von ein Beispiel. Bei der Schlacht von Wagram hat- ten die Östreicher den Franzosen ganz ohne Noth zu viel Terrain überlassen, so daß die eigenthümlichen Nachtheile des Flußüberganges dadurch aufgehoben wurden.
6. Gebirge sind das zweite Terrainhinderniß welches eine gute Vertheidigungslinie bildet. Entweder indem man sie vor sich liegen läßt und sie nur mit leichten Truppen besetzt, um sie gewissermaßen als einen Fluß zu betrachten über welchen der Feind setzen muß und sobald er aus den Pässen mit einzelnen Kolonnen vordringt, über eine der- selben herzufallen mit der ganzen Macht; oder indem man sich selbst hineinstellt. In dem letztern Falle darf man die einzelnen Pässe nur mit kleinen Korps vertheidigen und ein bedeutender Theil der Armee ( 1/3 bis 1/2) muß zur Reserve bleiben um damit eine der durchgedrungenen Ko- lonnen überlegen anzufallen. Man muß also diese große Reserve nicht vereinzeln um das Durchdringen aller Ko- lonnen absolut zu verhindern, sondern sich von Hause aus vorsetzen damit auf diejenigen Kolonnen zu fallen welche man als die stärksten vermuthet. Schlägt man auf diese Weise einen bedeutenden Theil der angreifenden Armee, so werden die durchgedrungenen Kolonnen sich von selbst wieder zurückziehen.
Die Formation der meisten Gebirge ist von der Art daß sich in der Mitte derselben mehr oder weniger hohe Ebenen befinden (Plateaus), während die nach der Ebene zu gelegene Seite von steilen Thälern durchbrochen ist, die die Eingänge bilden. Der Vertheidiger findet also im Gebirge eine Gegend in der er sich schnell rechts und links bewegen kann, während die angreifenden Kolonnen durch steile unzugängliche Rücken von einander getrennt sind. Nur wenn das Gebirge von dieser Art ist, leidet
von ein Beiſpiel. Bei der Schlacht von Wagram hat- ten die Öſtreicher den Franzoſen ganz ohne Noth zu viel Terrain uͤberlaſſen, ſo daß die eigenthuͤmlichen Nachtheile des Flußuͤberganges dadurch aufgehoben wurden.
6. Gebirge ſind das zweite Terrainhinderniß welches eine gute Vertheidigungslinie bildet. Entweder indem man ſie vor ſich liegen laͤßt und ſie nur mit leichten Truppen beſetzt, um ſie gewiſſermaßen als einen Fluß zu betrachten uͤber welchen der Feind ſetzen muß und ſobald er aus den Paͤſſen mit einzelnen Kolonnen vordringt, uͤber eine der- ſelben herzufallen mit der ganzen Macht; oder indem man ſich ſelbſt hineinſtellt. In dem letztern Falle darf man die einzelnen Paͤſſe nur mit kleinen Korps vertheidigen und ein bedeutender Theil der Armee (⅓ bis ½) muß zur Reſerve bleiben um damit eine der durchgedrungenen Ko- lonnen uͤberlegen anzufallen. Man muß alſo dieſe große Reſerve nicht vereinzeln um das Durchdringen aller Ko- lonnen abſolut zu verhindern, ſondern ſich von Hauſe aus vorſetzen damit auf diejenigen Kolonnen zu fallen welche man als die ſtaͤrkſten vermuthet. Schlaͤgt man auf dieſe Weiſe einen bedeutenden Theil der angreifenden Armee, ſo werden die durchgedrungenen Kolonnen ſich von ſelbſt wieder zuruͤckziehen.
