Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

Adam sprang auf -- -- nun schnellte auch Lydia
empor -- -- die beiden standen sich hart, eng
gegenüber.

"Herr Doctor --!"

Aber noch gab Adam die Partie nicht verloren.
Diese Frau trotzte ihm. Seine ganze, widerspenstige,
zu despotischem Imperium geneigte Natur brach
nun durch. Und doch ließ er sich nicht völlig von
seinem Zorne, seiner Wuth hinreißen. Ein unklares
Gefühl sagte ihm, daß eine gewisse sentimental-
nachgiebige Zurückhaltung sehr wirksam sein müßte.

"Glaubst Du mir nicht, Lydia? -- Habe ich
das verdient --?"

Frau Lange schwieg, sie war einige Schritte
nach rechts, mehr nach dem Innern des Zimmers
zu, getreten.

"Sie sind ein großer Phantast, Herr Doctor!"
nahm sie nun das Wort. "Sie bilden sich ein, daß
Sie mich .. mich .. ,lieben', wie Sie sagen -- weiter
Nichts als Einbildung, mein Herr! Wir haben beide
unser'n Stimmungen nachgegeben -- wir haben uns
überrumpeln lassen -- wir haben einen Augenblick
geträumt -- vielleicht auch .. ganz schön geträumt --
nun lassen Sie uns aber wieder wach sein -- wir
wollen ein fettes Punctum hinter diese Scene machen --
und wir wollen sie alle beide so schnell als möglich
vergessen --"

Adam wandte sich ab. "Herzlos! ." knurrte er
in ehrlicher Entrüstung, im Zwange eines ernsten,
redlichen Schmerzes, durch die Zähne.

Adam ſprang auf — — nun ſchnellte auch Lydia
empor — — die beiden ſtanden ſich hart, eng
gegenüber.

„Herr Doctor —!“

Aber noch gab Adam die Partie nicht verloren.
Dieſe Frau trotzte ihm. Seine ganze, widerſpenſtige,
zu despotiſchem Imperium geneigte Natur brach
nun durch. Und doch ließ er ſich nicht völlig von
ſeinem Zorne, ſeiner Wuth hinreißen. Ein unklares
Gefühl ſagte ihm, daß eine gewiſſe ſentimental-
nachgiebige Zurückhaltung ſehr wirkſam ſein müßte.

„Glaubſt Du mir nicht, Lydia? — Habe ich
das verdient —?“

Frau Lange ſchwieg, ſie war einige Schritte
nach rechts, mehr nach dem Innern des Zimmers
zu, getreten.

„Sie ſind ein großer Phantaſt, Herr Doctor!“
nahm ſie nun das Wort. „Sie bilden ſich ein, daß
Sie mich .. mich .. ‚lieben‘, wie Sie ſagen — weiter
Nichts als Einbildung, mein Herr! Wir haben beide
unſer'n Stimmungen nachgegeben — wir haben uns
überrumpeln laſſen — wir haben einen Augenblick
geträumt — vielleicht auch .. ganz ſchön geträumt —
nun laſſen Sie uns aber wieder wach ſein — wir
wollen ein fettes Punctum hinter dieſe Scene machen —
und wir wollen ſie alle beide ſo ſchnell als möglich
vergeſſen —“

