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Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673.

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Vom verlohrnen Sohn.
cum faciunt idem, saepe non est idem: Wann zween ein Ding
thun/ ist es darum nicht gleich ein Ding. Dann ein unglaubiger
Mensch spricht solche Wort auß Mißtrauen/ weil er mit Cain meynet/
Gott könne oder wolle ihm seine Sünde nicht verzeihen. Ein Glaubiger
aber redet sie auß freudigem Geist und guter Zuversicht/ der bey ihm die
Göttliche Verheissungen Ja und Amen seyn läßt/ und gewiß weiß/ Gott
könne und wolle alle bußfertige Sünder zu Gnaden annemmen. Des
theuren Apostels Pauli Wort/ Hebr. 6/ 4. 5. Unmüglich ists/ daß die
so einmal erleuchtet sind/ etc. wo sie abfallen/ solten wiederum
erneuert werden zur Buß/ wird und kan niemand anders annem-
men/ als von den Sünden in den H. Geist/ welche für ihre Sünde
kein ander Opffer forthin mehr haben/ Hebr. 10/ 26. Gleichwie/
zum Exempel/ die Söhne Eli solche Gesellen waren/ die sich an den Mitt-
len der Versöhnung mit Gott vergriffen/ das wußte ihr Vater wol/ dar-
um sagt er zu ihnen: Wann jemand wider einen Menschen sün-
diget/ so kans der Richter schlichten. Wann aber jemand wi-
der den HErrn sündiget/ wer kan für ihn bitten? 1. Sam. 2, 25.

Das ist ja freylich eine Milch- und Honig-süsse Lehre/ ein Geruch des
Lebens zum Leben/ ein herrlicher Trost in allen Anfechtungen/ und sonder-
lich in den letsten Zügen/ wann wir zum Vater gehen. Wolan nun/
möchte hier ein sicheres Welt-Kind gedencken/ das ist eine gute Predigt
für mich: dergleichen hätte ich längst gern gehöret. Dann also wird es
nichts zu bedeuten haben/ wann ich schon immer hin sündige/ meinem Fleisch
und Blut zu gefallen thue/ wornach es immer gelüstet/ weilen ich allezeit
wiederum zu Gnaden kommen/ und Vergebung erlangen kan? Ant-
wort: Jrre dich nicht/ Gott läßt sich nicht spotten; das ist eben das
rechte Schwerdt/ das schon viel tausend erschlagen/ das Messer/ damit
sich schon ihrer viel selbs erwürget/ und ums Leben gebracht; ist eine rech-
te teuffelische Versuchung/ da der leidige Geist den armen Menschen e dif-
fidentia in profidentiam,
von dem Zweiffel und Mißtrauen in die
gottlose Sicherheit/ und also von einem Garn ins ander treibet/ biß er
ihn verstricken und knicken mag. Da solle der Mensch bedencken 1. con-
tritionis necessitatem,
die hohe Nothwendigkeit einer wahren
Reu und Buße/ und zusehen/ daß er auch beschaffen seye/ wie der ver-
lohrne Sohn. 2, Divinae justitiae libertatem, der Göttlichen Ge-
rechtigkeit Freyheit/ GOtt hat nicht einem jeden Menschen versproch-
en allezeit die Gnade Buß zu geben; niemand/ der dieselbe einmal muth-
willig verachtet/ kan oder foll ihm die gewisse Rechnung machen/ daß er

eben
K iij

Vom verlohrnen Sohn.
cum faciunt idem, ſæpè non eſt idem: Wann zween ein Ding
thun/ iſt es darum nicht gleich ein Ding. Dann ein unglaubiger
Menſch ſpricht ſolche Wort auß Mißtrauen/ weil er mit Cain meynet/
Gott koͤnne oder wolle ihm ſeine Suͤnde nicht verzeihen. Ein Glaubiger
aber redet ſie auß freudigem Geiſt und guter Zuverſicht/ der bey ihm die
Goͤttliche Verheiſſungen Ja und Amen ſeyn laͤßt/ und gewiß weiß/ Gott
koͤnne und wolle alle bußfertige Suͤnder zu Gnaden annemmen. Des
theuren Apoſtels Pauli Wort/ Hebr. 6/ 4. 5. Unmuͤglich iſts/ daß die
ſo einmal erleuchtet ſind/ ꝛc. wo ſie abfallen/ ſolten wiederum
erneuert werden zur Buß/ wird und kan niemand anders annem-
men/ als von den Suͤnden in den H. Geiſt/ welche fuͤr ihre Suͤnde
kein ander Opffer forthin mehr haben/ Hebr. 10/ 26. Gleichwie/
zum Exempel/ die Soͤhne Eli ſolche Geſellen waren/ die ſich an den Mitt-
len der Verſoͤhnung mit Gott vergriffen/ das wußte ihr Vater wol/ dar-
um ſagt er zu ihnen: Wann jemand wider einen Menſchen ſuͤn-
diget/ ſo kans der Richter ſchlichten. Wann aber jemand wi-
der den HErꝛn ſuͤndiget/ wer kan fuͤr ihn bitten? 1. Sam. 2, 25.

Das iſt ja freylich eine Milch- und Honig-ſuͤſſe Lehre/ ein Geruch des
Lebens zum Leben/ ein herꝛlicher Troſt in allen Anfechtungen/ und ſonder-
lich in den letſten Zuͤgen/ wann wir zum Vater gehen. Wolan nun/
moͤchte hier ein ſicheres Welt-Kind gedencken/ das iſt eine gute Predigt
fuͤr mich: dergleichen haͤtte ich laͤngſt gern gehoͤret. Dann alſo wird es
nichts zu bedeuten haben/ wann ich ſchon im̃er hin ſuͤndige/ meinem Fleiſch
und Blut zu gefallen thue/ wornach es immer geluͤſtet/ weilen ich allezeit
wiederum zu Gnaden kommen/ und Vergebung erlangen kan? Ant-
wort: Jrre dich nicht/ Gott laͤßt ſich nicht ſpotten; das iſt eben das
rechte Schwerdt/ das ſchon viel tauſend erſchlagen/ das Meſſer/ damit
ſich ſchon ihrer viel ſelbs erwuͤrget/ und ums Leben gebracht; iſt eine rech-
te teuffeliſche Verſuchung/ da der leidige Geiſt den armen Menſchen è dif-
fidentia in profidentiam,
von dem Zweiffel und Mißtrauen in die
gottloſe Sicherheit/ und alſo von einem Garn ins ander treibet/ biß er
ihn verſtricken und knicken mag. Da ſolle der Menſch bedencken 1. con-
tritionis neceſſitatem,
die hohe Nothwendigkeit einer wahren
Reu und Buße/ und zuſehen/ daß er auch beſchaffen ſeye/ wie der ver-
lohrne Sohn. 2, Divinæ juſtitiæ libertatem, der Goͤttlichen Ge-
rechtigkeit Freyheit/ GOtt hat nicht einem jeden Menſchen verſproch-
en allezeit die Gnade Buß zu geben; niemand/ der dieſelbe einmal muth-
willig verachtet/ kan oder foll ihm die gewiſſe Rechnung machen/ daß er

eben
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Zitationshilfe: Dannhauer, Johann Conrad: Catechismus Milch. Bd. 10. Straßburg, 1673, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dannhauer_catechismus10_1673/95>, abgerufen am 29.04.2024.