Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

liches uns bevorsteht. Ich bin immer noch zu auf-
geregt, um Dir Alles in klarem Zusammenhange
mittheilen zu können. Vor Papa habe ich alle meine
innere Angst verbergen müssen, um ihn nicht noch
trauriger zu machen. Papa hat nämlich einmal --
es ist schon mehrere Jahre her -- für einen guten
Bekannten, einen Ingenieur, der kränklich war und
auf den Rath seines Arztes ein Bad besuchen sollte,
aber keine eigenen Mittel dazu besaß, für den hat
Papa eine Bürgschaft von 1000 Mark geleistet, die
sich Ferdinand, so hieß der Ingenieur, von einem
ihm bekannten Bankier geliehen hatte. Papa war
damals noch Universitätslehrer in der Schweiz und
uns ging es ganz gut. Ferdinand -- ach! Adam --
es wird mir so schwer, Dir das zu schreiben, aber
Du mußt es doch einmal erfahren, war mein Ver-
lobter und ist der Vater meines Kindes, das bald
nach seiner Geburt starb. Verdamme mich nicht,
Geliebter. Ich habe gefehlt, aber ich habe hart
büßen müssen dafür. Ich kann Dir jetzt nicht die
ganze Tragödie schreiben. Ich bin zu aufgeregt
dazu. Ferdinand war damals im Bade. Dann kam
der Bruch, der unvermeidlich war. Ich will Dir
das Alles mündlich noch mittheilen, wenn Du
es wissen willst. Später, bald nach meiner Nieder-
kunft, sind wir hierher übergesiedelt. Die Verhält-
nisse zwangen uns dazu. Papa war nicht beliebt
bei seinen Collegen, hatte keine Protektion und
wurde nicht befördert. Und dann kam mein Fehltritt
hinzu. Nun erhielt Papa heute Morgen einen Brief

liches uns bevorſteht. Ich bin immer noch zu auf-
geregt, um Dir Alles in klarem Zuſammenhange
mittheilen zu können. Vor Papa habe ich alle meine
innere Angſt verbergen müſſen, um ihn nicht noch
trauriger zu machen. Papa hat nämlich einmal —
es iſt ſchon mehrere Jahre her — für einen guten
Bekannten, einen Ingenieur, der kränklich war und
auf den Rath ſeines Arztes ein Bad beſuchen ſollte,
aber keine eigenen Mittel dazu beſaß, für den hat
Papa eine Bürgſchaft von 1000 Mark geleiſtet, die
ſich Ferdinand, ſo hieß der Ingenieur, von einem
ihm bekannten Bankier geliehen hatte. Papa war
damals noch Univerſitätslehrer in der Schweiz und
uns ging es ganz gut. Ferdinand — ach! Adam —
es wird mir ſo ſchwer, Dir das zu ſchreiben, aber
Du mußt es doch einmal erfahren, war mein Ver-
lobter und iſt der Vater meines Kindes, das bald
nach ſeiner Geburt ſtarb. Verdamme mich nicht,
Geliebter. Ich habe gefehlt, aber ich habe hart
büßen müſſen dafür. Ich kann Dir jetzt nicht die
ganze Tragödie ſchreiben. Ich bin zu aufgeregt
dazu. Ferdinand war damals im Bade. Dann kam
der Bruch, der unvermeidlich war. Ich will Dir
das Alles mündlich noch mittheilen, wenn Du
es wiſſen willſt. Später, bald nach meiner Nieder-
kunft, ſind wir hierher übergeſiedelt. Die Verhält-
niſſe zwangen uns dazu. Papa war nicht beliebt
bei ſeinen Collegen, hatte keine Protektion und
wurde nicht befördert. Und dann kam mein Fehltritt
hinzu. Nun erhielt Papa heute Morgen einen Brief

