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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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und behielt wenig davon übrig. Ich nahm in Berlin bei Herrn Sekretär Zieglern eigene stube, speisete im Hause mit ihm bei seinem künftigen Herrn Schwiegervater [ Lücke]; und Herr Ziegler war mein Konsulent, weil er sonderlich bei dem Kadetten und Herrn Geheimbten Rath von Katsch, bei welchem diese Sache gehörig, wohl dran war. Wir verfertigten ein Supplikat, stelleten die Sache unschuldig vor und baten umb Gnade und Abolition, damit ich nicht beschimpft würde. Ich stellete auch zugleich vor, daß ich meine Barbierstube an Gerbern übergeben und ohnedem dem Barbierambt und der Obermeisterstelle resignieren würde.

Indeß lebte ich in Berlin wohl und ließ weidlich draufgehen; mehr aus Desperation. Mein Advokat nahm auch die Dukaten.

Meine Frau war, wie ich wegreisete schon krank und gedachte ich nicht: sie lebendig wieder zu finden. Sie machte sich aber aus meinem Unglück nicht viel; au contraire. "Das hat er von seinem Geitz, ich habe es längst gedacht!" sagte sie. - Und ihr seeliger Schwiegersohn that, als ging es ihn nicht an; wiewohl er die Extremität verhüten konnte, so knipp er heimlich.

Die Zeit währete mir in Berlin zu lang und kostbar. Deswegen ich nach Hause reisete. Da hatten die Barbier meine Jungen und Gesellen, teils durch List, teils durch Überreden, weggetrieben, daß die Kunden alle zerstreuet; einer hie, der andere da war. Die Frau hatte inmittelst auch Kisten und Kasten zu ihrer Tochter räumen lassen, weil sie gesehen, daß es zum Sterben ging.

Es ist nicht zu beschreiben, wie erbittert die Barbier waren, als sie höreten, daß ich in Berlin Abolition suchte, und sie hier ihr Müthchen an mir nicht kühlen und den Skribenten und dem Herrn Syndikus die Braten aus den Zähnen gerückt wurden. Wie sie mir nachgehends selbst geklaget!

und behielt wenig davon übrig. Ich nahm in Berlin bei Herrn Sekretär Zieglern eigene stube, speisete im Hause mit ihm bei seinem künftigen Herrn Schwiegervater [ Lücke]; und Herr Ziegler war mein Konsulent, weil er sonderlich bei dem Kadetten und Herrn Geheimbten Rath von Katsch, bei welchem diese Sache gehörig, wohl dran war. Wir verfertigten ein Supplikat, stelleten die Sache unschuldig vor und baten umb Gnade und Abolition, damit ich nicht beschimpft würde. Ich stellete auch zugleich vor, daß ich meine Barbierstube an Gerbern übergeben und ohnedem dem Barbierambt und der Obermeisterstelle resignieren würde.

Indeß lebte ich in Berlin wohl und ließ weidlich draufgehen; mehr aus Desperation. Mein Advokat nahm auch die Dukaten.

Meine Frau war, wie ich wegreisete schon krank und gedachte ich nicht: sie lebendig wieder zu finden. Sie machte sich aber aus meinem Unglück nicht viel; au contraire. „Das hat er von seinem Geitz, ich habe es längst gedacht!“ sagte sie. – Und ihr seeliger Schwiegersohn that, als ging es ihn nicht an; wiewohl er die Extremität verhüten konnte, so knipp er heimlich.

Die Zeit währete mir in Berlin zu lang und kostbar. Deswegen ich nach Hause reisete. Da hatten die Barbier meine Jungen und Gesellen, teils durch List, teils durch Überreden, weggetrieben, daß die Kunden alle zerstreuet; einer hie, der andere da war. Die Frau hatte inmittelst auch Kisten und Kasten zu ihrer Tochter räumen lassen, weil sie gesehen, daß es zum Sterben ging.

Es ist nicht zu beschreiben, wie erbittert die Barbier waren, als sie höreten, daß ich in Berlin Abolition suchte, und sie hier ihr Müthchen an mir nicht kühlen und den Skribenten und dem Herrn Syndikus die Braten aus den Zähnen gerückt wurden. Wie sie mir nachgehends selbst geklaget!

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[0292] und behielt wenig davon übrig. Ich nahm in Berlin bei Herrn Sekretär Zieglern eigene stube, speisete im Hause mit ihm bei seinem künftigen Herrn Schwiegervater [ Lücke]; und Herr Ziegler war mein Konsulent, weil er sonderlich bei dem Kadetten und Herrn Geheimbten Rath von Katsch, bei welchem diese Sache gehörig, wohl dran war. Wir verfertigten ein Supplikat, stelleten die Sache unschuldig vor und baten umb Gnade und Abolition, damit ich nicht beschimpft würde. Ich stellete auch zugleich vor, daß ich meine Barbierstube an Gerbern übergeben und ohnedem dem Barbierambt und der Obermeisterstelle resignieren würde. Indeß lebte ich in Berlin wohl und ließ weidlich draufgehen; mehr aus Desperation. Mein Advokat nahm auch die Dukaten. Meine Frau war, wie ich wegreisete schon krank und gedachte ich nicht: sie lebendig wieder zu finden. Sie machte sich aber aus meinem Unglück nicht viel; au contraire. „Das hat er von seinem Geitz, ich habe es längst gedacht!“ sagte sie. – Und ihr seeliger Schwiegersohn that, als ging es ihn nicht an; wiewohl er die Extremität verhüten konnte, so knipp er heimlich. Die Zeit währete mir in Berlin zu lang und kostbar. Deswegen ich nach Hause reisete. Da hatten die Barbier meine Jungen und Gesellen, teils durch List, teils durch Überreden, weggetrieben, daß die Kunden alle zerstreuet; einer hie, der andere da war. Die Frau hatte inmittelst auch Kisten und Kasten zu ihrer Tochter räumen lassen, weil sie gesehen, daß es zum Sterben ging. Es ist nicht zu beschreiben, wie erbittert die Barbier waren, als sie höreten, daß ich in Berlin Abolition suchte, und sie hier ihr Müthchen an mir nicht kühlen und den Skribenten und dem Herrn Syndikus die Braten aus den Zähnen gerückt wurden. Wie sie mir nachgehends selbst geklaget!

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/292>, abgerufen am 30.04.2024.