Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Vergleich Dumouriez. Dieser Durchtriebene spottete seiner
Collegen, die an Frau Rolands Arbeitstische ihre Staats-
sachen zu berathen kamen, und schuf sich sogleich ein selb-
ständiges Gebiet, indem er sich 6 Millionen für geheime
Ausgaben vorbehielt, von welchen er keine Rechenschaft
geben wollte. Bei den Jacobinern sprach Robespierre
gegen den Krieg, theils aus Misgunst gegen den Einfluß
Brissots und der Gironde, theils weil er wie so viele
Jacobiner die Constitution haßte, insofern sie einen König
enthielt, welcher leicht durch den Krieg, wie dieser auch
gehen mochte, an Macht gewinnen konnte. Niemand aber
ging mit beklommnerem Herzen in den Krieg als Ludwig.
Man sah Thränen in seinen Augen, als er am 20. April
in der Nationalversammlung dem Gutachten seines Con-
seils, von Dumouriez verlesen, seine Beistimmung ertheilte
und den Antrag machte, dem Könige von Ungarn und
Böhmen den Krieg zu erklären. Der Beschluß ward in
derselben Sitzung gefaßt. Der Widerstand der Feuillants,
so nannte man damals die Freunde der constitutionellen
Monarchie, blieb wirkungslos.

In diesem Schritte, ohne Finanzen und Heer wie man
war, lag alle Verwegenheit der Revolution, aber keine
so baare Unvernunft. Man hoffte, auf alte Eifersucht
bauend, das deutsche Reich, welches zur Zeit noch ohne
Kaiser war, und Preußen von Österreich zu trennen, man
baute auf Sympathien in Belgien. Zugleich schickte man
den Talleyrand-Perigord nach London, um, wenn es

Französische Revolution. 28

Vergleich Dumouriez. Dieſer Durchtriebene ſpottete ſeiner
Collegen, die an Frau Rolands Arbeitstiſche ihre Staats-
ſachen zu berathen kamen, und ſchuf ſich ſogleich ein ſelb-
ſtändiges Gebiet, indem er ſich 6 Millionen für geheime
Ausgaben vorbehielt, von welchen er keine Rechenſchaft
geben wollte. Bei den Jacobinern ſprach Robespierre
gegen den Krieg, theils aus Misgunſt gegen den Einfluß
Briſſots und der Gironde, theils weil er wie ſo viele
Jacobiner die Conſtitution haßte, inſofern ſie einen König
enthielt, welcher leicht durch den Krieg, wie dieſer auch
gehen mochte, an Macht gewinnen konnte. Niemand aber
ging mit beklommnerem Herzen in den Krieg als Ludwig.
Man ſah Thränen in ſeinen Augen, als er am 20. April
in der Nationalverſammlung dem Gutachten ſeines Con-
ſeils, von Dumouriez verleſen, ſeine Beiſtimmung ertheilte
und den Antrag machte, dem Könige von Ungarn und
Böhmen den Krieg zu erklären. Der Beſchluß ward in
derſelben Sitzung gefaßt. Der Widerſtand der Feuillants,
ſo nannte man damals die Freunde der conſtitutionellen
Monarchie, blieb wirkungslos.

In dieſem Schritte, ohne Finanzen und Heer wie man
war, lag alle Verwegenheit der Revolution, aber keine
ſo baare Unvernunft. Man hoffte, auf alte Eiferſucht
bauend, das deutſche Reich, welches zur Zeit noch ohne
Kaiſer war, und Preußen von Öſterreich zu trennen, man
baute auf Sympathien in Belgien. Zugleich ſchickte man
den Talleyrand-Perigord nach London, um, wenn es

