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Devrient, Eduard: Das Nationaltheater des neuen Deutschland. Eine Reformschrift. Leipzig, 1849.

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Vor allem thut es Noth, ein Stammrepertoir
der bedeutendsten Dicht- und Musikwerke aufzustellen, das
in alljährlicher Wiederkehr die Künstler in der Uebung
am Vortrefflichen erhält, dem Volke den Genuß seines
Kunstschatzes in Musteraufführungen sichert, ihm den
ganzen Entwicklungsproceß des Theaters zugleich klar
macht und ihm Ehrfurcht für das, was es leistet, ein¬
flößt*).

Auf einem Nationaltheater soll keine Woche ver¬
gehen, in welcher nicht eins der Werke aus diesem klassi¬
schen Cyklus gegeben wird. Jedes kirchliche oder politi¬
sche Fest, jeder für die Nation merkwürdige Tag -- bezeichne
er eine große Begebenheit oder die Geburt eines großen
Künstlers u. s. w. -- werde durch eine entsprechende Vor¬
stellung gefeiert und in die Sympathie der Gegenwart
gezogen. Auch die wichtigen Ereignisse des Tages sollen
ihren Ausdruck auf der Nationalbühne finden; sie soll
nicht bestimmt sein, die Eindrücke des Lebens vergessen zu
machen, sondern dem Volke ein höheres und heiteres
Verständniß derselben zu eröffnen.

*) Was Goethe davon sagt, siehe Geschichte der deutschen
Schauspielkunst B. III. S. 379 -- 382.
4*

Vor allem thut es Noth, ein Stammrepertoir
der bedeutendſten Dicht- und Muſikwerke aufzuſtellen, das
in alljährlicher Wiederkehr die Künſtler in der Uebung
am Vortrefflichen erhält, dem Volke den Genuß ſeines
Kunſtſchatzes in Muſteraufführungen ſichert, ihm den
ganzen Entwicklungsproceß des Theaters zugleich klar
macht und ihm Ehrfurcht für das, was es leiſtet, ein¬
flößt*).

Auf einem Nationaltheater ſoll keine Woche ver¬
gehen, in welcher nicht eins der Werke aus dieſem klaſſi¬
ſchen Cyklus gegeben wird. Jedes kirchliche oder politi¬
ſche Feſt, jeder für die Nation merkwürdige Tag — bezeichne
er eine große Begebenheit oder die Geburt eines großen
Künſtlers u. ſ. w. — werde durch eine entſprechende Vor¬
ſtellung gefeiert und in die Sympathie der Gegenwart
gezogen. Auch die wichtigen Ereigniſſe des Tages ſollen
ihren Ausdruck auf der Nationalbühne finden; ſie ſoll
nicht beſtimmt ſein, die Eindrücke des Lebens vergeſſen zu
machen, ſondern dem Volke ein höheres und heiteres
Verſtändniß derſelben zu eröffnen.

*) Was Goethe davon ſagt, ſiehe Geſchichte der deutſchen
Schauſpielkunſt B. III. S. 379 — 382.
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[51/0057] Vor allem thut es Noth, ein Stammrepertoir der bedeutendſten Dicht- und Muſikwerke aufzuſtellen, das in alljährlicher Wiederkehr die Künſtler in der Uebung am Vortrefflichen erhält, dem Volke den Genuß ſeines Kunſtſchatzes in Muſteraufführungen ſichert, ihm den ganzen Entwicklungsproceß des Theaters zugleich klar macht und ihm Ehrfurcht für das, was es leiſtet, ein¬ flößt *). Auf einem Nationaltheater ſoll keine Woche ver¬ gehen, in welcher nicht eins der Werke aus dieſem klaſſi¬ ſchen Cyklus gegeben wird. Jedes kirchliche oder politi¬ ſche Feſt, jeder für die Nation merkwürdige Tag — bezeichne er eine große Begebenheit oder die Geburt eines großen Künſtlers u. ſ. w. — werde durch eine entſprechende Vor¬ ſtellung gefeiert und in die Sympathie der Gegenwart gezogen. Auch die wichtigen Ereigniſſe des Tages ſollen ihren Ausdruck auf der Nationalbühne finden; ſie ſoll nicht beſtimmt ſein, die Eindrücke des Lebens vergeſſen zu machen, ſondern dem Volke ein höheres und heiteres Verſtändniß derſelben zu eröffnen. *) Was Goethe davon ſagt, ſiehe Geſchichte der deutſchen Schauſpielkunſt B. III. S. 379 — 382. 4*

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Zitationshilfe: Devrient, Eduard: Das Nationaltheater des neuen Deutschland. Eine Reformschrift. Leipzig, 1849, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/devrient_nationaltheater_1849/57>, abgerufen am 28.04.2024.