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Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.

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Schwanengesang "das Papsttum vom Teufel gestiftet", ihm den
Todesstoß zu geben; das Papsttum zu vertilgen hielt er für
das beste Werk. Er schreibt: "Danach sollte man ihn selbst,
den Papst, Cardinäl und was seiner Abgötterei und päpst-
lichen Heiligkeit Gesinde ist, nehmen und ihnen als Gottes-
lästeren die Zungen hinten zum Hals herausreißen und an
den Galgen annageln an der Reihe her1)."

Ferner: "So wir Diebe mit Strang, Mörder mit
Schwert, Ketzer mit Feuer strafen, warum greifen wir nicht
vielmehr diese schädlichen Lehrer des Verderbens, diese Kar-
dinäle, die Päpste, Bischöfe und das ganze Geschwürm der
Römischen Sodoma, mit allen Arten von Waffen an und
waschen unsere Hände in ihrem Blute, als die wir beide uns
und unsere Nachkommen aus dem allergrößten und allerge-
fährlichsten Feuer gern wollten erretten2)." Von demselben
ästhetischen und feinen Geschmack, der den Reformator aus-
zeichnete, waren die Epitheta ornantia, mit welchen er die
weltlichen Obrigkeiten, Kaiser und Fürsten, auszeichnete, wenn
er beispielsweise den Kaiser einen Madensack, die Fürsten
tolle, thörichte, unsinnige, rasende, wahnsinnige Narren nannte.
Die Anhänger Luthers von heute haben die Derbheit und
Roheit, welche in den Ausdrücken Luthers zu finden ist3),
entschuldigen wollen mit dem allgemeinen Bildungszustande
seines Jahrhunderts und herkömmlichen Gepflogenheit in der
Sprache. Jndessen übertrifft darin Luther alle seine Zeitge-
nossen und ist er darin weniger das Kind seiner Zeit, als

1) Erlanger Ausgabe 1830, Bd. 26, S. 155.
2) Opera lat. var. arg. ed. Erlang. H. Schmidt. 1865 II.
p.
107.
3) Das ärgste im schmutzigen Jargon hat Luther im "Schemham-
phoras" geliefert.

Schwanengeſang „das Papſttum vom Teufel geſtiftet‟, ihm den
Todesſtoß zu geben; das Papſttum zu vertilgen hielt er für
das beſte Werk. Er ſchreibt: „Danach ſollte man ihn ſelbſt,
den Papſt, Cardinäl und was ſeiner Abgötterei und päpſt-
lichen Heiligkeit Geſinde iſt, nehmen und ihnen als Gottes-
läſteren die Zungen hinten zum Hals herausreißen und an
den Galgen annageln an der Reihe her1).‟

Ferner: „So wir Diebe mit Strang, Mörder mit
Schwert, Ketzer mit Feuer ſtrafen, warum greifen wir nicht
vielmehr dieſe ſchädlichen Lehrer des Verderbens, dieſe Kar-
dinäle, die Päpſte, Biſchöfe und das ganze Geſchwürm der
Römiſchen Sodoma, mit allen Arten von Waffen an und
waſchen unſere Hände in ihrem Blute, als die wir beide uns
und unſere Nachkommen aus dem allergrößten und allerge-
fährlichſten Feuer gern wollten erretten2).‟ Von demſelben
äſthetiſchen und feinen Geſchmack, der den Reformator aus-
zeichnete, waren die Epitheta ornantia, mit welchen er die
weltlichen Obrigkeiten, Kaiſer und Fürſten, auszeichnete, wenn
er beiſpielsweiſe den Kaiſer einen Madenſack, die Fürſten
tolle, thörichte, unſinnige, raſende, wahnſinnige Narren nannte.
Die Anhänger Luthers von heute haben die Derbheit und
Roheit, welche in den Ausdrücken Luthers zu finden iſt3),
entſchuldigen wollen mit dem allgemeinen Bildungszuſtande
ſeines Jahrhunderts und herkömmlichen Gepflogenheit in der
Sprache. Jndeſſen übertrifft darin Luther alle ſeine Zeitge-
noſſen und iſt er darin weniger das Kind ſeiner Zeit, als

1) Erlanger Ausgabe 1830, Bd. 26, S. 155.
2) Opera lat. var. arg. ed. Erlang. H. Schmidt. 1865 II.
p.
107.
3) Das ärgſte im ſchmutzigen Jargon hat Luther im „Schemham-
phoras‟ geliefert.
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[9/0021] Schwanengeſang „das Papſttum vom Teufel geſtiftet‟, ihm den Todesſtoß zu geben; das Papſttum zu vertilgen hielt er für das beſte Werk. Er ſchreibt: „Danach ſollte man ihn ſelbſt, den Papſt, Cardinäl und was ſeiner Abgötterei und päpſt- lichen Heiligkeit Geſinde iſt, nehmen und ihnen als Gottes- läſteren die Zungen hinten zum Hals herausreißen und an den Galgen annageln an der Reihe her 1).‟ Ferner: „So wir Diebe mit Strang, Mörder mit Schwert, Ketzer mit Feuer ſtrafen, warum greifen wir nicht vielmehr dieſe ſchädlichen Lehrer des Verderbens, dieſe Kar- dinäle, die Päpſte, Biſchöfe und das ganze Geſchwürm der Römiſchen Sodoma, mit allen Arten von Waffen an und waſchen unſere Hände in ihrem Blute, als die wir beide uns und unſere Nachkommen aus dem allergrößten und allerge- fährlichſten Feuer gern wollten erretten 2).‟ Von demſelben äſthetiſchen und feinen Geſchmack, der den Reformator aus- zeichnete, waren die Epitheta ornantia, mit welchen er die weltlichen Obrigkeiten, Kaiſer und Fürſten, auszeichnete, wenn er beiſpielsweiſe den Kaiſer einen Madenſack, die Fürſten tolle, thörichte, unſinnige, raſende, wahnſinnige Narren nannte. Die Anhänger Luthers von heute haben die Derbheit und Roheit, welche in den Ausdrücken Luthers zu finden iſt 3), entſchuldigen wollen mit dem allgemeinen Bildungszuſtande ſeines Jahrhunderts und herkömmlichen Gepflogenheit in der Sprache. Jndeſſen übertrifft darin Luther alle ſeine Zeitge- noſſen und iſt er darin weniger das Kind ſeiner Zeit, als 1) Erlanger Ausgabe 1830, Bd. 26, S. 155. 2) Opera lat. var. arg. ed. Erlang. H. Schmidt. 1865 II. p. 107. 3) Das ärgſte im ſchmutzigen Jargon hat Luther im „Schemham- phoras‟ geliefert.

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Zitationshilfe: Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/21>, abgerufen am 28.04.2024.