Die Formation der meiſten Gebirge iſt von der Art daß ſich in der Mitte derſelben mehr oder weniger hohe Ebenen befinden (Plateaus), waͤhrend die nach der Ebene zu gelegene Seite von ſteilen Thaͤlern durchbrochen iſt, die die Eingaͤnge bilden. Der Vertheidiger findet alſo im Gebirge eine Gegend in der er ſich ſchnell rechts und links bewegen kann, waͤhrend die angreifenden Kolonnen durch ſteile unzugaͤngliche Ruͤcken von einander getrennt ſind. Nur wenn das Gebirge von dieſer Art iſt, leidet
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0264"n="250"/>
von ein Beiſpiel. Bei der Schlacht von Wagram hat-<lb/>
ten die Öſtreicher den Franzoſen ganz ohne Noth zu viel<lb/>
Terrain uͤberlaſſen, ſo daß die eigenthuͤmlichen Nachtheile<lb/>
des Flußuͤberganges dadurch aufgehoben wurden.</p><lb/><p>6. Gebirge ſind das zweite Terrainhinderniß welches<lb/>
eine gute Vertheidigungslinie bildet. Entweder indem man<lb/>ſie vor ſich liegen laͤßt und ſie nur mit leichten Truppen<lb/>
beſetzt, um ſie gewiſſermaßen als einen Fluß zu betrachten<lb/>
uͤber welchen der Feind ſetzen muß und ſobald er aus den<lb/>
Paͤſſen mit einzelnen Kolonnen vordringt, uͤber eine der-<lb/>ſelben herzufallen mit der ganzen Macht; oder indem man<lb/>ſich ſelbſt hineinſtellt. In dem letztern Falle darf man<lb/>
die einzelnen Paͤſſe nur mit kleinen Korps vertheidigen<lb/>
und ein bedeutender Theil der Armee (⅓ bis ½) muß zur<lb/>
Reſerve bleiben um damit eine der durchgedrungenen Ko-<lb/>
lonnen uͤberlegen anzufallen. Man muß alſo dieſe große<lb/>
Reſerve nicht vereinzeln um das Durchdringen aller Ko-<lb/>
lonnen abſolut zu verhindern, ſondern ſich von Hauſe aus<lb/>
vorſetzen damit auf diejenigen Kolonnen zu fallen welche<lb/>
man als die ſtaͤrkſten vermuthet. Schlaͤgt man auf dieſe<lb/>
Weiſe einen bedeutenden Theil der angreifenden Armee,<lb/>ſo werden die durchgedrungenen Kolonnen ſich von ſelbſt<lb/>
wieder zuruͤckziehen.</p><lb/><p>Die Formation der meiſten Gebirge iſt von der Art<lb/>
daß ſich in der Mitte derſelben mehr oder weniger hohe<lb/>
Ebenen befinden (Plateaus), waͤhrend die nach der Ebene<lb/>
zu gelegene Seite von ſteilen Thaͤlern durchbrochen iſt,<lb/>
die die Eingaͤnge bilden. Der Vertheidiger findet alſo<lb/>
im Gebirge eine Gegend in der er ſich ſchnell rechts und<lb/>
links bewegen kann, waͤhrend die angreifenden Kolonnen<lb/>
durch ſteile unzugaͤngliche Ruͤcken von einander getrennt<lb/>ſind. Nur wenn das Gebirge von dieſer Art iſt, leidet<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[250/0264]
von ein Beiſpiel. Bei der Schlacht von Wagram hat-
ten die Öſtreicher den Franzoſen ganz ohne Noth zu viel
Terrain uͤberlaſſen, ſo daß die eigenthuͤmlichen Nachtheile
des Flußuͤberganges dadurch aufgehoben wurden.
6. Gebirge ſind das zweite Terrainhinderniß welches
eine gute Vertheidigungslinie bildet. Entweder indem man
ſie vor ſich liegen laͤßt und ſie nur mit leichten Truppen
beſetzt, um ſie gewiſſermaßen als einen Fluß zu betrachten
uͤber welchen der Feind ſetzen muß und ſobald er aus den
Paͤſſen mit einzelnen Kolonnen vordringt, uͤber eine der-
ſelben herzufallen mit der ganzen Macht; oder indem man
ſich ſelbſt hineinſtellt. In dem letztern Falle darf man
die einzelnen Paͤſſe nur mit kleinen Korps vertheidigen
und ein bedeutender Theil der Armee (⅓ bis ½) muß zur
Reſerve bleiben um damit eine der durchgedrungenen Ko-
lonnen uͤberlegen anzufallen. Man muß alſo dieſe große
Reſerve nicht vereinzeln um das Durchdringen aller Ko-
lonnen abſolut zu verhindern, ſondern ſich von Hauſe aus
vorſetzen damit auf diejenigen Kolonnen zu fallen welche
man als die ſtaͤrkſten vermuthet. Schlaͤgt man auf dieſe
Weiſe einen bedeutenden Theil der angreifenden Armee,
ſo werden die durchgedrungenen Kolonnen ſich von ſelbſt
wieder zuruͤckziehen.
Die Formation der meiſten Gebirge iſt von der Art
daß ſich in der Mitte derſelben mehr oder weniger hohe
Ebenen befinden (Plateaus), waͤhrend die nach der Ebene
zu gelegene Seite von ſteilen Thaͤlern durchbrochen iſt,
die die Eingaͤnge bilden. Der Vertheidiger findet alſo
im Gebirge eine Gegend in der er ſich ſchnell rechts und
links bewegen kann, waͤhrend die angreifenden Kolonnen
durch ſteile unzugaͤngliche Ruͤcken von einander getrennt
ſind. Nur wenn das Gebirge von dieſer Art iſt, leidet
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/264>, abgerufen am 26.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.