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Devrient, Eduard: Das Nationaltheater des neuen Deutschland. Eine Reformschrift. Leipzig, 1849.

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wünschenswerth sein wird, sondern es würden auch die
beiderseitigen Fachstudien sich fördernd berühren können.
Die Uebungen der Geberdensprache von den Theatereleven
z. B. könnten den Schülern der bildenden Kunst einen
Reichthum lebendiger Motive zu raschen Skizzen liefern,
an denen das Urtheil über die beiderseitige Leistung sich
schärfen würde. So könnte die gegenseitige Anregung
fortwachsend sich bis auf die wirkliche theatralische Thä¬
tigkeit ausdehnen und in der Dramatik eine wahrhafte
Verschwisterung aller Künste erzeugen.

Noch eine Wohlthat würde aus solch einer Universi¬
tät der Künste erwachsen, indem sie die Mißgriffe der jun¬
gen Talente über ihren Beruf zu berichtigen vermöchte,
wie dies auf den Universitäten der Wissenschaften der Fall
ist, wo mancher Jüngling zu seinem Heile -- wie man
es nennt -- umsattelt. Abgesehen von denen, deren Ta¬
lentlosigkeit in der Schule zur Erkenntniß kommt und
die somit bei Zeiten von einer falschen Lebenstendenz ge¬
heilt werden können, giebt es Viele, die sich in unbe¬
stimmtem Triebe zur Kunst auf einen falschen Zweig der¬
selben werfen. Wie man auf den jetzigen Kunstakade¬
mien wohl junge Bildhauer zu Malern umschlagen sieht
und umgekehrt, so würde eine allgemeine Kunstschule

wünſchenswerth ſein wird, ſondern es würden auch die
beiderſeitigen Fachſtudien ſich fördernd berühren können.
Die Uebungen der Geberdenſprache von den Theatereleven
z. B. könnten den Schülern der bildenden Kunſt einen
Reichthum lebendiger Motive zu raſchen Skizzen liefern,
an denen das Urtheil über die beiderſeitige Leiſtung ſich
ſchärfen würde. So könnte die gegenſeitige Anregung
fortwachſend ſich bis auf die wirkliche theatraliſche Thä¬
tigkeit ausdehnen und in der Dramatik eine wahrhafte
Verſchwiſterung aller Künſte erzeugen.

Noch eine Wohlthat würde aus ſolch einer Univerſi¬
tät der Künſte erwachſen, indem ſie die Mißgriffe der jun¬
gen Talente über ihren Beruf zu berichtigen vermöchte,
wie dies auf den Univerſitäten der Wiſſenſchaften der Fall
iſt, wo mancher Jüngling zu ſeinem Heile — wie man
es nennt — umſattelt. Abgeſehen von denen, deren Ta¬
lentloſigkeit in der Schule zur Erkenntniß kommt und
die ſomit bei Zeiten von einer falſchen Lebenstendenz ge¬
heilt werden können, giebt es Viele, die ſich in unbe¬
ſtimmtem Triebe zur Kunſt auf einen falſchen Zweig der¬
ſelben werfen. Wie man auf den jetzigen Kunſtakade¬
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[71/0077] wünſchenswerth ſein wird, ſondern es würden auch die beiderſeitigen Fachſtudien ſich fördernd berühren können. Die Uebungen der Geberdenſprache von den Theatereleven z. B. könnten den Schülern der bildenden Kunſt einen Reichthum lebendiger Motive zu raſchen Skizzen liefern, an denen das Urtheil über die beiderſeitige Leiſtung ſich ſchärfen würde. So könnte die gegenſeitige Anregung fortwachſend ſich bis auf die wirkliche theatraliſche Thä¬ tigkeit ausdehnen und in der Dramatik eine wahrhafte Verſchwiſterung aller Künſte erzeugen. Noch eine Wohlthat würde aus ſolch einer Univerſi¬ tät der Künſte erwachſen, indem ſie die Mißgriffe der jun¬ gen Talente über ihren Beruf zu berichtigen vermöchte, wie dies auf den Univerſitäten der Wiſſenſchaften der Fall iſt, wo mancher Jüngling zu ſeinem Heile — wie man es nennt — umſattelt. Abgeſehen von denen, deren Ta¬ lentloſigkeit in der Schule zur Erkenntniß kommt und die ſomit bei Zeiten von einer falſchen Lebenstendenz ge¬ heilt werden können, giebt es Viele, die ſich in unbe¬ ſtimmtem Triebe zur Kunſt auf einen falſchen Zweig der¬ ſelben werfen. Wie man auf den jetzigen Kunſtakade¬ mien wohl junge Bildhauer zu Malern umſchlagen ſieht und umgekehrt, ſo würde eine allgemeine Kunſtſchule

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Zitationshilfe: Devrient, Eduard: Das Nationaltheater des neuen Deutschland. Eine Reformschrift. Leipzig, 1849, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/devrient_nationaltheater_1849/77>, abgerufen am 29.04.2024.