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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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in [n]aher Zukunft ein neuer Wermuthskelch wieder
ein[m]al -- nicht an ihm vorübergehen würde --
daß er noch Jahre .. noch drei, vier Jahre lang
är[m]lich und erbärmlich wie die bewußte Kirchen-
ma[u]s würde leben müssen -- und die ganze Fülle
der Kräfte, die in ihm rang und stritt und nach
Au[s]bruch und Bethätigung lechzte, würde entweder
verl[e]ugnen, eindämmen, einsargen, "kaltstellen", er-
sticke[n] oder -- in ein Strombett lenken müssen, das
sein[e]n Lauf nach dem an materieller Ausbeute gewiß
reich[e]ren Meere des "praktischen" Lebens nimmt ...

[U]nd die Stunden, Wochen, Monate und Jahre
kam[e]n und gingen -- und Adam Mensch durchlebte
sie: ein Sclave seiner Armuth und ein Freier zu-
gleic[h]. Die große Fluth des Lebens umbrandete ihn.
Abe[r] er hatte kaum einen Platz an der Tafel dieses
Lebe[n]s. Durch Ertheilen von Privatunterricht ver-
dient[e] er sich nothdürftig die paar Kreuzer, die dazu
gehö[r]ten, um ihn überhaupt über Wasser zu erhalten.
Man[c]hmal, wenn es ihm gar zu heiß in der Brust
wurd[e], sprang er mitten ins Leben hinein und
spielt[e] trotzig va banque. Dann staunte er wohl
auch dieses so bunte, so verwickelte Leben an, und
es d[ü]nkte ihn bisweilen gar nicht so schwer, Fuß in
ihm [z]u fassen und auf all das tausendfältig Kleine
und [B]esondere, das sich nun plötzlich vor ihm auf-
rollte, liebevoll einzugehen. In Stunden des
Tau[m]els riß er ein verlorenes Weib an seine
Mens[ch]enbrust und lachte und schwelgte und weinte
mit [d]er Armuth und mit der Schmach. Sein

in [n]aher Zukunft ein neuer Wermuthskelch wieder
ein[m]al — nicht an ihm vorübergehen würde —
daß er noch Jahre .. noch drei, vier Jahre lang
är[m]lich und erbärmlich wie die bewußte Kirchen-
ma[u]s würde leben müſſen — und die ganze Fülle
der Kräfte, die in ihm rang und ſtritt und nach
Au[s]bruch und Bethätigung lechzte, würde entweder
verl[e]ugnen, eindämmen, einſargen, „kaltſtellen“, er-
ſticke[n] oder — in ein Strombett lenken müſſen, das
ſein[e]n Lauf nach dem an materieller Ausbeute gewiß
reich[e]ren Meere des „praktiſchen“ Lebens nimmt ...

[U]nd die Stunden, Wochen, Monate und Jahre
kam[e]n und gingen — und Adam Menſch durchlebte
ſie: ein Sclave ſeiner Armuth und ein Freier zu-
gleic[h]. Die große Fluth des Lebens umbrandete ihn.
Abe[r] er hatte kaum einen Platz an der Tafel dieſes
Lebe[n]s. Durch Ertheilen von Privatunterricht ver-
dient[e] er ſich nothdürftig die paar Kreuzer, die dazu
gehö[r]ten, um ihn überhaupt über Waſſer zu erhalten.
Man[c]hmal, wenn es ihm gar zu heiß in der Bruſt
wurd[e], ſprang er mitten ins Leben hinein und
ſpielt[e] trotzig va banque. Dann ſtaunte er wohl
auch dieſes ſo bunte, ſo verwickelte Leben an, und
es d[ü]nkte ihn bisweilen gar nicht ſo ſchwer, Fuß in
ihm [z]u faſſen und auf all das tauſendfältig Kleine
und [B]eſondere, das ſich nun plötzlich vor ihm auf-
rollte, liebevoll einzugehen. In Stunden des
Tau[m]els riß er ein verlorenes Weib an ſeine
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[15/0023] in naher Zukunft ein neuer Wermuthskelch wieder einmal — nicht an ihm vorübergehen würde — daß er noch Jahre .. noch drei, vier Jahre lang ärmlich und erbärmlich wie die bewußte Kirchen- maus würde leben müſſen — und die ganze Fülle der Kräfte, die in ihm rang und ſtritt und nach Ausbruch und Bethätigung lechzte, würde entweder verleugnen, eindämmen, einſargen, „kaltſtellen“, er- ſticken oder — in ein Strombett lenken müſſen, das ſeinen Lauf nach dem an materieller Ausbeute gewiß reicheren Meere des „praktiſchen“ Lebens nimmt ... Und die Stunden, Wochen, Monate und Jahre kamen und gingen — und Adam Menſch durchlebte ſie: ein Sclave ſeiner Armuth und ein Freier zu- gleich. Die große Fluth des Lebens umbrandete ihn. Aber er hatte kaum einen Platz an der Tafel dieſes Lebens. Durch Ertheilen von Privatunterricht ver- diente er ſich nothdürftig die paar Kreuzer, die dazu gehörten, um ihn überhaupt über Waſſer zu erhalten. Manchmal, wenn es ihm gar zu heiß in der Bruſt wurde, ſprang er mitten ins Leben hinein und ſpielte trotzig va banque. Dann ſtaunte er wohl auch dieſes ſo bunte, ſo verwickelte Leben an, und es dünkte ihn bisweilen gar nicht ſo ſchwer, Fuß in ihm zu faſſen und auf all das tauſendfältig Kleine und Beſondere, das ſich nun plötzlich vor ihm auf- rollte, liebevoll einzugehen. In Stunden des Taumels riß er ein verlorenes Weib an ſeine Menſchenbruſt und lachte und ſchwelgte und weinte mit der Armuth und mit der Schmach. Sein

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/23>, abgerufen am 15.10.2024.