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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Cap. 13. Übermittelung des motorischen Impulses.
beträchtlichen Zeit. Diese Fälle zeigen, dasz der motorische Impuls
nicht den Gefäszbündeln entlang fortgeleitet wird; sie zeigen ferner,
dasz keine Nöthigung zur Annahme eines directen Communications-
weges von dem Filamente, welches berührt worden ist, nach der
Mittelrippe und dem gegenüberliegenden Lappen oder nach den äusze-
ren Theilen eines und desselben Lappens besteht.

Es wurden nun zunächst zwei Schlitze nahe an einander und
beide der Mittelrippe parallel in derselben Art und Weise, wie vor-
hin erwähnt, jeder auf einer Seite der Basis eines Filaments an fünf
verschiedenen Blättern gemacht, so dasz ein kleiner, ein Filament
tragender Streifen mit dem übrigen Blatte nur an seinen beiden
Enden zusammenhieng. Diese Streifchen waren nahezu von der näm-
lichen Grösze; eines wurde sorgfältig gemessen: es war 0,12 Zoll
(3,048 Mm.) lang und 0,08 Zoll (2,032 Mm.) breit; in der Mitte
stand das Filament. Nur einer dieser Streifen welkte und starb ab.
Nachdem sich das Blatt von der Operation wieder erholt hatte, trotz-
dem aber die Schlitze noch immer offen waren, wurden die in solche
Umstände versetzten Filamente derb berührt, und beide Lappen, oder
einer allein schlosz sich langsam. In zwei Fällen brachte die Be-
rührung des Filaments keine Wirkung hervor; als aber die Spitze
einer Nadel in den Blattstreifen an der Basis des Filaments einge-
stochen wurde, schlossen sich die Lappen langsam. In diesen Fällen
nun musz der Impuls dem Streifen entlang in einem der Mittelrippe
parallelen Zuge fortgeschritten und dann entweder von beiden Enden
oder nur von einem Ende des Streifens über die ganze Oberfläche der
beiden Lappen ausgestrahlt sein.

Es wurden ferner zwei parallele Schlitze, gleich den früheren,
einer auf jeder Seite der Basis eines Filaments, aber unter rechtem
Winkel zur Mittelrippe gemacht. Nachdem die Blätter (der Zahl
nach zwei) sich wieder erholt hatten, wurden die Filamente derb be-
rührt und die Lappen schlossen sich langsam; hier muss der Impuls
eine kurze Strecke weit in rechtem Winkel nach der Mittelrippe zu
fortgeschritten und dann nach allen Seiten über beide Lappen aus-
gestrahlt sein. Diese verschiedenen Fälle beweisen, dasz der moto-
rische Impuls in allen Richtungen hin durch das Zellgewebe läuft,
unabhängig vom Verlaufe der Gefäsze.

Bei Drosera haben wir gesehen, dasz der motorische Impuls in
gleicher Weise durch das Zellgewebe nach allen Richtungen hin über-

Cap. 13. Übermittelung des motorischen Impulses.
beträchtlichen Zeit. Diese Fälle zeigen, dasz der motorische Impuls
nicht den Gefäszbündeln entlang fortgeleitet wird; sie zeigen ferner,
dasz keine Nöthigung zur Annahme eines directen Communications-
weges von dem Filamente, welches berührt worden ist, nach der
Mittelrippe und dem gegenüberliegenden Lappen oder nach den äusze-
ren Theilen eines und desselben Lappens besteht.

Es wurden nun zunächst zwei Schlitze nahe an einander und
beide der Mittelrippe parallel in derselben Art und Weise, wie vor-
hin erwähnt, jeder auf einer Seite der Basis eines Filaments an fünf
verschiedenen Blättern gemacht, so dasz ein kleiner, ein Filament
tragender Streifen mit dem übrigen Blatte nur an seinen beiden
Enden zusammenhieng. Diese Streifchen waren nahezu von der näm-
lichen Grösze; eines wurde sorgfältig gemessen: es war 0,12 Zoll
(3,048 Mm.) lang und 0,08 Zoll (2,032 Mm.) breit; in der Mitte
stand das Filament. Nur einer dieser Streifen welkte und starb ab.
Nachdem sich das Blatt von der Operation wieder erholt hatte, trotz-
dem aber die Schlitze noch immer offen waren, wurden die in solche
Umstände versetzten Filamente derb berührt, und beide Lappen, oder
einer allein schlosz sich langsam. In zwei Fällen brachte die Be-
rührung des Filaments keine Wirkung hervor; als aber die Spitze
einer Nadel in den Blattstreifen an der Basis des Filaments einge-
stochen wurde, schlossen sich die Lappen langsam. In diesen Fällen
nun musz der Impuls dem Streifen entlang in einem der Mittelrippe
parallelen Zuge fortgeschritten und dann entweder von beiden Enden
oder nur von einem Ende des Streifens über die ganze Oberfläche der
beiden Lappen ausgestrahlt sein.

