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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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Augen lag die heiße Bitte, ihn nicht hinwegzustoßen.
Lydia löste jetzt sanft ihren rechten Arm frei und
strich leicht, lind, mit liebkosenden Fingern über
Adams Haar. Der aber erbebte mächtig unter
dieser weichen, zärtlichen Berührung.

Im Zimmer war es still. Nur das Licht der
Lampe surrte leise .. und ungleich, heftig hastete der
Athem der beiden Menschen, die, ganz hingenommen,
ganz berauscht von ihren verworrenen Gefühlen,
eine kleine Weile in eng zusammengeschmiegter Ge-
meinschaft beieinander waren. Zu dieser Zeit waren
beide gut, besser, denn sie je gewesen. Alles, was
das Leben in ihnen verzerrt hatte, war ausgeglichen.
Fülle und Kraft lebte in ihnen, Hoffnung, Sehn-
sucht, Erwartung und eine mächtige Gespanntheit
aller Sinne und Gefühle.

Nun richtete Lydia das Gesicht Adams mit
discretem Nachdruck zu sich empor.

"Steh auf, Adam! Wir waren einen Augenblick
zwei dumme, thörichte Kinder -- jetzt wollen wir
wieder vernünftig sein -- ja? Komm! --"

"Lydia! .."

"Na, was denn, Herr Doctor? Ich weiß gar
nicht -- -- lassen Sie mich! Bitte -- na? ..."
Die Worte waren mit zweideutiger Betonung ge-
sprochen. Es schien Frau Lange halb und halb
mit ihrem Abwehren ernst zu sein .. und doch
war ihr vielleicht eine drängende, stürmische, beharr-
liche Zärtlichkeit Adams noch mehr willkommen.

"Lydia!" bat Adam noch einmal, dringend,

Augen lag die heiße Bitte, ihn nicht hinwegzuſtoßen.
Lydia löſte jetzt ſanft ihren rechten Arm frei und
ſtrich leicht, lind, mit liebkoſenden Fingern über
Adams Haar. Der aber erbebte mächtig unter
dieſer weichen, zärtlichen Berührung.

Im Zimmer war es ſtill. Nur das Licht der
Lampe ſurrte leiſe .. und ungleich, heftig haſtete der
Athem der beiden Menſchen, die, ganz hingenommen,
ganz berauſcht von ihren verworrenen Gefühlen,
eine kleine Weile in eng zuſammengeſchmiegter Ge-
meinſchaft beieinander waren. Zu dieſer Zeit waren
beide gut, beſſer, denn ſie je geweſen. Alles, was
das Leben in ihnen verzerrt hatte, war ausgeglichen.
Fülle und Kraft lebte in ihnen, Hoffnung, Sehn-
ſucht, Erwartung und eine mächtige Geſpanntheit
aller Sinne und Gefühle.

Nun richtete Lydia das Geſicht Adams mit
discretem Nachdruck zu ſich empor.

„Steh auf, Adam! Wir waren einen Augenblick
zwei dumme, thörichte Kinder — jetzt wollen wir
wieder vernünftig ſein — ja? Komm! —“

„Lydia! ..“

„Na, was denn, Herr Doctor? Ich weiß gar
nicht — — laſſen Sie mich! Bitte — na? ...“
Die Worte waren mit zweideutiger Betonung ge-
ſprochen. Es ſchien Frau Lange halb und halb
mit ihrem Abwehren ernſt zu ſein .. und doch
war ihr vielleicht eine drängende, ſtürmiſche, beharr-
liche Zärtlichkeit Adams noch mehr willkommen.

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[152/0160] Augen lag die heiße Bitte, ihn nicht hinwegzuſtoßen. Lydia löſte jetzt ſanft ihren rechten Arm frei und ſtrich leicht, lind, mit liebkoſenden Fingern über Adams Haar. Der aber erbebte mächtig unter dieſer weichen, zärtlichen Berührung. Im Zimmer war es ſtill. Nur das Licht der Lampe ſurrte leiſe .. und ungleich, heftig haſtete der Athem der beiden Menſchen, die, ganz hingenommen, ganz berauſcht von ihren verworrenen Gefühlen, eine kleine Weile in eng zuſammengeſchmiegter Ge- meinſchaft beieinander waren. Zu dieſer Zeit waren beide gut, beſſer, denn ſie je geweſen. Alles, was das Leben in ihnen verzerrt hatte, war ausgeglichen. Fülle und Kraft lebte in ihnen, Hoffnung, Sehn- ſucht, Erwartung und eine mächtige Geſpanntheit aller Sinne und Gefühle. Nun richtete Lydia das Geſicht Adams mit discretem Nachdruck zu ſich empor. „Steh auf, Adam! Wir waren einen Augenblick zwei dumme, thörichte Kinder — jetzt wollen wir wieder vernünftig ſein — ja? Komm! —“ „Lydia! ..“ „Na, was denn, Herr Doctor? Ich weiß gar nicht — — laſſen Sie mich! Bitte — na? ...“ Die Worte waren mit zweideutiger Betonung ge- ſprochen. Es ſchien Frau Lange halb und halb mit ihrem Abwehren ernſt zu ſein .. und doch war ihr vielleicht eine drängende, ſtürmiſche, beharr- liche Zärtlichkeit Adams noch mehr willkommen. „Lydia!“ bat Adam noch einmal, dringend,

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/160>, abgerufen am 01.05.2024.