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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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wegs ohne Bewußtsein über seine wunderliche, zweiseitige
und zweideutige Beschaffenheit und Bestimmung gewesen
ist. Dieser Ausdeutung entspricht auch das theils offene,
theils verschlossene Heiligthum dieses Gottes, welcher deß-
halb auch selber Patulcius und Clusivius oder Clusius heißt,
und als solcher zugleich Kriegs- und Friedensgott ist, sich
theils kämpfend und erobernd nach außen, theils mystisch-
tief und abgeschlossen nach innen kehrt. Der Doppelkopf
ist gewöhnlich ein auf beiden Seiten männlicher und bär-
tiger, was einer Ausdeutung, wie der auf Sonne und
Mond, nicht günstig ist. Derselbe wird noch jetzt auf
tausend Bronzen, auf Assen und Denaren erblickt. Den
geschmackvollen, ihrem ganzen Wesen nach weit einheitlicher
und natürlicher bestimmten Griechen war dieses römische
Monstrum, das für sie auch gar keinen Sinn hatte, ein
Anstoß und Aergerniß; und erst spät entschlossen sich, wie
die Münzkunde lehrt, sicilische und macedonische Städte,
es zum Münztypus aufzunehmen. Die Römer wußten am
Ende selber nicht mehr, was sie aus diesem alten Symbole
und Denkmale einer tiefsinnigen, in ihren Darstellungen
dunklen und räthselhaften Vorzeit machen sollten, das sich
aber sehr wohl verstehen und durchaus befriedigend erklären
läßt, so wie man, ohne irgendwie weiter auszugreifen und
anzuknüpfen, ganz einfach bei dem alten, ernsten, in sich
selbst gespaltenen, mehr der Zukunft, als der Gegenwart
angehörigen, selbst über die hohe griechische Stufe, aber
noch ohne alle Vollendung, Heiterkeit und Ruhe in sich,
hinausgehenden, in diesem Bilde rein nur sich selbst spie-
gelnden Römerthume stehen bleibt.

Alte Münzen zeigen auf der einen Seite einen Janus-
kopf, auf der anderen ein Schiffsvordertheil und eine
Victoria darauf. Das deutet Fortbewegung und Sieg,
siegreichen Fortgang der römischen Angelegenheiten an.

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wegs ohne Bewußtſein über ſeine wunderliche, zweiſeitige
und zweideutige Beſchaffenheit und Beſtimmung geweſen
iſt. Dieſer Ausdeutung entſpricht auch das theils offene,
theils verſchloſſene Heiligthum dieſes Gottes, welcher deß-
halb auch ſelber Patulcius und Clusivius oder Clusius heißt,
und als ſolcher zugleich Kriegs- und Friedensgott iſt, ſich
theils kämpfend und erobernd nach außen, theils myſtiſch-
tief und abgeſchloſſen nach innen kehrt. Der Doppelkopf
iſt gewöhnlich ein auf beiden Seiten männlicher und bär-
tiger, was einer Ausdeutung, wie der auf Sonne und
Mond, nicht günſtig iſt. Derſelbe wird noch jetzt auf
tauſend Bronzen, auf Aſſen und Denaren erblickt. Den
geſchmackvollen, ihrem ganzen Weſen nach weit einheitlicher
und natürlicher beſtimmten Griechen war dieſes römiſche
Monſtrum, das für ſie auch gar keinen Sinn hatte, ein
Anſtoß und Aergerniß; und erſt ſpät entſchloſſen ſich, wie
die Münzkunde lehrt, ſiciliſche und macedoniſche Städte,
es zum Münztypus aufzunehmen. Die Römer wußten am
Ende ſelber nicht mehr, was ſie aus dieſem alten Symbole
und Denkmale einer tiefſinnigen, in ihren Darſtellungen
dunklen und räthſelhaften Vorzeit machen ſollten, das ſich
aber ſehr wohl verſtehen und durchaus befriedigend erklären
läßt, ſo wie man, ohne irgendwie weiter auszugreifen und
anzuknüpfen, ganz einfach bei dem alten, ernſten, in ſich
ſelbſt geſpaltenen, mehr der Zukunft, als der Gegenwart
angehörigen, ſelbſt über die hohe griechiſche Stufe, aber
noch ohne alle Vollendung, Heiterkeit und Ruhe in ſich,
hinausgehenden, in dieſem Bilde rein nur ſich ſelbſt ſpie-
gelnden Römerthume ſtehen bleibt.

Alte Münzen zeigen auf der einen Seite einen Janus-
kopf, auf der anderen ein Schiffsvordertheil und eine
Victoria darauf. Das deutet Fortbewegung und Sieg,
ſiegreichen Fortgang der römiſchen Angelegenheiten an.

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[83/0105] wegs ohne Bewußtſein über ſeine wunderliche, zweiſeitige und zweideutige Beſchaffenheit und Beſtimmung geweſen iſt. Dieſer Ausdeutung entſpricht auch das theils offene, theils verſchloſſene Heiligthum dieſes Gottes, welcher deß- halb auch ſelber Patulcius und Clusivius oder Clusius heißt, und als ſolcher zugleich Kriegs- und Friedensgott iſt, ſich theils kämpfend und erobernd nach außen, theils myſtiſch- tief und abgeſchloſſen nach innen kehrt. Der Doppelkopf iſt gewöhnlich ein auf beiden Seiten männlicher und bär- tiger, was einer Ausdeutung, wie der auf Sonne und Mond, nicht günſtig iſt. Derſelbe wird noch jetzt auf tauſend Bronzen, auf Aſſen und Denaren erblickt. Den geſchmackvollen, ihrem ganzen Weſen nach weit einheitlicher und natürlicher beſtimmten Griechen war dieſes römiſche Monſtrum, das für ſie auch gar keinen Sinn hatte, ein Anſtoß und Aergerniß; und erſt ſpät entſchloſſen ſich, wie die Münzkunde lehrt, ſiciliſche und macedoniſche Städte, es zum Münztypus aufzunehmen. Die Römer wußten am Ende ſelber nicht mehr, was ſie aus dieſem alten Symbole und Denkmale einer tiefſinnigen, in ihren Darſtellungen dunklen und räthſelhaften Vorzeit machen ſollten, das ſich aber ſehr wohl verſtehen und durchaus befriedigend erklären läßt, ſo wie man, ohne irgendwie weiter auszugreifen und anzuknüpfen, ganz einfach bei dem alten, ernſten, in ſich ſelbſt geſpaltenen, mehr der Zukunft, als der Gegenwart angehörigen, ſelbſt über die hohe griechiſche Stufe, aber noch ohne alle Vollendung, Heiterkeit und Ruhe in ſich, hinausgehenden, in dieſem Bilde rein nur ſich ſelbſt ſpie- gelnden Römerthume ſtehen bleibt. Alte Münzen zeigen auf der einen Seite einen Janus- kopf, auf der anderen ein Schiffsvordertheil und eine Victoria darauf. Das deutet Fortbewegung und Sieg, ſiegreichen Fortgang der römiſchen Angelegenheiten an. 6*

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/105>, abgerufen am 30.04.2024.