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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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ihre Hand. Maiberg war verwundert, überrascht,
aber mit Freuden segnete er einen Bund, den
unsere Herzen geschlossen. Meine Johanne be¬
reitete mir den Himmel auf Erden, ihre Engels¬
güte, ihre Reinheit waren nicht für diese Welt, wo
so viel Falsch ist; darum riefen sie auch die
Geister des Himmels in ihre bessere Heimath.
Nur zwei Jahre lebte ich an der Seite meines
Hannchens, und Du kanntest Deine Mutter kaum
mein Sohn.

Mehrere Jahre nach dem Tode der Unver¬
geßlichen besuchte ich Carlsbad zur Herstellung
meiner Gesundheit. Eines Abends durchstreifte
ich die Promenade, die gerade ganz menschenleer
zu sein schien. Vor mir aber ging eine Dame
mit einem kleinen Mädchen, das einen Kranz ge¬
wunden hatte, der mit einem Male dem spielenden
Händchen entfiel, und von den Wellen des nahen
Wassers fortgeschwemmt wurde. Ich fischte den
Blumenschatz aus der feuchten Tiefe mit meinem
Stocke auf, und reichte ihn dem lächlenden Kinde
hin. Jetzt blickte sich die Mutter desselben nach
mir um; Gott, es war Marie! Sprachlos stand
ich ihr gegenüber; sie hatte auch mich wieder
erkannt, und mir ihre schöne Hand reichend, sagte
sie: "So finden wir uns wieder?"

ihre Hand. Maiberg war verwundert, uͤberraſcht,
aber mit Freuden ſegnete er einen Bund, den
unſere Herzen geſchloſſen. Meine Johanne be¬
reitete mir den Himmel auf Erden, ihre Engels¬
guͤte, ihre Reinheit waren nicht fuͤr dieſe Welt, wo
ſo viel Falſch iſt; darum riefen ſie auch die
Geiſter des Himmels in ihre beſſere Heimath.
Nur zwei Jahre lebte ich an der Seite meines
Hannchens, und Du kannteſt Deine Mutter kaum
mein Sohn.

Mehrere Jahre nach dem Tode der Unver¬
geßlichen beſuchte ich Carlsbad zur Herſtellung
meiner Geſundheit. Eines Abends durchſtreifte
ich die Promenade, die gerade ganz menſchenleer
zu ſein ſchien. Vor mir aber ging eine Dame
mit einem kleinen Maͤdchen, das einen Kranz ge¬
wunden hatte, der mit einem Male dem ſpielenden
Haͤndchen entfiel, und von den Wellen des nahen
Waſſers fortgeſchwemmt wurde. Ich fiſchte den
Blumenſchatz aus der feuchten Tiefe mit meinem
Stocke auf, und reichte ihn dem laͤchlenden Kinde
hin. Jetzt blickte ſich die Mutter deſſelben nach
mir um; Gott, es war Marie! Sprachlos ſtand
ich ihr gegenuͤber; ſie hatte auch mich wieder
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[157/0163] ihre Hand. Maiberg war verwundert, uͤberraſcht, aber mit Freuden ſegnete er einen Bund, den unſere Herzen geſchloſſen. Meine Johanne be¬ reitete mir den Himmel auf Erden, ihre Engels¬ guͤte, ihre Reinheit waren nicht fuͤr dieſe Welt, wo ſo viel Falſch iſt; darum riefen ſie auch die Geiſter des Himmels in ihre beſſere Heimath. Nur zwei Jahre lebte ich an der Seite meines Hannchens, und Du kannteſt Deine Mutter kaum mein Sohn. Mehrere Jahre nach dem Tode der Unver¬ geßlichen beſuchte ich Carlsbad zur Herſtellung meiner Geſundheit. Eines Abends durchſtreifte ich die Promenade, die gerade ganz menſchenleer zu ſein ſchien. Vor mir aber ging eine Dame mit einem kleinen Maͤdchen, das einen Kranz ge¬ wunden hatte, der mit einem Male dem ſpielenden Haͤndchen entfiel, und von den Wellen des nahen Waſſers fortgeſchwemmt wurde. Ich fiſchte den Blumenſchatz aus der feuchten Tiefe mit meinem Stocke auf, und reichte ihn dem laͤchlenden Kinde hin. Jetzt blickte ſich die Mutter deſſelben nach mir um; Gott, es war Marie! Sprachlos ſtand ich ihr gegenuͤber; ſie hatte auch mich wieder erkannt, und mir ihre ſchoͤne Hand reichend, ſagte ſie: „So finden wir uns wieder?“

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/163>, abgerufen am 30.04.2024.