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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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in der Wirklichkeit nur ein Analogon des Wahren p1c_053.002
und Guten bemerkt werden.

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§. 5.

p1c_053.004
Die vermittelnden Theorieen und bedingten p1c_053.005
Künste des Lebens, welche in der Wirklichkeit p1c_053.006
oder Realität immer nichts, als ein schwaches Analogon p1c_053.007
des Wahren und Guten demonstriren und hervorbringen p1c_053.008
können, würden das instinktfreye Leben p1c_053.009
nicht hinlänglich nähren und im Eifer unterhalten können. p1c_053.010
Das Leben würde ermatten über dem ewigen p1c_053.011
Zwiespalt der höchsten innern Form, und der unendlichen p1c_053.012
widerstrebenden äußern Materie, gelänge es p1c_053.013
nicht dem menschlichen Geiste, in heiligen Augenblicken p1c_053.014
eine Vorempfindung, eine Ahnung davon zu haben, p1c_053.015
daß real und ideal, Geist und Natur eigentlich p1c_053.016
Eins sey, daß alles gedachte Wahre und geforderte p1c_053.017
Gute, auch wirklich sey. Daß der Mensch solche p1c_053.018
Augenblicke habe, kann nicht geläugnet werden, wie p1c_053.019
sie entstehen, kann nicht erklärt werden, weil sie über p1c_053.020
alles Bewußtseyn erhaben sind, jeden Gegensatz der p1c_053.021
Gedankenwelt aufheben, und die selige Einheit des p1c_053.022
göttlichen Seyns empfinden lassen. Soviel läßt sich

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in der Wirklichkeit nur ein Analogon des Wahren p1c_053.002
und Guten bemerkt werden.

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oder Realität immer nichts, als ein schwaches Analogon p1c_053.007
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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/111>, abgerufen am 30.04.2024.