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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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Sie machten ihr recht Meisterstück mit Gegenvorstellung und Berichten auf mein Supplikat, so sie sich in Abschrift hatten bringen lassen. Insonderheit hatte mich der Herr Syndikus, welcher allererst seinen Dienst vor tausend Thaler erlanget, über alle Maße als den allergottlosesten, leichtfertigsten und sehr, sehr reichen Mann angegeben mit allerhand andern Beschuldigung (auf der Barbierer ihr Verhetzen), daß beim Hof-Kriminal aller Dinge darauf reflektieret und mir die Strafe weit höher gesatzet wurde, als ich vermeinet, und endlich mir nach Halle geschickt wurde, eben als ich krank lag. Welches kein Wunder, ich wäre des Todes gewesen!

Nun, was wollte ich thun? Ich erkannte, daß ich's mit meinen großen Sünden verdienet und GOtt aus dem Geschirr getreten; und war nicht unschuldig. Vergoß deswegen viel Thränen, sowohl auf der Rückreise, als sonsten. Schickte mich deshalb mit dem König David zur Geduld. Suchte mein Geld zusammen und schickte es auf der Post nach Berlin. Mein Herr Konsulent wollte auch noch einmal schröpfen, da ich ihm schon so manchen schönen Dukat gegeben hatte. Hier mußte ich auch dem Herrn Syndico, Secretariis und Ausreiter Zins bringen. Und bedaureten doch: daß ich ihnen einen schönen Braten aus den Zähnen genommen!

Alles, was in der Sache hier ergangen, mußte versiegelt nach Berlin in die ewige Vergessenheit gesandt werden. Zwei aus dem Rath, nämlich Herr Doktor Reimers und Redel, mußten bei Ablegung und Übergabe meiner Rechnung bei versamleter Barbierinnung mit sein; als worumb ich selbst supplizieret. Mußten mich überhaupt quittieren und erklären: daß sie ferner nichts als Ehre und Gutes zu sagen wüßten an mir.

Die Barbier aber hatten das nicht vermeinet: daß sie sich durch meine Sache Schaden und Unglück in'n Pelz setzten, und da sie meineten, mich zu stürzen, selbst

Sie machten ihr recht Meisterstück mit Gegenvorstellung und Berichten auf mein Supplikat, so sie sich in Abschrift hatten bringen lassen. Insonderheit hatte mich der Herr Syndikus, welcher allererst seinen Dienst vor tausend Thaler erlanget, über alle Maße als den allergottlosesten, leichtfertigsten und sehr, sehr reichen Mann angegeben mit allerhand andern Beschuldigung (auf der Barbierer ihr Verhetzen), daß beim Hof-Kriminal aller Dinge darauf reflektieret und mir die Strafe weit höher gesatzet wurde, als ich vermeinet, und endlich mir nach Halle geschickt wurde, eben als ich krank lag. Welches kein Wunder, ich wäre des Todes gewesen!

Nun, was wollte ich thun? Ich erkannte, daß ich’s mit meinen großen Sünden verdienet und GOtt aus dem Geschirr getreten; und war nicht unschuldig. Vergoß deswegen viel Thränen, sowohl auf der Rückreise, als sonsten. Schickte mich deshalb mit dem König David zur Geduld. Suchte mein Geld zusammen und schickte es auf der Post nach Berlin. Mein Herr Konsulent wollte auch noch einmal schröpfen, da ich ihm schon so manchen schönen Dukat gegeben hatte. Hier mußte ich auch dem Herrn Syndico, Secretariis und Ausreiter Zins bringen. Und bedaureten doch: daß ich ihnen einen schönen Braten aus den Zähnen genommen!

Alles, was in der Sache hier ergangen, mußte versiegelt nach Berlin in die ewige Vergessenheit gesandt werden. Zwei aus dem Rath, nämlich Herr Doktor Reimers und Redel, mußten bei Ablegung und Übergabe meiner Rechnung bei versamleter Barbierinnung mit sein; als worumb ich selbst supplizieret. Mußten mich überhaupt quittieren und erklären: daß sie ferner nichts als Ehre und Gutes zu sagen wüßten an mir.

Die Barbier aber hatten das nicht vermeinet: daß sie sich durch meine Sache Schaden und Unglück in’n Pelz setzten, und da sie meineten, mich zu stürzen, selbst

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[0294] Sie machten ihr recht Meisterstück mit Gegenvorstellung und Berichten auf mein Supplikat, so sie sich in Abschrift hatten bringen lassen. Insonderheit hatte mich der Herr Syndikus, welcher allererst seinen Dienst vor tausend Thaler erlanget, über alle Maße als den allergottlosesten, leichtfertigsten und sehr, sehr reichen Mann angegeben mit allerhand andern Beschuldigung (auf der Barbierer ihr Verhetzen), daß beim Hof-Kriminal aller Dinge darauf reflektieret und mir die Strafe weit höher gesatzet wurde, als ich vermeinet, und endlich mir nach Halle geschickt wurde, eben als ich krank lag. Welches kein Wunder, ich wäre des Todes gewesen! Nun, was wollte ich thun? Ich erkannte, daß ich’s mit meinen großen Sünden verdienet und GOtt aus dem Geschirr getreten; und war nicht unschuldig. Vergoß deswegen viel Thränen, sowohl auf der Rückreise, als sonsten. Schickte mich deshalb mit dem König David zur Geduld. Suchte mein Geld zusammen und schickte es auf der Post nach Berlin. Mein Herr Konsulent wollte auch noch einmal schröpfen, da ich ihm schon so manchen schönen Dukat gegeben hatte. Hier mußte ich auch dem Herrn Syndico, Secretariis und Ausreiter Zins bringen. Und bedaureten doch: daß ich ihnen einen schönen Braten aus den Zähnen genommen! Alles, was in der Sache hier ergangen, mußte versiegelt nach Berlin in die ewige Vergessenheit gesandt werden. Zwei aus dem Rath, nämlich Herr Doktor Reimers und Redel, mußten bei Ablegung und Übergabe meiner Rechnung bei versamleter Barbierinnung mit sein; als worumb ich selbst supplizieret. Mußten mich überhaupt quittieren und erklären: daß sie ferner nichts als Ehre und Gutes zu sagen wüßten an mir. Die Barbier aber hatten das nicht vermeinet: daß sie sich durch meine Sache Schaden und Unglück in’n Pelz setzten, und da sie meineten, mich zu stürzen, selbst

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/294>, abgerufen am 30.04.2024.