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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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Der alte Martin flog mit einem andern Die¬
ner in Blauensteins Zimmer; er selbst half seine
zerstreuten Habseligkeiten zusammenlegen und ein¬
packen, und verwahrte das eben erhaltene theure
Geschenk auf seiner Brust. Der Wagen stand
vor der Thüre, Oncle Heinrich dicht dabei. Er
hatte vom Secretair Blum das Nähere erfahren,
und bedauerte herzlich, daß er den jungen Freund
so schnell verlieren sollte. "Versprechen Sie mir,"
fuhr er fort, "uns in dem stillen, abgelegenen
Blumenau recht bald wieder besuchen zu wollen,
Blauensteinchen, und zwar auf einige Wochen,
nicht auf Tage, wie diesmal. Übrigens wird
sich mein Schwager verdammt wundern, wenn
er morgen hört, daß Sie ausgeflogen sind. Aber
es ist gut so; Sie haben Eile, und er machte
nur noch längern Aufenthalt! -- Nun, Gott be¬
fohlen; der Himmel gebe, daß Sie Ihren Papa
frisch und gesund antreffen! -- -- "

Heinrichs Worte verhallten im Wehen der
scharfen Nachtluft; im Saale ertönte hell und
lustig ein fröhlicher Walzer, halb vom Winde
verschlungen, durch die angelaufenen Fenster sah
man die rasch vorbeischwebenden, fröhlichen Tanz¬
paare, aber Blauensteins Wagen rollte in der
raschesten Eile durch die rauschende Lindenallee

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Der alte Martin flog mit einem andern Die¬
ner in Blauenſteins Zimmer; er ſelbſt half ſeine
zerſtreuten Habſeligkeiten zuſammenlegen und ein¬
packen, und verwahrte das eben erhaltene theure
Geſchenk auf ſeiner Bruſt. Der Wagen ſtand
vor der Thuͤre, Oncle Heinrich dicht dabei. Er
hatte vom Secretair Blum das Naͤhere erfahren,
und bedauerte herzlich, daß er den jungen Freund
ſo ſchnell verlieren ſollte. „Verſprechen Sie mir,“
fuhr er fort, „uns in dem ſtillen, abgelegenen
Blumenau recht bald wieder beſuchen zu wollen,
Blauenſteinchen, und zwar auf einige Wochen,
nicht auf Tage, wie diesmal. Übrigens wird
ſich mein Schwager verdammt wundern, wenn
er morgen hoͤrt, daß Sie ausgeflogen ſind. Aber
es iſt gut ſo; Sie haben Eile, und er machte
nur noch laͤngern Aufenthalt! — Nun, Gott be¬
fohlen; der Himmel gebe, daß Sie Ihren Papa
friſch und geſund antreffen! — — “

Heinrichs Worte verhallten im Wehen der
ſcharfen Nachtluft; im Saale ertoͤnte hell und
luſtig ein froͤhlicher Walzer, halb vom Winde
verſchlungen, durch die angelaufenen Fenſter ſah
man die raſch vorbeiſchwebenden, froͤhlichen Tanz¬
paare, aber Blauenſteins Wagen rollte in der
raſcheſten Eile durch die rauſchende Lindenallee

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[81/0087] Der alte Martin flog mit einem andern Die¬ ner in Blauenſteins Zimmer; er ſelbſt half ſeine zerſtreuten Habſeligkeiten zuſammenlegen und ein¬ packen, und verwahrte das eben erhaltene theure Geſchenk auf ſeiner Bruſt. Der Wagen ſtand vor der Thuͤre, Oncle Heinrich dicht dabei. Er hatte vom Secretair Blum das Naͤhere erfahren, und bedauerte herzlich, daß er den jungen Freund ſo ſchnell verlieren ſollte. „Verſprechen Sie mir,“ fuhr er fort, „uns in dem ſtillen, abgelegenen Blumenau recht bald wieder beſuchen zu wollen, Blauenſteinchen, und zwar auf einige Wochen, nicht auf Tage, wie diesmal. Übrigens wird ſich mein Schwager verdammt wundern, wenn er morgen hoͤrt, daß Sie ausgeflogen ſind. Aber es iſt gut ſo; Sie haben Eile, und er machte nur noch laͤngern Aufenthalt! — Nun, Gott be¬ fohlen; der Himmel gebe, daß Sie Ihren Papa friſch und geſund antreffen! — — “ Heinrichs Worte verhallten im Wehen der ſcharfen Nachtluft; im Saale ertoͤnte hell und luſtig ein froͤhlicher Walzer, halb vom Winde verſchlungen, durch die angelaufenen Fenſter ſah man die raſch vorbeiſchwebenden, froͤhlichen Tanz¬ paare, aber Blauenſteins Wagen rollte in der raſcheſten Eile durch die rauſchende Lindenallee 6

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/87>, abgerufen am 26.04.2024.