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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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Formen zu erfinden, und das Jdeale so viel als möglich p1c_064.005
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Genie. Er muß die Vereinigung des Mannichfaltigen p1c_064.008
zur idealischen Einheit ahnen durch das Schöne. Wer die p1c_064.009
mathematische Figur zuerst construirte, stellte den p1c_064.010
Schein von etwas Jdealischem dar, und mit Recht p1c_064.011
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des Schönen, das Eins und Alles der Platoniker, p1c_064.015
(das eigentlich Jdeale) die sinnliche undeutlich gedachte p1c_064.016
Vollkommenheit von Baumgarten, die Einheit in p1c_064.017
der Mannichfaltigkeit, das Unendliche im Endlichen, das p1c_064.018
Absolute im Realen nähern sich mehr oder weniger der gegebenen, p1c_064.019
sagen mehr oder weniger bestimmt das Wahre.

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Da das Jdeale oder Urbild des Schönen p1c_064.022
durch den Widerschein nie erreicht werden kann, so

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Formen zu erfinden, und das Jdeale so viel als möglich p1c_064.005
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nannte die Platonische Philosophie den Zirkel eine schöne p1c_064.012
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sagen mehr oder weniger bestimmt das Wahre.

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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/122>, abgerufen am 01.05.2024.