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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

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zeugt
von Gott, strafte dafür selbst, nicht leidend, wie p1c_030.002
ein Sokrates, nein, nach freyer Willensbestimmung sein p1c_030.003
Jndividuum mit dem Tode, und gab nun rein und unbefleckt p1c_030.004
seine göttliche Natur dem Vater der Liebe, der im p1c_030.005
Sohne sein verherrlichtes Bild erblickt hatte, wieder. Aber p1c_030.006
nicht geendet war damit die Wohlthat, die Menschheit nicht p1c_030.007
verlassen. Er, der einzige berufene Lehrer der Menschheit, p1c_030.008
sandte seinen Geist, Gott, kommend von Gott, und p1c_030.009
wie Gott, daß er in der Menschheit wohne, und sie heilige p1c_030.010
zur gleichen Göttlichkeit. Und das große unbegreifliche p1c_030.011
nie auszudenkende Wunder der Offenbarung geschah, und p1c_030.012
wiedergeboren wurden die Menschen, und lernten, wie ihr p1c_030.013
großer Meister sich erheben über ihr zeitliches Selbst, und p1c_030.014
neu schaffen die Welt und aufblicken zum Himmel, und gewinnen p1c_030.015
das höhere Leben, und sich halten an das ewige p1c_030.016
Wort der Liebe, das die Welt schuf, und einsehn, daß der p1c_030.017
ungläubige Egoismus die Hölle der Schöpfung sey, daß der p1c_030.018
Glaube uns immer höher ins geistige Seyn hinaufhebt, daß p1c_030.019
wir nie geboren wurden und nie sterben, sondern von Gott, p1c_030.020
aus Gott geschaffen werden in Ewigkeit."

p1c_030.021
So lautet das Symbolum unsres Glaubens. Es ist p1c_030.022
der Schluß aller Philosophie. Der Stein, den die Bauleute p1c_030.023
verworfen haben, ist zum Eckstein worden.

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Anmerk. 2. Aus dem vorhergehenden läßt sich p1c_030.025
nun die Erklärung des §. herleiten. Poetik ist nicht p1c_030.026
Wissenschaft. Aristoteles konnte nicht eher schreiben,

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von Gott, strafte dafür selbst, nicht leidend, wie p1c_030.002
ein Sokrates, nein, nach freyer Willensbestimmung sein p1c_030.003
Jndividuum mit dem Tode, und gab nun rein und unbefleckt p1c_030.004
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wie Gott, daß er in der Menschheit wohne, und sie heilige p1c_030.010
zur gleichen Göttlichkeit. Und das große unbegreifliche p1c_030.011
nie auszudenkende Wunder der Offenbarung geschah, und p1c_030.012
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großer Meister sich erheben über ihr zeitliches Selbst, und p1c_030.014
neu schaffen die Welt und aufblicken zum Himmel, und gewinnen p1c_030.015
das höhere Leben, und sich halten an das ewige p1c_030.016
Wort der Liebe, das die Welt schuf, und einsehn, daß der p1c_030.017
ungläubige Egoismus die Hölle der Schöpfung sey, daß der p1c_030.018
Glaube uns immer höher ins geistige Seyn hinaufhebt, daß p1c_030.019
wir nie geboren wurden und nie sterben, sondern von Gott, p1c_030.020
aus Gott geschaffen werden in Ewigkeit.“

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So lautet das Symbolum unsres Glaubens. Es ist p1c_030.022
der Schluß aller Philosophie. Der Stein, den die Bauleute p1c_030.023
verworfen haben, ist zum Eckstein worden.

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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/88>, abgerufen am 02.05.2024.