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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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da erfuhr ich --" (Adam improvisirte eben wieder
einmal) -- "daß wir so etwas wie .. wie -- ver-
zeihen Sie! -- das Wort ist eigentlich häßlich, aber
man hat es nun einmal so an der Hand -- da erfuhr
ich also, daß wir "Collegen" wären. Sie haben auch
schon verschiedene philosophische Schriften veröffent-
licht -- ich allerdings .. noch nicht -- aber die
Philosophie ist doch das Einzige geblieben, was mir
noch ein gewisses Interesse einflößt. Im Uebrigen
.. mein Gott! Man wird alt und müde, nicht
wahr? -- "blasirt" .. nicht wahr? -- gate ...
rate .."

"So .. so! .. Aber bitte .. nehmen Sie doch
Platz, Herr Doctor .. Ich habe leider keine Ge-
walt mehr über mich .. kann mich nur wenig be-
wegen .. Sie müssen mir schon erlauben, hier sitzen
zu bleiben ..."

Die Worte waren leise, mühsam, fast ohne jede
Tonfärbung gesprochen. Auf dem bleichen Gesicht
Herrn Irmers lag ein Ausdruck, der halb Hülflosig-
keit, halb Verlegenheit verrieth. Irmer war nicht
gewöhnt, Besuche zu empfangen. Zudem befremdete
ihn wohl auch die etwas burschikose Art, die abge-
brochene Geständnißhaftigkeit Adams.

Adam schob seinen großen Schlapphut nachlässig
ungenirt in ein Fach des Bücherrücks und warf
sich in die Sophaecke.

Eine Pause entstand. Doctor Irmer blickte
fragend, erwartend, verlegen zu seinem Gaste hinüber.

"Sie schriftstellern also auch?" fragte er endlich.

da erfuhr ich —“ (Adam improviſirte eben wieder
einmal) — „daß wir ſo etwas wie .. wie — ver-
zeihen Sie! — das Wort iſt eigentlich häßlich, aber
man hat es nun einmal ſo an der Hand — da erfuhr
ich alſo, daß wir „Collegen“ wären. Sie haben auch
ſchon verſchiedene philoſophiſche Schriften veröffent-
licht — ich allerdings .. noch nicht — aber die
Philoſophie iſt doch das Einzige geblieben, was mir
noch ein gewiſſes Intereſſe einflößt. Im Uebrigen
.. mein Gott! Man wird alt und müde, nicht
wahr? — „blaſirt“ .. nicht wahr? — gâté ...
râté ..“

„So .. ſo! .. Aber bitte .. nehmen Sie doch
Platz, Herr Doctor .. Ich habe leider keine Ge-
walt mehr über mich .. kann mich nur wenig be-
wegen .. Sie müſſen mir ſchon erlauben, hier ſitzen
zu bleiben ...“

Die Worte waren leiſe, mühſam, faſt ohne jede
Tonfärbung geſprochen. Auf dem bleichen Geſicht
Herrn Irmers lag ein Ausdruck, der halb Hülfloſig-
keit, halb Verlegenheit verrieth. Irmer war nicht
gewöhnt, Beſuche zu empfangen. Zudem befremdete
ihn wohl auch die etwas burſchikoſe Art, die abge-
brochene Geſtändnißhaftigkeit Adams.

Adam ſchob ſeinen großen Schlapphut nachläſſig
ungenirt in ein Fach des Bücherrücks und warf
ſich in die Sophaecke.

Eine Pauſe entſtand. Doctor Irmer blickte
fragend, erwartend, verlegen zu ſeinem Gaſte hinüber.

„Sie ſchriftſtellern alſo auch?“ fragte er endlich.

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[110/0118] da erfuhr ich —“ (Adam improviſirte eben wieder einmal) — „daß wir ſo etwas wie .. wie — ver- zeihen Sie! — das Wort iſt eigentlich häßlich, aber man hat es nun einmal ſo an der Hand — da erfuhr ich alſo, daß wir „Collegen“ wären. Sie haben auch ſchon verſchiedene philoſophiſche Schriften veröffent- licht — ich allerdings .. noch nicht — aber die Philoſophie iſt doch das Einzige geblieben, was mir noch ein gewiſſes Intereſſe einflößt. Im Uebrigen .. mein Gott! Man wird alt und müde, nicht wahr? — „blaſirt“ .. nicht wahr? — gâté ... râté ..“ „So .. ſo! .. Aber bitte .. nehmen Sie doch Platz, Herr Doctor .. Ich habe leider keine Ge- walt mehr über mich .. kann mich nur wenig be- wegen .. Sie müſſen mir ſchon erlauben, hier ſitzen zu bleiben ...“ Die Worte waren leiſe, mühſam, faſt ohne jede Tonfärbung geſprochen. Auf dem bleichen Geſicht Herrn Irmers lag ein Ausdruck, der halb Hülfloſig- keit, halb Verlegenheit verrieth. Irmer war nicht gewöhnt, Beſuche zu empfangen. Zudem befremdete ihn wohl auch die etwas burſchikoſe Art, die abge- brochene Geſtändnißhaftigkeit Adams. Adam ſchob ſeinen großen Schlapphut nachläſſig ungenirt in ein Fach des Bücherrücks und warf ſich in die Sophaecke. Eine Pauſe entſtand. Doctor Irmer blickte fragend, erwartend, verlegen zu ſeinem Gaſte hinüber. „Sie ſchriftſtellern alſo auch?“ fragte er endlich.

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/118>, abgerufen am 07.05.2024.