Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

Einmal dachte Adam auch an den Selbstmord.
Das war zu komisch. Hatte er denn ganz vergessen,
daß er zum Leben "verurtheilt" war? Hatte er das
nur einen Augenblick vergessen können --? Ja! Es
war doch möglich gewesen. Merkwürdig! Merkwürdig!
Oh! Und er besaß ja nicht einmal mehr die Größe
und die Gewalt der Seele, die schmerzlich süßen
Wollustschauer eines Galaselbstmords genießen zu
können. Das kritische Delirium hatte Alles zermalmt,
Alles, Alles. Ja! Ja! das war das curiose Märchen
von der Analyse und von der Synthese, die sich so
gut zu vertragen wissen ... Adam lächelte. Das
Leben hatte ihn wieder. --

Eines Morgens fühlte er sich besonders behag-
lich. Er hatte gut, besser wenigstens, denn gewöhn-
lich, geschlafen, schleimige Träume hatten ihn ver-
schont, er fühlte sich stärker, freier, flüssiger, auf das
Spiel der Menschen und Dinge .. und auf das Mit-
spielen gestimmter. Er trank seinen Kaffee und rauchte
mit großem Genuß seine Morgencigarette. Er lehnte
sich zurück und dachte an Lydia. Er nahm sich vor,
ihr heute zu schreiben, ganz bestimmt zu schreiben,
sie könnte sonst leicht auf allerlei Gedanken kommen
-- und das hatte sicher seine Schattenseiten und
Nachtheile für ihn. Er verdankte ihr doch eigentlich
recht Viel, es wäre barbarisch dumm gewesen, leicht-
sinnig wieder fahren zu lassen, was sie ihm aus Liebe
entgegengebracht. Ja! Nun er sich zum ersten Male
wieder werkthätiger aufgelegt fühlte, fand er seine
Bräutigamsschaft äußerst famos und praktisch. Es

Einmal dachte Adam auch an den Selbſtmord.
Das war zu komiſch. Hatte er denn ganz vergeſſen,
daß er zum Leben „verurtheilt“ war? Hatte er das
nur einen Augenblick vergeſſen können —? Ja! Es
war doch möglich geweſen. Merkwürdig! Merkwürdig!
Oh! Und er beſaß ja nicht einmal mehr die Größe
und die Gewalt der Seele, die ſchmerzlich ſüßen
Wolluſtſchauer eines Galaſelbſtmords genießen zu
können. Das kritiſche Delirium hatte Alles zermalmt,
Alles, Alles. Ja! Ja! das war das curioſe Märchen
von der Analyſe und von der Syntheſe, die ſich ſo
gut zu vertragen wiſſen ... Adam lächelte. Das
Leben hatte ihn wieder. —

