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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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Dann mußte ich neinkommen. Und hieß's, ohne alles Einwenden: "Ihr sollt ins Gehorsam!" - Ich protestierete und berief mich auf meine Possession [Profession?]. - Aber sie stunden auf und gingen davon und ließen mich stehen.

Die Stockmeister und Knechte, denen es befohlen war, brauchten wenig Gnade. Ich mußte fort ins Gehorsam. Und verschlossen mich, als wenn ich der ärgeste Dieb!

Mein Vater, als ein Rathsglied, wollte mich bei seeligem Herrn Rathsmeister Knorren, welcher damals am Regiment, losbitten und Kaution machen. Konnte es aber nicht erhalten; weil ich, als ein böser, gottloser Mann von meiner Frauen Seite schwarz gemacht, erst zahm werden müßte, wie er gemeinet. Mein Vater hatte ihm gesaget: "Er hat auch Kinder; wer weiß, wie es ihm gehet?" NB. Also mußte ich die Nacht und einen Tag sitzen, was mich das gekränket, ist nicht zu sagen!

Aber die Regierung hatte das Procedieren erfahren und übel verwiesen. Darauf ließen sie mich los, und sollte ich mich noch bedanken und angeloben! Aber ich that das nicht. Und gewiß, wo ich die Magd noch im Hause angetroffen, hätte ich sie tot gemacht. So voller Grimm war ich.

Noch eine andere Fatalität widerfuhr mir kurz drauf. Nämlich: ich hatte etliche studiosus medicinae im Hause, auch zwei große Barbierjungen. Die fangen einen großen, schwarzen Hund im Hofe und halten ihn etliche Tage mit Milch auf, ihn zu anatomieren.

Da sie ihn hervorbringen, frage ich: wo der Hund herkomme? wem er gehörete? - Sie sagten: es wäre ein Bauernhund und in'n Hof gekommen. - Ich denke: "Es hat nicht viel zu bedeuten." - Sie anatomieren den Hund und ich gehe dazu und weise ihnen die venas lacteas und andere viscera.

Dann mußte ich neinkommen. Und hieß’s, ohne alles Einwenden: „Ihr sollt ins Gehorsam!“ – Ich protestierete und berief mich auf meine Possession [Profession?]. – Aber sie stunden auf und gingen davon und ließen mich stehen.

Die Stockmeister und Knechte, denen es befohlen war, brauchten wenig Gnade. Ich mußte fort ins Gehorsam. Und verschlossen mich, als wenn ich der ärgeste Dieb!

Mein Vater, als ein Rathsglied, wollte mich bei seeligem Herrn Rathsmeister Knorren, welcher damals am Regiment, losbitten und Kaution machen. Konnte es aber nicht erhalten; weil ich, als ein böser, gottloser Mann von meiner Frauen Seite schwarz gemacht, erst zahm werden müßte, wie er gemeinet. Mein Vater hatte ihm gesaget: „Er hat auch Kinder; wer weiß, wie es ihm gehet?“ NB. Also mußte ich die Nacht und einen Tag sitzen, was mich das gekränket, ist nicht zu sagen!

Aber die Regierung hatte das Procedieren erfahren und übel verwiesen. Darauf ließen sie mich los, und sollte ich mich noch bedanken und angeloben! Aber ich that das nicht. Und gewiß, wo ich die Magd noch im Hause angetroffen, hätte ich sie tot gemacht. So voller Grimm war ich.

Noch eine andere Fatalität widerfuhr mir kurz drauf. Nämlich: ich hatte etliche studiosus medicinae im Hause, auch zwei große Barbierjungen. Die fangen einen großen, schwarzen Hund im Hofe und halten ihn etliche Tage mit Milch auf, ihn zu anatomieren.

Da sie ihn hervorbringen, frage ich: wo der Hund herkomme? wem er gehörete? – Sie sagten: es wäre ein Bauernhund und in’n Hof gekommen. – Ich denke: „Es hat nicht viel zu bedeuten.“ – Sie anatomieren den Hund und ich gehe dazu und weise ihnen die venas lacteas und andere viscera.

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[0260] Dann mußte ich neinkommen. Und hieß’s, ohne alles Einwenden: „Ihr sollt ins Gehorsam!“ – Ich protestierete und berief mich auf meine Possession [Profession?]. – Aber sie stunden auf und gingen davon und ließen mich stehen. Die Stockmeister und Knechte, denen es befohlen war, brauchten wenig Gnade. Ich mußte fort ins Gehorsam. Und verschlossen mich, als wenn ich der ärgeste Dieb! Mein Vater, als ein Rathsglied, wollte mich bei seeligem Herrn Rathsmeister Knorren, welcher damals am Regiment, losbitten und Kaution machen. Konnte es aber nicht erhalten; weil ich, als ein böser, gottloser Mann von meiner Frauen Seite schwarz gemacht, erst zahm werden müßte, wie er gemeinet. Mein Vater hatte ihm gesaget: „Er hat auch Kinder; wer weiß, wie es ihm gehet?“ NB. Also mußte ich die Nacht und einen Tag sitzen, was mich das gekränket, ist nicht zu sagen! Aber die Regierung hatte das Procedieren erfahren und übel verwiesen. Darauf ließen sie mich los, und sollte ich mich noch bedanken und angeloben! Aber ich that das nicht. Und gewiß, wo ich die Magd noch im Hause angetroffen, hätte ich sie tot gemacht. So voller Grimm war ich. Noch eine andere Fatalität widerfuhr mir kurz drauf. Nämlich: ich hatte etliche studiosus medicinae im Hause, auch zwei große Barbierjungen. Die fangen einen großen, schwarzen Hund im Hofe und halten ihn etliche Tage mit Milch auf, ihn zu anatomieren. Da sie ihn hervorbringen, frage ich: wo der Hund herkomme? wem er gehörete? – Sie sagten: es wäre ein Bauernhund und in’n Hof gekommen. – Ich denke: „Es hat nicht viel zu bedeuten.“ – Sie anatomieren den Hund und ich gehe dazu und weise ihnen die venas lacteas und andere viscera.

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/260>, abgerufen am 30.04.2024.