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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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sie mich in ihre Betten die Nacht. Aber es wurd nicht besser und mußte mich von Hof begeben bei meine Frau Muhme. Da speiete ich etliche Tage Blut. Und die Herzogin hielt mir ihren Medicum vierzehen Tage.

Weil ich nun das Hofleben überdrüssig und keine Gewißheit bekam, resolvierete ich: die von Leipzig mir zugesandte Rekommandation, da ich alle Jahr zweihundert Thaler und mehr verdienen konnte, anzunehmen.

Ich setzte mich demnach stille auf ein gemiethet Pferd und ritte immer nach Leipzig zu.

Ich war kaum fünf Tage bei meinem Herrn gewesen, so kam der Kammerdiener Nester vom Fürsten, schalt mich und sagte: worum ich heimlich von Hofe gegangen? Der Herzog wäre sehr ungnädig und wollte durchaus: ich sollte wieder nüber. - Allein ich sagte ihm alles mein Anliegen, und daß ich's zu keiner Bestallung bringen könne. - Er sagte: man müsse keinen Fürsten forcieren; es würde geschehen. - Doch wollte ich nicht trauen.

Da sendete der Herzog einen Reitenden mit einem Brief an'n Rath: mich bis weitere Ordre in Arrest zu nehmen! - Worauf der Bürgermeister Steger, welchen ich zu barbieren hatte, zu meinem Herrn schickte: was das vor ein Geselle wäre? - Mein Herr war selbst bei ihn und saget's: "Der Sie barbierete." - Da mußte ich zu ihm kommen. - Er fragete: was ich mit dem Fürsten von Merseburg zu thun?

Da habe ich selbigem die ganze Jache erzählet, und daß mit dieser Kondition ich nach Hof' gekommen, und die Person dergestalt heiraten gewollt. Weil aber der Herzog solches nicht bewerkstelliget, hätte ich, als ein junger Mensch, meine fortune weiter suchen müssen. - Der Herr Burgermeister billigte meine Sache und sagte: wann der Herzog mir aber sein Versprechen hielt', ob ich wieder

sie mich in ihre Betten die Nacht. Aber es wurd nicht besser und mußte mich von Hof begeben bei meine Frau Muhme. Da speiete ich etliche Tage Blut. Und die Herzogin hielt mir ihren Medicum vierzehen Tage.

Weil ich nun das Hofleben überdrüssig und keine Gewißheit bekam, resolvierete ich: die von Leipzig mir zugesandte Rekommandation, da ich alle Jahr zweihundert Thaler und mehr verdienen konnte, anzunehmen.

Ich setzte mich demnach stille auf ein gemiethet Pferd und ritte immer nach Leipzig zu.

Ich war kaum fünf Tage bei meinem Herrn gewesen, so kam der Kammerdiener Nester vom Fürsten, schalt mich und sagte: worum ich heimlich von Hofe gegangen? Der Herzog wäre sehr ungnädig und wollte durchaus: ich sollte wieder nüber. – Allein ich sagte ihm alles mein Anliegen, und daß ich’s zu keiner Bestallung bringen könne. – Er sagte: man müsse keinen Fürsten forcieren; es würde geschehen. – Doch wollte ich nicht trauen.

Da sendete der Herzog einen Reitenden mit einem Brief an’n Rath: mich bis weitere Ordre in Arrest zu nehmen! – Worauf der Bürgermeister Steger, welchen ich zu barbieren hatte, zu meinem Herrn schickte: was das vor ein Geselle wäre? – Mein Herr war selbst bei ihn und saget’s: „Der Sie barbierete.“ – Da mußte ich zu ihm kommen. – Er fragete: was ich mit dem Fürsten von Merseburg zu thun?

Da habe ich selbigem die ganze Jache erzählet, und daß mit dieser Kondition ich nach Hof’ gekommen, und die Person dergestalt heiraten gewollt. Weil aber der Herzog solches nicht bewerkstelliget, hätte ich, als ein junger Mensch, meine fortune weiter suchen müssen. – Der Herr Burgermeister billigte meine Sache und sagte: wann der Herzog mir aber sein Versprechen hielt’, ob ich wieder

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[0204] sie mich in ihre Betten die Nacht. Aber es wurd nicht besser und mußte mich von Hof begeben bei meine Frau Muhme. Da speiete ich etliche Tage Blut. Und die Herzogin hielt mir ihren Medicum vierzehen Tage. Weil ich nun das Hofleben überdrüssig und keine Gewißheit bekam, resolvierete ich: die von Leipzig mir zugesandte Rekommandation, da ich alle Jahr zweihundert Thaler und mehr verdienen konnte, anzunehmen. Ich setzte mich demnach stille auf ein gemiethet Pferd und ritte immer nach Leipzig zu. Ich war kaum fünf Tage bei meinem Herrn gewesen, so kam der Kammerdiener Nester vom Fürsten, schalt mich und sagte: worum ich heimlich von Hofe gegangen? Der Herzog wäre sehr ungnädig und wollte durchaus: ich sollte wieder nüber. – Allein ich sagte ihm alles mein Anliegen, und daß ich’s zu keiner Bestallung bringen könne. – Er sagte: man müsse keinen Fürsten forcieren; es würde geschehen. – Doch wollte ich nicht trauen. Da sendete der Herzog einen Reitenden mit einem Brief an’n Rath: mich bis weitere Ordre in Arrest zu nehmen! – Worauf der Bürgermeister Steger, welchen ich zu barbieren hatte, zu meinem Herrn schickte: was das vor ein Geselle wäre? – Mein Herr war selbst bei ihn und saget’s: „Der Sie barbierete.“ – Da mußte ich zu ihm kommen. – Er fragete: was ich mit dem Fürsten von Merseburg zu thun? Da habe ich selbigem die ganze Jache erzählet, und daß mit dieser Kondition ich nach Hof’ gekommen, und die Person dergestalt heiraten gewollt. Weil aber der Herzog solches nicht bewerkstelliget, hätte ich, als ein junger Mensch, meine fortune weiter suchen müssen. – Der Herr Burgermeister billigte meine Sache und sagte: wann der Herzog mir aber sein Versprechen hielt’, ob ich wieder

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/204>, abgerufen am 26.04.2024.