Eines Morgens fühlte er ſich beſonders behag-
lich. Er hatte gut, beſſer wenigſtens, denn gewöhn-
lich, geſchlafen, ſchleimige Träume hatten ihn ver-
ſchont, er fühlte ſich ſtärker, freier, flüſſiger, auf das
Spiel der Menſchen und Dinge .. und auf das Mit-
ſpielen geſtimmter. Er trank ſeinen Kaffee und rauchte
mit großem Genuß ſeine Morgencigarette. Er lehnte
ſich zurück und dachte an Lydia. Er nahm ſich vor,
ihr heute zu ſchreiben, ganz beſtimmt zu ſchreiben,
ſie könnte ſonſt leicht auf allerlei Gedanken kommen
— und das hatte ſicher ſeine Schattenſeiten und
Nachtheile für ihn. Er verdankte ihr doch eigentlich
recht Viel, es wäre barbariſch dumm geweſen, leicht-
ſinnig wieder fahren zu laſſen, was ſie ihm aus Liebe
entgegengebracht. Ja! Nun er ſich zum erſten Male
wieder werkthätiger aufgelegt fühlte, fand er ſeine
Bräutigamsſchaft äußerſt famos und praktiſch. Es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0469" n="461"/>
        <p>Einmal dachte Adam auch an den Selb&#x017F;tmord.<lb/>
Das war zu komi&#x017F;ch. Hatte er denn ganz verge&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß er zum Leben &#x201E;verurtheilt&#x201C; war? Hatte er das<lb/>
nur einen Augenblick verge&#x017F;&#x017F;en können &#x2014;? Ja! Es<lb/>
war doch möglich gewe&#x017F;en. Merkwürdig! Merkwürdig!<lb/>
Oh! Und er be&#x017F;aß ja nicht einmal mehr die Größe<lb/>
und die Gewalt der Seele, die &#x017F;chmerzlich &#x017F;üßen<lb/>
Wollu&#x017F;t&#x017F;chauer eines Gala&#x017F;elb&#x017F;tmords genießen zu<lb/>
können. Das kriti&#x017F;che Delirium hatte Alles zermalmt,<lb/>
Alles, Alles. Ja! Ja! das war das curio&#x017F;e Märchen<lb/>
von der Analy&#x017F;e und von der Synthe&#x017F;e, die &#x017F;ich &#x017F;o<lb/>
gut zu vertragen wi&#x017F;&#x017F;en ... Adam lächelte. Das<lb/>
Leben hatte ihn wieder. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Eines Morgens fühlte er &#x017F;ich be&#x017F;onders behag-<lb/>
lich. Er hatte gut, be&#x017F;&#x017F;er wenig&#x017F;tens, denn gewöhn-<lb/>
lich, ge&#x017F;chlafen, &#x017F;chleimige Träume hatten ihn ver-<lb/>
&#x017F;chont, er fühlte &#x017F;ich &#x017F;tärker, freier, flü&#x017F;&#x017F;iger, auf das<lb/>
Spiel der Men&#x017F;chen und Dinge .. und auf das Mit-<lb/>
&#x017F;pielen ge&#x017F;timmter. Er trank &#x017F;einen Kaffee und rauchte<lb/>
mit großem Genuß &#x017F;eine Morgencigarette. Er lehnte<lb/>
&#x017F;ich zurück und dachte an Lydia. Er nahm &#x017F;ich vor,<lb/>
ihr heute zu &#x017F;chreiben, ganz be&#x017F;timmt zu &#x017F;chreiben,<lb/>
&#x017F;ie könnte &#x017F;on&#x017F;t leicht auf allerlei Gedanken kommen<lb/>
&#x2014; und das hatte &#x017F;icher &#x017F;eine Schatten&#x017F;eiten und<lb/>
Nachtheile für ihn. Er verdankte ihr doch eigentlich<lb/>
recht Viel, es wäre barbari&#x017F;ch dumm gewe&#x017F;en, leicht-<lb/>
&#x017F;innig wieder fahren zu la&#x017F;&#x017F;en, was &#x017F;ie ihm aus Liebe<lb/>
entgegengebracht. Ja! Nun er &#x017F;ich zum er&#x017F;ten Male<lb/>
wieder werkthätiger aufgelegt fühlte, fand er &#x017F;eine<lb/>
Bräutigams&#x017F;chaft äußer&#x017F;t famos und prakti&#x017F;ch. Es<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[461/0469] Einmal dachte Adam auch an den Selbſtmord. Das war zu komiſch. Hatte er denn ganz vergeſſen, daß er zum Leben „verurtheilt“ war? Hatte er das nur einen Augenblick vergeſſen können —? Ja! Es war doch möglich geweſen. Merkwürdig! Merkwürdig! Oh! Und er beſaß ja nicht einmal mehr die Größe und die Gewalt der Seele, die ſchmerzlich ſüßen Wolluſtſchauer eines Galaſelbſtmords genießen zu können. Das kritiſche Delirium hatte Alles zermalmt, Alles, Alles. Ja! Ja! das war das curioſe Märchen von der Analyſe und von der Syntheſe, die ſich ſo gut zu vertragen wiſſen ... Adam lächelte. Das Leben hatte ihn wieder. — Eines Morgens fühlte er ſich beſonders behag- lich. Er hatte gut, beſſer wenigſtens, denn gewöhn- lich, geſchlafen, ſchleimige Träume hatten ihn ver- ſchont, er fühlte ſich ſtärker, freier, flüſſiger, auf das Spiel der Menſchen und Dinge .. und auf das Mit- ſpielen geſtimmter. Er trank ſeinen Kaffee und rauchte mit großem Genuß ſeine Morgencigarette. Er lehnte ſich zurück und dachte an Lydia. Er nahm ſich vor, ihr heute zu ſchreiben, ganz beſtimmt zu ſchreiben, ſie könnte ſonſt leicht auf allerlei Gedanken kommen — und das hatte ſicher ſeine Schattenſeiten und Nachtheile für ihn. Er verdankte ihr doch eigentlich recht Viel, es wäre barbariſch dumm geweſen, leicht- ſinnig wieder fahren zu laſſen, was ſie ihm aus Liebe entgegengebracht. Ja! Nun er ſich zum erſten Male wieder werkthätiger aufgelegt fühlte, fand er ſeine Bräutigamsſchaft äußerſt famos und praktiſch. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/469
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/469>, abgerufen am 28.04.2024.