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Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.

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als was sich am Ende des 18. Jahrhunderts zutrug ......
Der Umsturz aller Autorität, die Auflösung und Ver-
flachung aller Verhältnisse, die Verwerfung und Ver-
höhnung
alles Überlieferten, die Verletzung des Eigen-
tumsrechts, die Plünderungssucht und Raubgier, das öffent-
liche Verleumden und Verdammen, die Geringschätzung des
Jndividuums unter Vergötterung der Menge, die zügellose
Tyrannei einzelner, welche es verstanden, die Leidenschaften
zu benutzen und Gewaltthaten unter der Maske der Gerech-
tigkeit zu verbergen -- --: alles das charakterisiert in gleicher
Weise die Reformation und die Revolution; nur wird
es bei der Revolution stärker hervorgehoben. Ja, man kann
sagen, die Revolution war nur dadurch möglich, daß die Prin-
zipien, welche die Reformation ausgesäet hatte, allmählich in
Europa zur Geltung kamen. ...... Ein Reformator
war Luther also nicht, er war in des Wortes
eigentlichster Bedeutung ein Revolutionär, und
in ihm ist die Revolution geboren
. Und wie alle
Revolutionäre, übte er auf geistigem Gebiete dieselbe Tyran-
nei, gegen welche er sich erhoben hatte."

Als fernere Zeugen für unsere These, daß die Refor-
mation in ihrem Wesen eine Revolution war, dürfen wir
kühn Adolf Menzel in die Schranken rufen. Seine
"Neuere Geschichte der Deutschen von der Reformation bis
zur Bundesrolle", Breslau 1828, ist nur ein aktenmäßiger
Nachweis von der titanenhaften Thätigkeit Luthers und seiner
Anhänger zum politischen und kirchlichen Umsturz des deutschen
Staatswesens, wie es aus dem Mittelalter heraus sich ge-
bildet hatte. Die unparteiische und objektive Schilderung der
Vorgänge in der Reformationszeit hatte ihm auf Seiten
seiner Konfessionsgenossen viel herben Tadel zugezogen.

als was ſich am Ende des 18. Jahrhunderts zutrug ......
Der Umſturz aller Autorität, die Auflöſung und Ver-
flachung aller Verhältniſſe, die Verwerfung und Ver-
höhnung
alles Überlieferten, die Verletzung des Eigen-
tumsrechts, die Plünderungsſucht und Raubgier, das öffent-
liche Verleumden und Verdammen, die Geringſchätzung des
Jndividuums unter Vergötterung der Menge, die zügelloſe
Tyrannei einzelner, welche es verſtanden, die Leidenſchaften
zu benutzen und Gewaltthaten unter der Maske der Gerech-
tigkeit zu verbergen — —: alles das charakteriſiert in gleicher
Weiſe die Reformation und die Revolution; nur wird
es bei der Revolution ſtärker hervorgehoben. Ja, man kann
ſagen, die Revolution war nur dadurch möglich, daß die Prin-
zipien, welche die Reformation ausgeſäet hatte, allmählich in
Europa zur Geltung kamen. ...... Ein Reformator
war Luther alſo nicht, er war in des Wortes
eigentlichſter Bedeutung ein Revolutionär, und
in ihm iſt die Revolution geboren
. Und wie alle
Revolutionäre, übte er auf geiſtigem Gebiete dieſelbe Tyran-
nei, gegen welche er ſich erhoben hatte.‟

Als fernere Zeugen für unſere Theſe, daß die Refor-
mation in ihrem Weſen eine Revolution war, dürfen wir
kühn Adolf Menzel in die Schranken rufen. Seine
„Neuere Geſchichte der Deutſchen von der Reformation bis
zur Bundesrolle‟, Breslau 1828, iſt nur ein aktenmäßiger
Nachweis von der titanenhaften Thätigkeit Luthers und ſeiner
Anhänger zum politiſchen und kirchlichen Umſturz des deutſchen
Staatsweſens, wie es aus dem Mittelalter heraus ſich ge-
bildet hatte. Die unparteiiſche und objektive Schilderung der
Vorgänge in der Reformationszeit hatte ihm auf Seiten
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[24/0036] als was ſich am Ende des 18. Jahrhunderts zutrug ...... Der Umſturz aller Autorität, die Auflöſung und Ver- flachung aller Verhältniſſe, die Verwerfung und Ver- höhnung alles Überlieferten, die Verletzung des Eigen- tumsrechts, die Plünderungsſucht und Raubgier, das öffent- liche Verleumden und Verdammen, die Geringſchätzung des Jndividuums unter Vergötterung der Menge, die zügelloſe Tyrannei einzelner, welche es verſtanden, die Leidenſchaften zu benutzen und Gewaltthaten unter der Maske der Gerech- tigkeit zu verbergen — —: alles das charakteriſiert in gleicher Weiſe die Reformation und die Revolution; nur wird es bei der Revolution ſtärker hervorgehoben. Ja, man kann ſagen, die Revolution war nur dadurch möglich, daß die Prin- zipien, welche die Reformation ausgeſäet hatte, allmählich in Europa zur Geltung kamen. ...... Ein Reformator war Luther alſo nicht, er war in des Wortes eigentlichſter Bedeutung ein Revolutionär, und in ihm iſt die Revolution geboren. Und wie alle Revolutionäre, übte er auf geiſtigem Gebiete dieſelbe Tyran- nei, gegen welche er ſich erhoben hatte.‟ Als fernere Zeugen für unſere Theſe, daß die Refor- mation in ihrem Weſen eine Revolution war, dürfen wir kühn Adolf Menzel in die Schranken rufen. Seine „Neuere Geſchichte der Deutſchen von der Reformation bis zur Bundesrolle‟, Breslau 1828, iſt nur ein aktenmäßiger Nachweis von der titanenhaften Thätigkeit Luthers und ſeiner Anhänger zum politiſchen und kirchlichen Umſturz des deutſchen Staatsweſens, wie es aus dem Mittelalter heraus ſich ge- bildet hatte. Die unparteiiſche und objektive Schilderung der Vorgänge in der Reformationszeit hatte ihm auf Seiten ſeiner Konfeſſionsgenoſſen viel herben Tadel zugezogen.

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Zitationshilfe: Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/36>, abgerufen am 27.04.2024.