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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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multuarische am Weibe ... das plötzlich Hervor-
brechende, elementar Hinreißende. Und doch reizte
ihn im Grunde ein Weib ... jedes Weib nur so
lange, als es sich ihm entzog, als es seine Selbst-
ständigkeit mit starkem Nachdruck aufrechterhielt.
Die geringste Nachgiebigkeit kühlte ihn ab ... kühlte
ihn besonders dann sofort ab, wenn sie mit
einer gewissen Apathie und gleichgültigen Nach-
lässigkeit in Scene gesetzt wurde. Adam liebte es,
Quellen aus Felsen zu schlagen. Die erste stür-
mische Glut, mit der das junge Wasser an's Licht
trat, reizte ihn. Nachher ... nachher wurde ihm das
Wasser in der Regel bald .. bald sehr, sehr lang-
weilig. Er beobachtete es höchstens noch mit dem
Interesse des objectiven Wissenschaftlers. Nein! nein!
Das war Unsinn -- er liebte Hedwig nicht ...
nicht im Mindesten. Wie war er nur in aller
Welt darauf gekommen, sich das einzubilden, sich
das vorzudeclamiren! Es dünkte ihn nur pikant ...
weiter nichts als pikant, auf sie zu wirken, sie zu
beeinflussen, sie zu beunruhigen ... in den zähen, träge
geronnenen Lauf ihres verstockten und verkümmerten
Lebens allerlei neues, eckiges, strudelerweckendes
Zeug hineinzuwerfen. Er wußte, daß er das Weib
eines Tages einmal küssen würde. Vielleicht war
er auch im Stande, im Aufruhr der Stunde noch
intimere Leidenschaftsbeweise zu erzwingen. Und
dann? Dann mußte er die angebissene Frucht nach
den Gesetzen seines Organismus eben wegwerfen.
Eine grausame Unzuverlässigkeit gehörte ihm an.

multuariſche am Weibe ... das plötzlich Hervor-
brechende, elementar Hinreißende. Und doch reizte
ihn im Grunde ein Weib ... jedes Weib nur ſo
lange, als es ſich ihm entzog, als es ſeine Selbſt-
ſtändigkeit mit ſtarkem Nachdruck aufrechterhielt.
Die geringſte Nachgiebigkeit kühlte ihn ab ... kühlte
ihn beſonders dann ſofort ab, wenn ſie mit
einer gewiſſen Apathie und gleichgültigen Nach-
läſſigkeit in Scene geſetzt wurde. Adam liebte es,
Quellen aus Felſen zu ſchlagen. Die erſte ſtür-
miſche Glut, mit der das junge Waſſer an's Licht
trat, reizte ihn. Nachher ... nachher wurde ihm das
Waſſer in der Regel bald .. bald ſehr, ſehr lang-
weilig. Er beobachtete es höchſtens noch mit dem
Intereſſe des objectiven Wiſſenſchaftlers. Nein! nein!
Das war Unſinn — er liebte Hedwig nicht ...
nicht im Mindeſten. Wie war er nur in aller
Welt darauf gekommen, ſich das einzubilden, ſich
das vorzudeclamiren! Es dünkte ihn nur pikant ...
weiter nichts als pikant, auf ſie zu wirken, ſie zu
beeinfluſſen, ſie zu beunruhigen ... in den zähen, träge
geronnenen Lauf ihres verſtockten und verkümmerten
Lebens allerlei neues, eckiges, ſtrudelerweckendes
Zeug hineinzuwerfen. Er wußte, daß er das Weib
eines Tages einmal küſſen würde. Vielleicht war
er auch im Stande, im Aufruhr der Stunde noch
intimere Leidenſchaftsbeweiſe zu erzwingen. Und
dann? Dann mußte er die angebiſſene Frucht nach
den Geſetzen ſeines Organismus eben wegwerfen.
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[128/0136] multuariſche am Weibe ... das plötzlich Hervor- brechende, elementar Hinreißende. Und doch reizte ihn im Grunde ein Weib ... jedes Weib nur ſo lange, als es ſich ihm entzog, als es ſeine Selbſt- ſtändigkeit mit ſtarkem Nachdruck aufrechterhielt. Die geringſte Nachgiebigkeit kühlte ihn ab ... kühlte ihn beſonders dann ſofort ab, wenn ſie mit einer gewiſſen Apathie und gleichgültigen Nach- läſſigkeit in Scene geſetzt wurde. Adam liebte es, Quellen aus Felſen zu ſchlagen. Die erſte ſtür- miſche Glut, mit der das junge Waſſer an's Licht trat, reizte ihn. Nachher ... nachher wurde ihm das Waſſer in der Regel bald .. bald ſehr, ſehr lang- weilig. Er beobachtete es höchſtens noch mit dem Intereſſe des objectiven Wiſſenſchaftlers. Nein! nein! Das war Unſinn — er liebte Hedwig nicht ... nicht im Mindeſten. Wie war er nur in aller Welt darauf gekommen, ſich das einzubilden, ſich das vorzudeclamiren! Es dünkte ihn nur pikant ... weiter nichts als pikant, auf ſie zu wirken, ſie zu beeinfluſſen, ſie zu beunruhigen ... in den zähen, träge geronnenen Lauf ihres verſtockten und verkümmerten Lebens allerlei neues, eckiges, ſtrudelerweckendes Zeug hineinzuwerfen. Er wußte, daß er das Weib eines Tages einmal küſſen würde. Vielleicht war er auch im Stande, im Aufruhr der Stunde noch intimere Leidenſchaftsbeweiſe zu erzwingen. Und dann? Dann mußte er die angebiſſene Frucht nach den Geſetzen ſeines Organismus eben wegwerfen. Eine grauſame Unzuverläſſigkeit gehörte ihm an.

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/136>, abgerufen am 07.05.2024.