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0373" n="365"/>
liches uns bevor&#x017F;teht. Ich bin immer noch zu auf-<lb/>
geregt, um Dir Alles in klarem Zu&#x017F;ammenhange<lb/>
mittheilen zu können. Vor Papa habe ich alle meine<lb/>
innere Ang&#x017F;t verbergen mü&#x017F;&#x017F;en, um ihn nicht noch<lb/>
trauriger zu machen. Papa hat nämlich einmal &#x2014;<lb/>
es i&#x017F;t &#x017F;chon mehrere Jahre her &#x2014; für einen guten<lb/>
Bekannten, einen Ingenieur, der kränklich war und<lb/>
auf den Rath &#x017F;eines Arztes ein Bad be&#x017F;uchen &#x017F;ollte,<lb/>
aber keine eigenen Mittel dazu be&#x017F;aß, für den hat<lb/>
Papa eine Bürg&#x017F;chaft von 1000 Mark gelei&#x017F;tet, die<lb/>
&#x017F;ich Ferdinand, &#x017F;o hieß der Ingenieur, von einem<lb/>
ihm bekannten Bankier geliehen hatte. Papa war<lb/>
damals noch Univer&#x017F;itätslehrer in der Schweiz und<lb/>
uns ging es ganz gut. Ferdinand &#x2014; ach! Adam &#x2014;<lb/>
es wird mir &#x017F;o &#x017F;chwer, Dir das zu &#x017F;chreiben, aber<lb/>
Du mußt es doch einmal erfahren, war mein Ver-<lb/>
lobter und i&#x017F;t der Vater meines Kindes, das bald<lb/>
nach &#x017F;einer Geburt &#x017F;tarb. Verdamme mich nicht,<lb/>
Geliebter. Ich habe gefehlt, aber ich habe hart<lb/>
büßen mü&#x017F;&#x017F;en dafür. Ich kann Dir jetzt nicht die<lb/>
ganze Tragödie &#x017F;chreiben. Ich bin zu aufgeregt<lb/>
dazu. Ferdinand war damals im Bade. Dann kam<lb/>
der Bruch, der unvermeidlich war. Ich will Dir<lb/>
das Alles mündlich noch mittheilen, wenn Du<lb/>
es wi&#x017F;&#x017F;en will&#x017F;t. Später, bald nach meiner Nieder-<lb/>
kunft, &#x017F;ind wir hierher überge&#x017F;iedelt. Die Verhält-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e zwangen uns dazu. Papa war nicht beliebt<lb/>
bei &#x017F;einen Collegen, hatte keine Protektion und<lb/>
wurde nicht befördert. Und dann kam mein Fehltritt<lb/>
hinzu. Nun erhielt Papa heute Morgen einen Brief<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[365/0373] liches uns bevorſteht. Ich bin immer noch zu auf- geregt, um Dir Alles in klarem Zuſammenhange mittheilen zu können. Vor Papa habe ich alle meine innere Angſt verbergen müſſen, um ihn nicht noch trauriger zu machen. Papa hat nämlich einmal — es iſt ſchon mehrere Jahre her — für einen guten Bekannten, einen Ingenieur, der kränklich war und auf den Rath ſeines Arztes ein Bad beſuchen ſollte, aber keine eigenen Mittel dazu beſaß, für den hat Papa eine Bürgſchaft von 1000 Mark geleiſtet, die ſich Ferdinand, ſo hieß der Ingenieur, von einem ihm bekannten Bankier geliehen hatte. Papa war damals noch Univerſitätslehrer in der Schweiz und uns ging es ganz gut. Ferdinand — ach! Adam — es wird mir ſo ſchwer, Dir das zu ſchreiben, aber Du mußt es doch einmal erfahren, war mein Ver- lobter und iſt der Vater meines Kindes, das bald nach ſeiner Geburt ſtarb. Verdamme mich nicht, Geliebter. Ich habe gefehlt, aber ich habe hart büßen müſſen dafür. Ich kann Dir jetzt nicht die ganze Tragödie ſchreiben. Ich bin zu aufgeregt dazu. Ferdinand war damals im Bade. Dann kam der Bruch, der unvermeidlich war. Ich will Dir das Alles mündlich noch mittheilen, wenn Du es wiſſen willſt. Später, bald nach meiner Nieder- kunft, ſind wir hierher übergeſiedelt. Die Verhält- niſſe zwangen uns dazu. Papa war nicht beliebt bei ſeinen Collegen, hatte keine Protektion und wurde nicht befördert. Und dann kam mein Fehltritt hinzu. Nun erhielt Papa heute Morgen einen Brief

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/373
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/373>, abgerufen am 06.05.2024.