Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

Privatschicksalsrades zu fallen? Sollte er versuchen,
mit schnellem, kühnem Griff das an sich zu reißen,
was ihm da aus dem Dämmerungsschooße einer,
wie es schien, nicht ungnädigen Zukunft blendend
entgegengaukelte? Adam war unschlüssig. Er konnte
auch nicht anders, als unschlüssig sein. Noch zu
amorph, noch zu unklar und verschwommen lag
Alles vor ihm. Und gerade die Ungewißheit war
es ja, die ihn reizte, die ihm eine pikante Be-
rechtigung gab, Alles zu erwarten, Alles zu erhoffen.
Nachher ... nachher, wenn er seinen Sieg oder
seine Niederlage erlebt hatte, war er ja wieder in
die kalte, schneidende Winterluft seiner radicalen
Resignation, seiner brutalen Gleichgültigkeit zurück-
gestoßen. Doch auf die Dauer war ihm das Klima
dieser Eiszone unerträglich. So hatte sich mit der
Zeit bei Adam das Bedürfniß herausgebildet, sich
allerlei Möglichkeiten zu verschaffen, die seinen Hoff-
nungen, seinen Erwartungen einen möglichst großen
Spielraum gewährten, ... die bei einer günstigen
Combination zu Thatsachen werden konnten, welche
für sein Leben entscheidend waren ... entscheidend
nach der zukunftsichernden, emporführenden, Alles
versprechenden Seite hin. Vor der unmittelbaren
Prüfung jener Möglichkeiten schrak Adam zurück.
Er war nicht kleinlich, nicht feige. Aber nach dem
süßen Morphiumgift eines gewissen, nicht be-
sonders merkwürdigen, aber auch nicht gerade all-
täglichen, im Uebrigen eigentlich sehr unschädlichen
Epicureismus hatte auch schon sein Blut -- und

Privatſchickſalsrades zu fallen? Sollte er verſuchen,
mit ſchnellem, kühnem Griff das an ſich zu reißen,
was ihm da aus dem Dämmerungsſchooße einer,
wie es ſchien, nicht ungnädigen Zukunft blendend
entgegengaukelte? Adam war unſchlüſſig. Er konnte
auch nicht anders, als unſchlüſſig ſein. Noch zu
amorph, noch zu unklar und verſchwommen lag
Alles vor ihm. Und gerade die Ungewißheit war
es ja, die ihn reizte, die ihm eine pikante Be-
rechtigung gab, Alles zu erwarten, Alles zu erhoffen.
Nachher ... nachher, wenn er ſeinen Sieg oder
ſeine Niederlage erlebt hatte, war er ja wieder in
die kalte, ſchneidende Winterluft ſeiner radicalen
Reſignation, ſeiner brutalen Gleichgültigkeit zurück-
geſtoßen. Doch auf die Dauer war ihm das Klima
dieſer Eiszone unerträglich. So hatte ſich mit der
Zeit bei Adam das Bedürfniß herausgebildet, ſich
allerlei Möglichkeiten zu verſchaffen, die ſeinen Hoff-
nungen, ſeinen Erwartungen einen möglichſt großen
Spielraum gewährten, ... die bei einer günſtigen
Combination zu Thatſachen werden konnten, welche
für ſein Leben entſcheidend waren ... entſcheidend
nach der zukunftſichernden, emporführenden, Alles
verſprechenden Seite hin. Vor der unmittelbaren
Prüfung jener Möglichkeiten ſchrak Adam zurück.