Franzöſiſche Revolution. 28
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0443" n="433"/>
Vergleich Dumouriez. Die&#x017F;er Durchtriebene &#x017F;pottete &#x017F;einer<lb/>
Collegen, die an Frau Rolands Arbeitsti&#x017F;che ihre Staats-<lb/>
&#x017F;achen zu berathen kamen, und &#x017F;chuf &#x017F;ich &#x017F;ogleich ein &#x017F;elb-<lb/>
&#x017F;tändiges Gebiet, indem er &#x017F;ich 6 Millionen für geheime<lb/>
Ausgaben vorbehielt, von welchen er keine Rechen&#x017F;chaft<lb/>
geben wollte. Bei den Jacobinern &#x017F;prach Robespierre<lb/>
gegen den Krieg, theils aus Misgun&#x017F;t gegen den Einfluß<lb/>
Bri&#x017F;&#x017F;ots und der Gironde, theils weil er wie &#x017F;o viele<lb/>
Jacobiner die Con&#x017F;titution haßte, in&#x017F;ofern &#x017F;ie einen König<lb/>
enthielt, welcher leicht durch den Krieg, wie die&#x017F;er auch<lb/>
gehen mochte, an Macht gewinnen konnte. Niemand aber<lb/>
ging mit beklommnerem Herzen in den Krieg als Ludwig.<lb/>
Man &#x017F;ah Thränen in &#x017F;einen Augen, als er am 20. April<lb/>
in der Nationalver&#x017F;ammlung dem Gutachten &#x017F;eines Con-<lb/>
&#x017F;eils, von Dumouriez verle&#x017F;en, &#x017F;eine Bei&#x017F;timmung ertheilte<lb/>
und den Antrag machte, dem Könige von Ungarn und<lb/>
Böhmen den Krieg zu erklären. Der Be&#x017F;chluß ward in<lb/>
der&#x017F;elben Sitzung gefaßt. Der Wider&#x017F;tand der Feuillants,<lb/>
&#x017F;o nannte man damals die Freunde der con&#x017F;titutionellen<lb/>
Monarchie, blieb wirkungslos.</p><lb/>
          <p>In die&#x017F;em Schritte, ohne Finanzen und Heer wie man<lb/>
war, lag alle Verwegenheit der Revolution, aber keine<lb/>
&#x017F;o baare Unvernunft. Man hoffte, auf alte Eifer&#x017F;ucht<lb/>
bauend, das deut&#x017F;che Reich, welches zur Zeit noch ohne<lb/>
Kai&#x017F;er war, und Preußen von Ö&#x017F;terreich zu trennen, man<lb/>
baute auf Sympathien in Belgien. Zugleich &#x017F;chickte man<lb/>
den Talleyrand-Perigord nach London, um, wenn es<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Franzö&#x017F;i&#x017F;che Revolution. 28</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[433/0443] Vergleich Dumouriez. Dieſer Durchtriebene ſpottete ſeiner Collegen, die an Frau Rolands Arbeitstiſche ihre Staats- ſachen zu berathen kamen, und ſchuf ſich ſogleich ein ſelb- ſtändiges Gebiet, indem er ſich 6 Millionen für geheime Ausgaben vorbehielt, von welchen er keine Rechenſchaft geben wollte. Bei den Jacobinern ſprach Robespierre gegen den Krieg, theils aus Misgunſt gegen den Einfluß Briſſots und der Gironde, theils weil er wie ſo viele Jacobiner die Conſtitution haßte, inſofern ſie einen König enthielt, welcher leicht durch den Krieg, wie dieſer auch gehen mochte, an Macht gewinnen konnte. Niemand aber ging mit beklommnerem Herzen in den Krieg als Ludwig. Man ſah Thränen in ſeinen Augen, als er am 20. April in der Nationalverſammlung dem Gutachten ſeines Con- ſeils, von Dumouriez verleſen, ſeine Beiſtimmung ertheilte und den Antrag machte, dem Könige von Ungarn und Böhmen den Krieg zu erklären. Der Beſchluß ward in derſelben Sitzung gefaßt. Der Widerſtand der Feuillants, ſo nannte man damals die Freunde der conſtitutionellen Monarchie, blieb wirkungslos. In dieſem Schritte, ohne Finanzen und Heer wie man war, lag alle Verwegenheit der Revolution, aber keine ſo baare Unvernunft. Man hoffte, auf alte Eiferſucht bauend, das deutſche Reich, welches zur Zeit noch ohne Kaiſer war, und Preußen von Öſterreich zu trennen, man baute auf Sympathien in Belgien. Zugleich ſchickte man den Talleyrand-Perigord nach London, um, wenn es Franzöſiſche Revolution. 28

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/443
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/443>, abgerufen am 30.04.2024.