuͤck, daß man nicht al-
lein auf die innerliche Beſchaffenheit der Sa-
chen achtung giebt; ſondern auch mit gleicher
Schaͤrffe auf die Verhaͤltniß der Sache zu an-
dern, nehmlich zu andern Geſchaͤfften und Per-
ſonen,
und mithin auf dieſe ſelbſt ſiehet. Denn
von dieſen aͤuſſerlichen Sachen, ſind nicht allein die
Befoͤrderungen der Sache, ſondern auch vor-
nehmlich die Hinderniſſe zu gewarten. Wie
z. E. der allergerechteſte, billigſte, und mit aller
Vorſicht eingerichtete Antrag dennoch iezuweilen
nicht Eingang findet, wenn er zur unrechten
Stunde geſchiehet. Und darinnen iſt der groͤſte
Unterſcheid zwiſchen der philoſophiſchen, ja
uͤberhaupt der gelehrten, Scharfſichtigkeit.
Jn der Gelahrheit, und in allen Arten der Be-
trachtungen
darf man ſich nur bloß an ſein Ob-
ject
halten: Je tieffer man in daſſelbe hinein ge-
het; und ie mehr man ſich darinnen vertieft,
deſto beſſer wird man zu ſeinen Zweck, nehmlich
zur Erfindung der Wahrheit, den man ſucht
gelangen. Aber bey Dingen die geſchehen,
und geſchehen ſollen, kommt es auf aͤuſſerli-
che Dinge groͤſtentheils an, und der geringſte Um-
ſtand kan die gantze Sache aufhalten. Alſo, um
den Erfolg, von Geſchaͤfften voraus zu ſehen,
wird ein gantz anderer habitus erfordert, nehm-
lich um ſich herum zu ſehen: Und alles ſo an-
zuſehen, als wenn es die Sache, von deren Erfolg
die Rede iſt, hindern, oder befoͤrdern koͤnte.

§. 17.
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[394/0430] Zwoͤlfftes Capitel, Beſchaffenheit der Sache genau merckt (n. 2. §. 15.); ſo iſt ein Hauptſtuͤck, daß man nicht al- lein auf die innerliche Beſchaffenheit der Sa- chen achtung giebt; ſondern auch mit gleicher Schaͤrffe auf die Verhaͤltniß der Sache zu an- dern, nehmlich zu andern Geſchaͤfften und Per- ſonen, und mithin auf dieſe ſelbſt ſiehet. Denn von dieſen aͤuſſerlichen Sachen, ſind nicht allein die Befoͤrderungen der Sache, ſondern auch vor- nehmlich die Hinderniſſe zu gewarten. Wie z. E. der allergerechteſte, billigſte, und mit aller Vorſicht eingerichtete Antrag dennoch iezuweilen nicht Eingang findet, wenn er zur unrechten Stunde geſchiehet. Und darinnen iſt der groͤſte Unterſcheid zwiſchen der philoſophiſchen, ja uͤberhaupt der gelehrten, Scharfſichtigkeit. Jn der Gelahrheit, und in allen Arten der Be- trachtungen darf man ſich nur bloß an ſein Ob- ject halten: Je tieffer man in daſſelbe hinein ge- het; und ie mehr man ſich darinnen vertieft, deſto beſſer wird man zu ſeinen Zweck, nehmlich zur Erfindung der Wahrheit, den man ſucht gelangen. Aber bey Dingen die geſchehen, und geſchehen ſollen, kommt es auf aͤuſſerli- che Dinge groͤſtentheils an, und der geringſte Um- ſtand kan die gantze Sache aufhalten. Alſo, um den Erfolg, von Geſchaͤfften voraus zu ſehen, wird ein gantz anderer habitus erfordert, nehm- lich um ſich herum zu ſehen: Und alles ſo an- zuſehen, als wenn es die Sache, von deren Erfolg die Rede iſt, hindern, oder befoͤrdern koͤnte. §. 17.

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/430>, abgerufen am 29.04.2024.