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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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"Also einige Flaschen Steinberger, August, und
sagen Sie Emma, sie möchte auftragen."

"Denken Sie, Doctor, dieser junge Mann, dieser
Weinapostel, heißt August -- schrecklicher Name ...
nicht? Aber er läßt ihn sich nicht abgewöhnen ...
diese Leute haben auch ihren Stolz ... Was will
ich machen? So sehr ich mich empöre -- ich muß
mich schließlich fügen. Es bleibt mir nichts Anderes
übrig. Und der Mensch ist doch sonst ganz tüchtig
und zuverlässig ..."

Adam antwortete nicht. Eine spitze, bittere
Bemerkung lag ihm auf der Zunge. Aber er unter-
drückte sie. Da klagte ihm eine schöne, vornehme
Dame ihr Leid ... ein Leid, das im Grunde
wirklich außerordentlich schwer und herb war. Und
sie fand es der Mühe werth, an ein Nichts eine ganze
Reihe von Worten zu verschwenden. Wußte sie
wirklich nicht, daß man sich manchmal noch in ganz ...
andere Dinge fügen muß?

"So schweigsam, Herr Doctor? Warum?
Nein! ... heute Abend ... heute Abend lieber nicht!
... Melancholisch? Nun ... vielleicht löst Ihnen
der Wein die Zunge ... Lassen Sie doch die
alten, odiosen Gespenster! Bei meinem Vetter
... neulich ... fiel es mir schon auf, daß ...
doch ... hören Sie! Draußen tobt der April!
Wir wollen uns recht gemüthlich fühlen ... die
letzte, karge Wintergemüthlichkeit ... es wird leider
so bald auch außerhalb des Kalenders Frühling ...
und dann ..."

„Alſo einige Flaſchen Steinberger, Auguſt, und
ſagen Sie Emma, ſie möchte auftragen.“

„Denken Sie, Doctor, dieſer junge Mann, dieſer
Weinapoſtel, heißt Auguſt — ſchrecklicher Name ...
nicht? Aber er läßt ihn ſich nicht abgewöhnen ...
dieſe Leute haben auch ihren Stolz ... Was will
ich machen? So ſehr ich mich empöre — ich muß
mich ſchließlich fügen. Es bleibt mir nichts Anderes
übrig. Und der Menſch iſt doch ſonſt ganz tüchtig
und zuverläſſig ...“

Adam antwortete nicht. Eine ſpitze, bittere
Bemerkung lag ihm auf der Zunge. Aber er unter-
drückte ſie. Da klagte ihm eine ſchöne, vornehme
Dame ihr Leid ... ein Leid, das im Grunde
wirklich außerordentlich ſchwer und herb war. Und
ſie fand es der Mühe werth, an ein Nichts eine ganze
Reihe von Worten zu verſchwenden. Wußte ſie
wirklich nicht, daß man ſich manchmal noch in ganz ...
andere Dinge fügen muß?

„So ſchweigſam, Herr Doctor? Warum?
Nein! ... heute Abend ... heute Abend lieber nicht!
... Melancholiſch? Nun ... vielleicht löſt Ihnen
der Wein die Zunge ... Laſſen Sie doch die
alten, odioſen Geſpenſter! Bei meinem Vetter
... neulich ... fiel es mir ſchon auf, daß ...
doch ... hören Sie! Draußen tobt der April!
Wir wollen uns recht gemüthlich fühlen ... die
letzte, karge Wintergemüthlichkeit ... es wird leider
ſo bald auch außerhalb des Kalenders Frühling ...
und dann ...“

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[132/0140] „Alſo einige Flaſchen Steinberger, Auguſt, und ſagen Sie Emma, ſie möchte auftragen.“ „Denken Sie, Doctor, dieſer junge Mann, dieſer Weinapoſtel, heißt Auguſt — ſchrecklicher Name ... nicht? Aber er läßt ihn ſich nicht abgewöhnen ... dieſe Leute haben auch ihren Stolz ... Was will ich machen? So ſehr ich mich empöre — ich muß mich ſchließlich fügen. Es bleibt mir nichts Anderes übrig. Und der Menſch iſt doch ſonſt ganz tüchtig und zuverläſſig ...“ Adam antwortete nicht. Eine ſpitze, bittere Bemerkung lag ihm auf der Zunge. Aber er unter- drückte ſie. Da klagte ihm eine ſchöne, vornehme Dame ihr Leid ... ein Leid, das im Grunde wirklich außerordentlich ſchwer und herb war. Und ſie fand es der Mühe werth, an ein Nichts eine ganze Reihe von Worten zu verſchwenden. Wußte ſie wirklich nicht, daß man ſich manchmal noch in ganz ... andere Dinge fügen muß? „So ſchweigſam, Herr Doctor? Warum? Nein! ... heute Abend ... heute Abend lieber nicht! ... Melancholiſch? Nun ... vielleicht löſt Ihnen der Wein die Zunge ... Laſſen Sie doch die alten, odioſen Geſpenſter! Bei meinem Vetter ... neulich ... fiel es mir ſchon auf, daß ... doch ... hören Sie! Draußen tobt der April! Wir wollen uns recht gemüthlich fühlen ... die letzte, karge Wintergemüthlichkeit ... es wird leider ſo bald auch außerhalb des Kalenders Frühling ... und dann ...“

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/140>, abgerufen am 27.04.2024.