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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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Untergattungen und Modificationen des Schönen p1c_471.002
herrschend seyn. Es wird also eben auch komische, satyrische, p1c_471.003
idyllische Gedichte u. s. w. lyrischer Art geben.

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Anmerk. 2. Wir wählen den Ausdruck: darstellende p1c_471.005
Dichtkunst. Aristoteles und selbst Plato p1c_471.006
reden von einer nachahmenden Poesie. Allein die Gegenstände p1c_471.007
der wirklichen Welt sollen nicht blos nachgeahmt, p1c_471.008
sondern unter einem idealen Schein dargestellt p1c_471.009
werden, den sie für die Sinne allein nicht haben. Die Jllusion p1c_471.010
soll dadurch entstehen, daß etwas Wirkliches als p1c_471.011
ideal erscheint, nicht dadurch, daß etwas Jdeales dem p1c_471.012
Wirklichen gleicht. Dieser Begriff von Jllusion sollte p1c_471.013
immer mehr, selbst bey den dramatischen Darstellungen, zum p1c_471.014
Grunde gelegt werden, wiewohl das Publikum noch sehr an p1c_471.015
dem alten falschen Begriff von Jllusion hängt.

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§. 6.

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Die darstellende Poesie soll, um das Gefühl p1c_471.018
der Schönheit zu erwecken, bestimmte individuelle Objekte p1c_471.019
idealisiren, unter dem Schein der Jdeen aufführen. p1c_471.020
Das Wesen der darstellenden Poesie besteht p1c_471.021
also nicht blos in einem poetischen Styl, sondern in p1c_471.022
poetischen, d. h. idealisirten Objekten oder objektivisirten p1c_471.023
Jdeen (Jdealen). Nun sucht das Jdeale, p1c_471.024
wie wir oben bemerkt haben, unter vier objektiven Ansichten p1c_471.025
zu erscheinen. Als absolute Caussalität oder

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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/529>, abgerufen am 27.04.2024.