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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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auf den Schiffborden, treten, mit einer Hand die Hosen und mit der andern ein festgemachtes Tau, sich anzuhalten, ergreifen, obgleich das Schiff im vollen Segeln hin- und herschwanket. Welches mir wohl eins der größten Anliegens gewesen, bis ich solches von dem Kommandeur erlaubet bekommen, in seiner Kajüte auf das gemachte Privet zu gehen, welches mir aber zuweiln übel abgewaschen, und ich pfütznaß herauskam; weil, wenn das Schiff mit seinem Hinterteil jählings in die Tiefe fiel, die See zum Gatt, oder Loch, in die Höhe quetschte; darum mußte ich den Vorteil wohl in acht nehmen.

Ich hatte es sonsten gut bei den Leuten. Insonderheit hielte der Kommandeur viel von mir; also, daß er nichts thate, er fragete mich darum. Er gab mir Rotterdamer Bier, Wein, Branntwein, Konfekturen. Und höreten mich überaus gerne diskurieren. Wollten mir ofte nachreden; aber sie konnten nicht.

Den Kajüt-Wächter, welches seiner Schwester Sohn war, hatte ich nebenst dem Koch auf meiner Seite; welche mir manchen guten Bissen und Trunk zubrachten. Aufs Letzte ward ich so kühne, wann der Kommandeur den Rücken wendete, daß ich selbst in die Kajüt lief und mir einzapfte, was ich wollte.

Sonsten aber stund bei dem großen Mast ein groß Faß, in die Höhe angebunden, mit Wasser, das oft stinkend und voll kleiner Würmer war, zum allgemein'n Trank. Und oben, auf Stangen, lag Zwieback gnug, welcher zerschlagen und eingeweichet werden mußte in Wasser. Sonsten konnte man es nicht essen, so hart und schimmlig war es. Alle Wochen aßen wir wohl dreimal in Wasser gekochte Grütz, Erbsen, Linsen, Stockfisch, eingesalzen Rindfleisch, Schweine- und Hammelfleisch und Speck und viel Butter.

auf den Schiffborden, treten, mit einer Hand die Hosen und mit der andern ein festgemachtes Tau, sich anzuhalten, ergreifen, obgleich das Schiff im vollen Segeln hin- und herschwanket. Welches mir wohl eins der größten Anliegens gewesen, bis ich solches von dem Kommandeur erlaubet bekommen, in seiner Kajüte auf das gemachte Privet zu gehen, welches mir aber zuweiln übel abgewaschen, und ich pfütznaß herauskam; weil, wenn das Schiff mit seinem Hinterteil jählings in die Tiefe fiel, die See zum Gatt, oder Loch, in die Höhe quetschte; darum mußte ich den Vorteil wohl in acht nehmen.

Ich hatte es sonsten gut bei den Leuten. Insonderheit hielte der Kommandeur viel von mir; also, daß er nichts thate, er fragete mich darum. Er gab mir Rotterdamer Bier, Wein, Branntwein, Konfekturen. Und höreten mich überaus gerne diskurieren. Wollten mir ofte nachreden; aber sie konnten nicht.

Den Kajüt-Wächter, welches seiner Schwester Sohn war, hatte ich nebenst dem Koch auf meiner Seite; welche mir manchen guten Bissen und Trunk zubrachten. Aufs Letzte ward ich so kühne, wann der Kommandeur den Rücken wendete, daß ich selbst in die Kajüt lief und mir einzapfte, was ich wollte.

Sonsten aber stund bei dem großen Mast ein groß Faß, in die Höhe angebunden, mit Wasser, das oft stinkend und voll kleiner Würmer war, zum allgemein’n Trank. Und oben, auf Stangen, lag Zwieback gnug, welcher zerschlagen und eingeweichet werden mußte in Wasser. Sonsten konnte man es nicht essen, so hart und schimmlig war es. Alle Wochen aßen wir wohl dreimal in Wasser gekochte Grütz, Erbsen, Linsen, Stockfisch, eingesalzen Rindfleisch, Schweine- und Hammelfleisch und Speck und viel Butter.

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[0136] auf den Schiffborden, treten, mit einer Hand die Hosen und mit der andern ein festgemachtes Tau, sich anzuhalten, ergreifen, obgleich das Schiff im vollen Segeln hin- und herschwanket. Welches mir wohl eins der größten Anliegens gewesen, bis ich solches von dem Kommandeur erlaubet bekommen, in seiner Kajüte auf das gemachte Privet zu gehen, welches mir aber zuweiln übel abgewaschen, und ich pfütznaß herauskam; weil, wenn das Schiff mit seinem Hinterteil jählings in die Tiefe fiel, die See zum Gatt, oder Loch, in die Höhe quetschte; darum mußte ich den Vorteil wohl in acht nehmen. Ich hatte es sonsten gut bei den Leuten. Insonderheit hielte der Kommandeur viel von mir; also, daß er nichts thate, er fragete mich darum. Er gab mir Rotterdamer Bier, Wein, Branntwein, Konfekturen. Und höreten mich überaus gerne diskurieren. Wollten mir ofte nachreden; aber sie konnten nicht. Den Kajüt-Wächter, welches seiner Schwester Sohn war, hatte ich nebenst dem Koch auf meiner Seite; welche mir manchen guten Bissen und Trunk zubrachten. Aufs Letzte ward ich so kühne, wann der Kommandeur den Rücken wendete, daß ich selbst in die Kajüt lief und mir einzapfte, was ich wollte. Sonsten aber stund bei dem großen Mast ein groß Faß, in die Höhe angebunden, mit Wasser, das oft stinkend und voll kleiner Würmer war, zum allgemein’n Trank. Und oben, auf Stangen, lag Zwieback gnug, welcher zerschlagen und eingeweichet werden mußte in Wasser. Sonsten konnte man es nicht essen, so hart und schimmlig war es. Alle Wochen aßen wir wohl dreimal in Wasser gekochte Grütz, Erbsen, Linsen, Stockfisch, eingesalzen Rindfleisch, Schweine- und Hammelfleisch und Speck und viel Butter.

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/136>, abgerufen am 26.04.2024.