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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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besen und lebenslänglicher Einsperrung verurtheilten.
Man wußte, welche Mühe sich der Hof gegeben hatte, um
die Verurtheilung Rohans zu erlangen; mit um so größe-
rem Jubel gab eine unermeßliche Volksmenge dem Losge-
sprochenen das Geleite zuerst zurück in die Bastille und
dann zu seinem Palast. Als darauf die Entlassung Rohans
von seiner Würde als Großalmosenier und seine Confinirung
in eine Abtei erfolgte, erblickte man hierin eine unwürdige
Rache der Königin, und als nun gar die Lamotte nach
kurzer Gefangenschaft entkam, von England aus mit einer
Denkschrift drohte, war der Hof schwach genug ihr diese für
eine große Summe abzukaufen. Nichts desto weniger erschien
das Pasquill und die Ehre der Königin unterlag fortan
den unwürdigsten und unverdientesten Beschuldigungen.
Der in den stolzen Rohans tief gekränkte hohe Adel mischte
der unfläthigen Schmähung der Menge den ätzenden Scharf-
sinn der Verläumdung bei, und auch die Schwäche des
Königs ging nicht leer aus.

Kurze Zeit darauf kündigte Calonne seinem Gebieter
an, man müsse Bankerutt machen oder eine Versammlung
der Notabeln berufen.

Bis jetzt, wenn man Alles sich recht erwägt, tragen
an dem was in Frankreich geschah, die vielverklagten hoh-
len Speculationen, welche die wirklichen Verhältnisse über-
springen wollen, gar keine Schuld. Denn da wo der
Staat allein im Könige enthalten ist, führt Unfähigkeit
von Oben eine Staatsveränderung von selbst herbei, so-

beſen und lebenslänglicher Einſperrung verurtheilten.
Man wußte, welche Mühe ſich der Hof gegeben hatte, um
die Verurtheilung Rohans zu erlangen; mit um ſo größe-
rem Jubel gab eine unermeßliche Volksmenge dem Losge-
ſprochenen das Geleite zuerſt zurück in die Baſtille und
dann zu ſeinem Palaſt. Als darauf die Entlaſſung Rohans
von ſeiner Würde als Großalmoſenier und ſeine Confinirung
in eine Abtei erfolgte, erblickte man hierin eine unwürdige
Rache der Königin, und als nun gar die Lamotte nach
kurzer Gefangenſchaft entkam, von England aus mit einer
Denkſchrift drohte, war der Hof ſchwach genug ihr dieſe für
eine große Summe abzukaufen. Nichts deſto weniger erſchien
das Pasquill und die Ehre der Königin unterlag fortan
den unwürdigſten und unverdienteſten Beſchuldigungen.
Der in den ſtolzen Rohans tief gekränkte hohe Adel miſchte
der unfläthigen Schmähung der Menge den ätzenden Scharf-
ſinn der Verläumdung bei, und auch die Schwäche des
Königs ging nicht leer aus.

Kurze Zeit darauf kündigte Calonne ſeinem Gebieter
an, man müſſe Bankerutt machen oder eine Verſammlung
der Notabeln berufen.

Bis jetzt, wenn man Alles ſich recht erwägt, tragen
an dem was in Frankreich geſchah, die vielverklagten hoh-
len Speculationen, welche die wirklichen Verhältniſſe über-
ſpringen wollen, gar keine Schuld. Denn da wo der
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[104/0114] beſen und lebenslänglicher Einſperrung verurtheilten. Man wußte, welche Mühe ſich der Hof gegeben hatte, um die Verurtheilung Rohans zu erlangen; mit um ſo größe- rem Jubel gab eine unermeßliche Volksmenge dem Losge- ſprochenen das Geleite zuerſt zurück in die Baſtille und dann zu ſeinem Palaſt. Als darauf die Entlaſſung Rohans von ſeiner Würde als Großalmoſenier und ſeine Confinirung in eine Abtei erfolgte, erblickte man hierin eine unwürdige Rache der Königin, und als nun gar die Lamotte nach kurzer Gefangenſchaft entkam, von England aus mit einer Denkſchrift drohte, war der Hof ſchwach genug ihr dieſe für eine große Summe abzukaufen. Nichts deſto weniger erſchien das Pasquill und die Ehre der Königin unterlag fortan den unwürdigſten und unverdienteſten Beſchuldigungen. Der in den ſtolzen Rohans tief gekränkte hohe Adel miſchte der unfläthigen Schmähung der Menge den ätzenden Scharf- ſinn der Verläumdung bei, und auch die Schwäche des Königs ging nicht leer aus. Kurze Zeit darauf kündigte Calonne ſeinem Gebieter an, man müſſe Bankerutt machen oder eine Verſammlung der Notabeln berufen. Bis jetzt, wenn man Alles ſich recht erwägt, tragen an dem was in Frankreich geſchah, die vielverklagten hoh- len Speculationen, welche die wirklichen Verhältniſſe über- ſpringen wollen, gar keine Schuld. Denn da wo der Staat allein im Könige enthalten iſt, führt Unfähigkeit von Oben eine Staatsveränderung von ſelbſt herbei, ſo-

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/114>, abgerufen am 29.04.2024.