Er war nicht kleinlich, nicht feige. Aber nach dem
ſüßen Morphiumgift eines gewiſſen, nicht be-
ſonders merkwürdigen, aber auch nicht gerade all-
täglichen, im Uebrigen eigentlich ſehr unſchädlichen
Epicureismus hatte auch ſchon ſein Blut — und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0151" n="143"/>
Privat&#x017F;chick&#x017F;alsrades zu fallen? Sollte er ver&#x017F;uchen,<lb/>
mit &#x017F;chnellem, kühnem Griff das an &#x017F;ich zu reißen,<lb/>
was ihm da aus dem Dämmerungs&#x017F;chooße einer,<lb/>
wie es &#x017F;chien, nicht ungnädigen Zukunft blendend<lb/>
entgegengaukelte? Adam war un&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;ig. Er konnte<lb/>
auch nicht anders, als un&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;ig &#x017F;ein. Noch zu<lb/>
amorph, noch zu unklar und ver&#x017F;chwommen lag<lb/>
Alles vor ihm. Und gerade die Ungewißheit war<lb/>
es ja, die ihn reizte, die ihm eine pikante Be-<lb/>
rechtigung gab, Alles zu erwarten, Alles zu erhoffen.<lb/>
Nachher ... nachher, wenn er &#x017F;einen Sieg oder<lb/>
&#x017F;eine Niederlage erlebt hatte, war er ja wieder in<lb/>
die kalte, &#x017F;chneidende Winterluft &#x017F;einer <choice><sic>radicaleu</sic><corr>radicalen</corr></choice><lb/>
Re&#x017F;ignation, &#x017F;einer brutalen Gleichgültigkeit zurück-<lb/>
ge&#x017F;toßen. Doch auf die Dauer war ihm das Klima<lb/>
die&#x017F;er Eiszone unerträglich. So hatte &#x017F;ich mit der<lb/>
Zeit bei Adam das Bedürfniß herausgebildet, &#x017F;ich<lb/>
allerlei Möglichkeiten zu ver&#x017F;chaffen, die &#x017F;einen Hoff-<lb/>
nungen, &#x017F;einen Erwartungen einen möglich&#x017F;t großen<lb/>
Spielraum gewährten, ... die bei einer gün&#x017F;tigen<lb/>
Combination zu That&#x017F;achen werden konnten, welche<lb/>
für &#x017F;ein Leben ent&#x017F;cheidend waren ... ent&#x017F;cheidend<lb/>
nach der zukunft&#x017F;ichernden, emporführenden, Alles<lb/>
ver&#x017F;prechenden Seite hin. Vor der unmittelbaren<lb/>
Prüfung jener Möglichkeiten &#x017F;chrak Adam zurück.<lb/>
Er war nicht kleinlich, nicht feige. Aber nach dem<lb/>
&#x017F;üßen Morphiumgift eines gewi&#x017F;&#x017F;en, nicht be-<lb/>
&#x017F;onders merkwürdigen, aber auch nicht gerade all-<lb/>
täglichen, im Uebrigen eigentlich &#x017F;ehr un&#x017F;chädlichen<lb/>
Epicureismus hatte auch &#x017F;chon &#x017F;ein Blut &#x2014; und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0151] Privatſchickſalsrades zu fallen? Sollte er verſuchen, mit ſchnellem, kühnem Griff das an ſich zu reißen, was ihm da aus dem Dämmerungsſchooße einer, wie es ſchien, nicht ungnädigen Zukunft blendend entgegengaukelte? Adam war unſchlüſſig. Er konnte auch nicht anders, als unſchlüſſig ſein. Noch zu amorph, noch zu unklar und verſchwommen lag Alles vor ihm. Und gerade die Ungewißheit war es ja, die ihn reizte, die ihm eine pikante Be- rechtigung gab, Alles zu erwarten, Alles zu erhoffen. Nachher ... nachher, wenn er ſeinen Sieg oder ſeine Niederlage erlebt hatte, war er ja wieder in die kalte, ſchneidende Winterluft ſeiner radicalen Reſignation, ſeiner brutalen Gleichgültigkeit zurück- geſtoßen. Doch auf die Dauer war ihm das Klima dieſer Eiszone unerträglich. So hatte ſich mit der Zeit bei Adam das Bedürfniß herausgebildet, ſich allerlei Möglichkeiten zu verſchaffen, die ſeinen Hoff- nungen, ſeinen Erwartungen einen möglichſt großen Spielraum gewährten, ... die bei einer günſtigen Combination zu Thatſachen werden konnten, welche für ſein Leben entſcheidend waren ... entſcheidend nach der zukunftſichernden, emporführenden, Alles verſprechenden Seite hin. Vor der unmittelbaren Prüfung jener Möglichkeiten ſchrak Adam zurück. Er war nicht kleinlich, nicht feige. Aber nach dem ſüßen Morphiumgift eines gewiſſen, nicht be- ſonders merkwürdigen, aber auch nicht gerade all- täglichen, im Uebrigen eigentlich ſehr unſchädlichen Epicureismus hatte auch ſchon ſein Blut — und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/151
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/151>, abgerufen am 01.05.2024.