Es wurden ferner zwei parallele Schlitze, gleich den früheren,
einer auf jeder Seite der Basis eines Filaments, aber unter rechtem
Winkel zur Mittelrippe gemacht. Nachdem die Blätter (der Zahl
nach zwei) sich wieder erholt hatten, wurden die Filamente derb be-
rührt und die Lappen schlossen sich langsam; hier muss der Impuls
eine kurze Strecke weit in rechtem Winkel nach der Mittelrippe zu
fortgeschritten und dann nach allen Seiten über beide Lappen aus-
gestrahlt sein. Diese verschiedenen Fälle beweisen, dasz der moto-
rische Impuls in allen Richtungen hin durch das Zellgewebe läuft,
unabhängig vom Verlaufe der Gefäsze.

Bei Drosera haben wir gesehen, dasz der motorische Impuls in
gleicher Weise durch das Zellgewebe nach allen Richtungen hin über-

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[285/0299] Cap. 13. Übermittelung des motorischen Impulses. beträchtlichen Zeit. Diese Fälle zeigen, dasz der motorische Impuls nicht den Gefäszbündeln entlang fortgeleitet wird; sie zeigen ferner, dasz keine Nöthigung zur Annahme eines directen Communications- weges von dem Filamente, welches berührt worden ist, nach der Mittelrippe und dem gegenüberliegenden Lappen oder nach den äusze- ren Theilen eines und desselben Lappens besteht. Es wurden nun zunächst zwei Schlitze nahe an einander und beide der Mittelrippe parallel in derselben Art und Weise, wie vor- hin erwähnt, jeder auf einer Seite der Basis eines Filaments an fünf verschiedenen Blättern gemacht, so dasz ein kleiner, ein Filament tragender Streifen mit dem übrigen Blatte nur an seinen beiden Enden zusammenhieng. Diese Streifchen waren nahezu von der näm- lichen Grösze; eines wurde sorgfältig gemessen: es war 0,12 Zoll (3,048 Mm.) lang und 0,08 Zoll (2,032 Mm.) breit; in der Mitte stand das Filament. Nur einer dieser Streifen welkte und starb ab. Nachdem sich das Blatt von der Operation wieder erholt hatte, trotz- dem aber die Schlitze noch immer offen waren, wurden die in solche Umstände versetzten Filamente derb berührt, und beide Lappen, oder einer allein schlosz sich langsam. In zwei Fällen brachte die Be- rührung des Filaments keine Wirkung hervor; als aber die Spitze einer Nadel in den Blattstreifen an der Basis des Filaments einge- stochen wurde, schlossen sich die Lappen langsam. In diesen Fällen nun musz der Impuls dem Streifen entlang in einem der Mittelrippe parallelen Zuge fortgeschritten und dann entweder von beiden Enden oder nur von einem Ende des Streifens über die ganze Oberfläche der beiden Lappen ausgestrahlt sein. Es wurden ferner zwei parallele Schlitze, gleich den früheren, einer auf jeder Seite der Basis eines Filaments, aber unter rechtem Winkel zur Mittelrippe gemacht. Nachdem die Blätter (der Zahl nach zwei) sich wieder erholt hatten, wurden die Filamente derb be- rührt und die Lappen schlossen sich langsam; hier muss der Impuls eine kurze Strecke weit in rechtem Winkel nach der Mittelrippe zu fortgeschritten und dann nach allen Seiten über beide Lappen aus- gestrahlt sein. Diese verschiedenen Fälle beweisen, dasz der moto- rische Impuls in allen Richtungen hin durch das Zellgewebe läuft, unabhängig vom Verlaufe der Gefäsze. Bei Drosera haben wir gesehen, dasz der motorische Impuls in gleicher Weise durch das Zellgewebe nach allen Richtungen hin über-

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/299>, abgerufen am 13.05.2024.