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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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Glieder getrieben. Endlich schwall er an Händen und Füßen; welches auch durch den Schweiß weggebracht wurde. Allein, fiel bald darauf in eine hitzige Krankheit, worin er phantasierte und ganz an seiner Seeligkeit desperierte. Ich war Tag und Nacht bei ihm; denn er konnte mich wohl leiden.

Einsmals war der Paroxysmus sehr heftig: "Ach, mein GOtt, mein GOtt und Herre, itzt muß ich fort, für Deinen heiligen Thron und Dein gerechtes Gericht! Ach, wie will ich bestehen vor Dir? Ich bin zwar von Dir zu Deinem Knecht und Seelenhirten eingesetzt; ach, leider! ach, leider! ich bin's nicht treu gewesen, und das Verlorene wird itzt von meiner Hand gefordert ec. Ach, ach, wie will ich bestehen?" - Das trieb er im Beisein zweier Prediger, so ihm zwar heftig Trost zusprachen, aber nicht viel effektuierten, eine lange Zeit fort, bis er sich umb-, an die Wand, kehrete und ward ganz stille und schlief bei zwei oder drei Stunden ein.

Da er erwachte und sich wieder umbkehrete, war er von Herzen freudig und fröhlich, lobte und preisete GOtt für seine Gnade, die er ihm widerfahren lassen. "Nun habe ich die Herrlichkeit, sprach er, wie werde ich doch so fröhlich sein, werd singen mit den Engelein und mit der auserwählten Schaar; ewig, ewig, ewig (das saget er oft) schauen Dein Antlitz klar." - Hiemit schickete er sich zum Tode und schloß seine Augen zu, so ich ihm vollends zudrückte. - Und dachte bei mir selbst: "Wann das am grünen Holz geschiehet, was will am dürren werden?" Denn es war ein frommer, eifriger Mann und rechter Prediger.

Ich wandte mich hierauf zu denen beiden Herrn, als Herrn Magister Schumann, so Diaconus, und Herrn Magister Ockeln, so Adjunctus war, und sagte: "GOtt lasse mich sterben den Tod dies' Gerechten. Ich kondoliere sie deshalb dieses Verlusts und wünsche dem Herrn Magister

Glieder getrieben. Endlich schwall er an Händen und Füßen; welches auch durch den Schweiß weggebracht wurde. Allein, fiel bald darauf in eine hitzige Krankheit, worin er phantasierte und ganz an seiner Seeligkeit desperierte. Ich war Tag und Nacht bei ihm; denn er konnte mich wohl leiden.

Einsmals war der Paroxysmus sehr heftig: „Ach, mein GOtt, mein GOtt und Herre, itzt muß ich fort, für Deinen heiligen Thron und Dein gerechtes Gericht! Ach, wie will ich bestehen vor Dir? Ich bin zwar von Dir zu Deinem Knecht und Seelenhirten eingesetzt; ach, leider! ach, leider! ich bin’s nicht treu gewesen, und das Verlorene wird itzt von meiner Hand gefordert ec. Ach, ach, wie will ich bestehen?“ – Das trieb er im Beisein zweier Prediger, so ihm zwar heftig Trost zusprachen, aber nicht viel effektuierten, eine lange Zeit fort, bis er sich umb-, an die Wand, kehrete und ward ganz stille und schlief bei zwei oder drei Stunden ein.

Da er erwachte und sich wieder umbkehrete, war er von Herzen freudig und fröhlich, lobte und preisete GOtt für seine Gnade, die er ihm widerfahren lassen. „Nun habe ich die Herrlichkeit, sprach er, wie werde ich doch so fröhlich sein, werd singen mit den Engelein und mit der auserwählten Schaar; ewig, ewig, ewig (das saget er oft) schauen Dein Antlitz klar.“ – Hiemit schickete er sich zum Tode und schloß seine Augen zu, so ich ihm vollends zudrückte. – Und dachte bei mir selbst: „Wann das am grünen Holz geschiehet, was will am dürren werden?“ Denn es war ein frommer, eifriger Mann und rechter Prediger.

Ich wandte mich hierauf zu denen beiden Herrn, als Herrn Magister Schumann, so Diaconus, und Herrn Magister Ockeln, so Adjunctus war, und sagte: „GOtt lasse mich sterben den Tod dies’ Gerechten. Ich kondoliere sie deshalb dieses Verlusts und wünsche dem Herrn Magister

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[0269] Glieder getrieben. Endlich schwall er an Händen und Füßen; welches auch durch den Schweiß weggebracht wurde. Allein, fiel bald darauf in eine hitzige Krankheit, worin er phantasierte und ganz an seiner Seeligkeit desperierte. Ich war Tag und Nacht bei ihm; denn er konnte mich wohl leiden. Einsmals war der Paroxysmus sehr heftig: „Ach, mein GOtt, mein GOtt und Herre, itzt muß ich fort, für Deinen heiligen Thron und Dein gerechtes Gericht! Ach, wie will ich bestehen vor Dir? Ich bin zwar von Dir zu Deinem Knecht und Seelenhirten eingesetzt; ach, leider! ach, leider! ich bin’s nicht treu gewesen, und das Verlorene wird itzt von meiner Hand gefordert ec. Ach, ach, wie will ich bestehen?“ – Das trieb er im Beisein zweier Prediger, so ihm zwar heftig Trost zusprachen, aber nicht viel effektuierten, eine lange Zeit fort, bis er sich umb-, an die Wand, kehrete und ward ganz stille und schlief bei zwei oder drei Stunden ein. Da er erwachte und sich wieder umbkehrete, war er von Herzen freudig und fröhlich, lobte und preisete GOtt für seine Gnade, die er ihm widerfahren lassen. „Nun habe ich die Herrlichkeit, sprach er, wie werde ich doch so fröhlich sein, werd singen mit den Engelein und mit der auserwählten Schaar; ewig, ewig, ewig (das saget er oft) schauen Dein Antlitz klar.“ – Hiemit schickete er sich zum Tode und schloß seine Augen zu, so ich ihm vollends zudrückte. – Und dachte bei mir selbst: „Wann das am grünen Holz geschiehet, was will am dürren werden?“ Denn es war ein frommer, eifriger Mann und rechter Prediger. Ich wandte mich hierauf zu denen beiden Herrn, als Herrn Magister Schumann, so Diaconus, und Herrn Magister Ockeln, so Adjunctus war, und sagte: „GOtt lasse mich sterben den Tod dies’ Gerechten. Ich kondoliere sie deshalb dieses Verlusts und wünsche dem Herrn Magister

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/269>, abgerufen am 30.04.2024.