Adam wandte ſich ab. „Herzlos! .“ knurrte er
in ehrlicher Entrüſtung, im Zwange eines ernſten,
redlichen Schmerzes, durch die Zähne.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0162" n="154"/>
Adam &#x017F;prang auf &#x2014; &#x2014; nun &#x017F;chnellte auch Lydia<lb/>
empor &#x2014; &#x2014; die beiden &#x017F;tanden &#x017F;ich hart, eng<lb/>
gegenüber.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herr Doctor &#x2014;!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Aber noch gab Adam die Partie nicht verloren.<lb/>
Die&#x017F;e Frau trotzte ihm. Seine ganze, wider&#x017F;pen&#x017F;tige,<lb/>
zu despoti&#x017F;chem Imperium geneigte Natur brach<lb/>
nun durch. Und doch ließ er &#x017F;ich nicht völlig von<lb/>
&#x017F;einem Zorne, &#x017F;einer Wuth hinreißen. Ein unklares<lb/>
Gefühl &#x017F;agte ihm, daß eine gewi&#x017F;&#x017F;e &#x017F;entimental-<lb/>
nachgiebige Zurückhaltung &#x017F;ehr wirk&#x017F;am &#x017F;ein müßte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Glaub&#x017F;t Du mir nicht, Lydia? &#x2014; Habe ich<lb/>
das verdient &#x2014;?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Frau Lange &#x017F;chwieg, &#x017F;ie war einige Schritte<lb/>
nach rechts, mehr nach dem Innern des Zimmers<lb/>
zu, getreten.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie &#x017F;ind ein großer Phanta&#x017F;t, Herr Doctor!&#x201C;<lb/>
nahm &#x017F;ie nun das Wort. &#x201E;Sie bilden &#x017F;ich ein, daß<lb/>
Sie mich .. mich .. &#x201A;lieben&#x2018;, wie Sie &#x017F;agen &#x2014; weiter<lb/>
Nichts als Einbildung, mein Herr! Wir haben beide<lb/>
un&#x017F;er'n Stimmungen nachgegeben &#x2014; wir haben uns<lb/>
überrumpeln la&#x017F;&#x017F;en &#x2014; wir haben einen Augenblick<lb/>
geträumt &#x2014; vielleicht auch .. ganz &#x017F;chön geträumt &#x2014;<lb/>
nun la&#x017F;&#x017F;en Sie uns aber wieder wach &#x017F;ein &#x2014; wir<lb/>
wollen ein fettes Punctum hinter die&#x017F;e Scene machen &#x2014;<lb/>
und wir wollen &#x017F;ie alle beide &#x017F;o &#x017F;chnell als möglich<lb/>
verge&#x017F;&#x017F;en &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Adam wandte &#x017F;ich ab. &#x201E;Herzlos! .&#x201C; knurrte er<lb/>
in ehrlicher Entrü&#x017F;tung, im Zwange eines ern&#x017F;ten,<lb/>
redlichen Schmerzes, durch die Zähne.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0162] Adam ſprang auf — — nun ſchnellte auch Lydia empor — — die beiden ſtanden ſich hart, eng gegenüber. „Herr Doctor —!“ Aber noch gab Adam die Partie nicht verloren. Dieſe Frau trotzte ihm. Seine ganze, widerſpenſtige, zu despotiſchem Imperium geneigte Natur brach nun durch. Und doch ließ er ſich nicht völlig von ſeinem Zorne, ſeiner Wuth hinreißen. Ein unklares Gefühl ſagte ihm, daß eine gewiſſe ſentimental- nachgiebige Zurückhaltung ſehr wirkſam ſein müßte. „Glaubſt Du mir nicht, Lydia? — Habe ich das verdient —?“ Frau Lange ſchwieg, ſie war einige Schritte nach rechts, mehr nach dem Innern des Zimmers zu, getreten. „Sie ſind ein großer Phantaſt, Herr Doctor!“ nahm ſie nun das Wort. „Sie bilden ſich ein, daß Sie mich .. mich .. ‚lieben‘, wie Sie ſagen — weiter Nichts als Einbildung, mein Herr! Wir haben beide unſer'n Stimmungen nachgegeben — wir haben uns überrumpeln laſſen — wir haben einen Augenblick geträumt — vielleicht auch .. ganz ſchön geträumt — nun laſſen Sie uns aber wieder wach ſein — wir wollen ein fettes Punctum hinter dieſe Scene machen — und wir wollen ſie alle beide ſo ſchnell als möglich vergeſſen —“ Adam wandte ſich ab. „Herzlos! .“ knurrte er in ehrlicher Entrüſtung, im Zwange eines ernſten, redlichen Schmerzes, durch die Zähne.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/162
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/162>, abgerufen am 30.04.2024.